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Wirtschaftsumfeld | Palästinensische Gebiete | Wirtschaftsentwicklung

Palästinensische Wirtschaft am Boden – kaum Erholung in Sicht

Die Wirtschaft in Gaza ist zerrüttet, die Westbank bleibt instabil. Die Wirtschaftsleistung ist stark eingebrochen, ein Wiederaufbau in Gaza wird viele Jahre in Anspruch nehmen.

Von Wladimir Struminski | Jerusalem

Der seit Oktober 2023 anhaltende Gazakrieg hat weitreichende gesamtwirtschaftliche Folgen für die Palästinensischen Gebiete. Das Palästinensische Zentralamt für Statistik (PCBS) beziffert das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) im 1. Quartal 2025 rund 30 Prozent unter dem Stand des 3. Quartals 2023, des Quartals unmittelbar vor Kriegsbeginn.

Allein 2024, einem Jahr mit durchgehenden Kampfhandlungen, brach die palästinensische Wirtschaft laut Weltbank gegenüber dem Vorjahr um 27 Prozent ein. Zwar hat sich die Lage inzwischen stabilisiert, doch das ist kaum ein Grund zur Entwarnung: Der Gazastreifen ist weitgehend zerstört und seine Wirtschaft lahmgelegt. Im Westjordanland liegt das BIP nach wie vor deutlich unter dem Vorkriegsstand.

Entwicklung der palästinensischen Wirtschaft 2024Reale Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozent *)
Kennziffer

Palästinensische Gebiete insgesamt

Westbank

Gazastreifen

BIP-28,3-16,4-82,6
Wertschöpfung der Industrie-33,0-30,0-90,0
Wertschöpfung der Bauwirtschaft-46,0-38,0-98,0
Wertschöpfung des Dienstleistungssektors-27,0-17,0-81,0
Wertschöpfung des Agrarsektors-32,0-17,0-91,0
Arbeitslosenquote (in % der Erwerbspersonen)51,235,080,0
* Schätzungen. Es handelt sich um den Stand von Dezember 2024. Neuere Daten sind nicht verfügbar.Quelle: Palestinian Central Bureau of Statistics 2024

BIP schrumpfte in Gaza auf ein Siebtel des Vorkriegsniveaus

Im 1. Quartal 2025 erreichte das inflationsbereinigte BIP in Gaza nur 13,6 Prozent des Wertes im letzten Vorkriegsquartal.

Mit 53,5 Prozent wurde mehr als die Hälfte des BIP durch Gesundheits-, Sozial- und Bildungsdienstleistungen erwirtschaftet. Diese werden größtenteils durch internationale Hilfe getragen. Eigenständige wirtschaftliche Aktivität findet kaum noch statt: Gaza exportiert weder Waren noch Dienstleistungen. Sein Anteil am gesamten palästinensischen BIP lag im selben Zeitraum bei lediglich 3 Prozent.

Schon vor dem Krieg war Gazas wirtschaftlicher Beitrag deutlich geringer als sein Anteil an der Bevölkerung der Palästinensischen Gebiete. Mit rund 15 Prozent lag er damals jedoch noch erheblich über dem heutigen Niveau.

Wirtschaftsdaten kompakt Palästinensische Gebiete

Die GTAI-Reihe "Wirtschaftsdaten kompakt – Palästinensische Gebiete" gibt einen Überblick zu allen relevanten Wirtschaftsindikatoren des Landes.

Weltbank: Vorkriegsniveau frühestens 2038 erreichbar

Wann und wie ein Wiederaufbau von Gaza in humanitärer und in wirtschaftlicher Hinsicht beginnen kann, lässt sich nicht absehen. Eine Voraussetzung dafür wäre eine verlässliche, langfristige Waffenruhe. Klar ist indessen, dass der Aufbau nur durch internationale Geldgeber finanziert werden kann und nahe am Nullpunkt ansetzen wird.

Die Weltbank schätzte im April 2025, dass das BIP je Einwohner in Gaza frühestens 2038 den Vorkriegsstand erreichen könne. Nahezu alle Haushalte im Gazastreifen lebten gegenwärtig in Armut.

Wirtschaftsprognose für die Palästinensischen Gebiete 2025 Reale Veränderung gegenüber 2024 in Prozent
Kennziffer

Basisszenario 

Optimistisches Szenario 

Pessimistisches Szenario 

BIP

0,6

19,6

-5,5

Wertschöpfung der Industrie

-8,0

1,9

-14,8

Wertschöpfung der Bauwirtschaft

-3,3

74,2

-21,4

Wertschöpfung des Dienstleistungssektors

-1,4

7,7

-6,6

Wertschöpfung des Agrarsektors

6,2

58,0

-5,9

Privater und öffentlicher Verbrauch 

6,7

24,6

1,2

Arbeitslosenquote (in % der Erwerbspersonen)

39,2

43,3

53,0

Es handelt sich um den Stand von Dezember 2024. Neuere Daten sind nicht verfügbar.Quelle: Palestinian Central Bureau of Statistics 2024

Palästinenser von Arbeitsplätzen abgeschnitten

Nach Ausbruch des Krieges untersagte die israelische Regierung palästinensischen Arbeitspendlern aus den Palästinensischen Gebieten den Zugang zu ihren israelischen Arbeitsplätzen. Rund 90 Prozent dieser etwa 180.000 Beschäftigten stammten aus dem Westjordanland, einschließlich jener, die in israelischen Siedlungen tätig waren.

Ab Oktober 2023 durfte nur ein kleiner Teil weiterhin legal arbeiten. Eine ebenfalls begrenzte Gruppe setzt ihre Tätigkeit ohne Genehmigung fort. Das ist möglich, weil die Grenze zu Israel nur teilweise gesichert ist und an einigen Stellen, wenn auch unter Risiko, überwunden werden kann.

Laut PCBS waren im 1. Quartal 2025 nur noch rund 40.000 Palästinenser aus dem Westjordanland in Israel oder den Siedlungen beschäftigt – weniger als ein Viertel des Vorkriegsniveaus. Mangels alternativer Jobs stieg die Arbeitslosenquote auf 30,2 Prozent. Das schwächt die Kaufkraft und belastet die Konjunktur.

Eine Lösung ist nicht in Sicht. Im Juli 2025 äußerte sich Shaher Saad, Generalsekretär des Palästinensischen Gewerkschaftsbundes, gegenüber der Wirtschaftszeitung Al-Eqtisadi pessimistisch: Es gebe keinerlei Hinweise auf eine Wiederaufnahme des Zugangs palästinensischer Arbeitskräfte nach Israel.

Bauwirtschaft und Tourismus am Abgrund

Die Industrieproduktion bleibt infolge des Krieges stark beeinträchtigt. Im Juni 2025 lag der Produktionsindex laut palästinensischer Gesamtrechnung 40 Prozent unter dem Vorkriegsniveau. Rund ein Viertel des Rückgangs entfällt auf den Ausfall des Industriesektors in Gaza, drei Viertel auf die Krise im Westjordanland.

Auch die Bauwirtschaft leidet erheblich: In Gaza steht die Bautätigkeit vollständig still, im Westjordanland ist sie stark eingebrochen. Laut Alaa Abu Ein, Vorsitzender des palästinensischen Immobilienentwicklerverbands, sank die Nachfrage nach Immobilienkäufen dort seit Kriegsbeginn um 40 bis 50 Prozent – mit drastischen Folgen für die Bauaktivität.

Der Fremdenverkehr ist ein bedeutender Wirtschaftszweig: Im Jahr 2023 trug er 5,2 Prozent zum palästinensischen BIP bei. Im Gazastreifen spielte Tourismus schon vor dem Krieg kaum eine Rolle und ist seither vollständig zum Erliegen gekommen. Die verfügbaren Daten beziehen sich daher ausschließlich auf das Westjordanland.

Laut PCBS zählte das Hotelgewerbe 2023 dort rund 380.000 Gäste und hatte sich damit von der Coronapandemie erholt. Offizielle Zahlen für 2024 liegen nicht vor, doch laut einer Erhebung von Al-Eqtisadi sank die Zahl der Hotelgäste im Folgejahr um 70 Prozent.

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