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Wirtschaftsumfeld | Palästinensische Gebiete | Konjunktur

Weniger Wachstum – mehr Sorgen

Die palästinensische Wirtschaft wächst 2022 etwa um 3,5 Prozent. Damit lässt der Erholungseffekt nach Corona nach. Der Ukrainekrieg und Israels Wahlergebnis schaffen Ungewissheit.

Von Wladimir Struminski | Jerusalem

Nach einer Schätzung der Weltbank wächst die palästinensische Wirtschaft 2022 nur halb so schnell wie im vergangenen Jahr. Nach einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) 2021 real um 7,1 Prozent soll die Wirtschaftsleistung 2022 laut der Prognose lediglich um 3,5 Prozent zunehmen.

Coronaverluste noch nicht ganz ausgeglichen

Damit wären die Verluste der Coronakrise noch immer nicht ganz überwunden. Vielmehr liegt die prognostizierte Wirtschaftsleistung 2022 real etwa 1,7 Prozent unter dem 2019 erreichten Stand. Je Einwohner würde das einem Rückstand von rund 9 Prozent entsprechen. Im Jahr 2020 war das BIP um 11,3 Prozent eingebrochen. 

Auswirkungen des Ukrainekrieges sind spürbar

Der Krieg in der Ukraine tangiert auch die palästinensische Wirtschaft negativ. Zum einen sind die Palästinensischen Gebiete in hohem Maße auf Lebensmitteleinfuhren aus der Ukraine und aus Russland angewiesen. Zum anderen steigt das Preisniveau auf dem Weltmarkt, was die Importkosten erhöht.

Der kriegsbedingte Preisanstieg für Nahrungsmittel wie für andere Waren, darunter Treibstoffe, trifft die Bevölkerung schwer. Der palästinensische Index der Lebenshaltungskosten lag in den ersten neun Monaten 2022 nach Angaben des palästinensischen Zentralamts für Statistik (PCBS) rund 3,6 Prozent höher als das im Vorjahreszeitraum verzeichnete Niveau. Das mag im internationalen Vergleich gemäßigt erscheinen. Da aber ein Großteil der palästinensischen Haushalte über niedrige Einkommen verfügt, schränkt auch eine solche Inflationsrate die Fähigkeit der Bevölkerung ein, ihre Grundbedürfnisse zu befriedigen.

Exportorientiertes Wachstum kaum möglich

Die Chancen, die palästinensische Wirtschaft durch Exporte nach Übersee zu beleben, sind sehr begrenzt. Zwar konnten die Palästinensischen Gebiete ihre Warenausfuhr in Länder außerhalb Israels nach Angaben des PCBS in den ersten acht Monaten 2022 um 25,3 Prozent steigern. Doch auf das Gesamtjahr 2022 hochgerechnet würde sich der Exportwert damit auf rund 200 Millionen US-Dollar (US$) summieren. Dies entspräche lediglich 1,3 Prozent des BIP.

Die Palästinensischen Gebiete exportierten 2021 Waren im Wert von 1,4 Milliarden US$. Mit einem Anteil von 88,9 Prozent gingen die Ausfuhren vorwiegend nach Israel. Allerdings bilden Israel und die Palästinensischen Gebiete vertragsgemäß ein einheitliches Zollgebiet. Zudem wird der Handel in israelischen Schekel abgewickelt. Damit hilft er kaum beim Aufbau einer international ausgerichteten Exportwirtschaft.

Nahezu alle palästinensischen Exporte kommen aus der Westbank, da Israel die Ausfuhren aus Gaza unverändert unterbindet. Deshalb stellte die Weltbank im September 2022 fest, bei den Bemühungen um die Wiederanhebung der Exporte aus Gaza auf das vor der Blockade verzeichnete Niveau habe es keine Fortschritte gegeben. Die Blockade Gazas wurde von Israel 2007 nach der Übernahme der De-facto-Regierungsgewalt durch die Hamas-Bewegung verhängt.

Wirtschaftliche Risiken im Verhältnis zu Israel steigen

Die israelischen Parlamentswahlen vom 1. November 2022 werfen weitreichende Fragen für die palästinensische Wirtschaft auf. Durch den Wahlsieg der rechtsnationalen Parteien könnten die Einschränkungen der inneren Freizügigkeit weiter verschärft werden. Dazu dürfte auch der von der Rechten geforderte intensive Ausbau israelischer Siedlungen beitragen.

So gehörten etwa bisher schon erhebliche Einschränkungen der Freizügigkeit innerhalb der Westbank zu den Haupthindernissen für die palästinensische Wirtschaftsentwicklung. Von israelischer Seite werden die Kontrollen mit sicherheitspolitischen Überlegungen begründet. Nach Meinung palästinensischer wie internationaler Experten behindern sie indessen erheblich den Personen- und Warenverkehr.

Erschließung des Erdgasfeldes vor Gaza ungewiss

Eine wichtige Frage betrifft die mögliche Erschließung des vor der Küste des Gazastreifens liegenden Erdgasfeldes Gaza Marine. Das Vorkommen wurde bereits 2000 entdeckt. Allerdings konnte bisher mit seiner Erschließung, für die eine Zustimmung Israels erforderlich wäre, nicht begonnen werden. Medienberichten zufolge, waren kurz vor der israelischen Parlamentswahl Gespräche über die Nutzung von Gaza Marine relativ weit fortgeschritten. Wie es hieß, wolle auch Ägypten an der Erschließung des Vorkommens teilnehmen.

Die Erschließung dieses Erdgasfeldes würde für die palästinensische Wirtschaft eine dringend erforderliche Kraftspritze bedeuten. Es bleibt indessen abzuwarten, wie die aus den Wahlen hervorgehende rechtsgerichtete Regierung zu diesem Thema steht.

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