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Wirtschaftsausblick | Philippinen
Die Wirtschaftsleistung legt kräftig zu. Allerdings bereiten Inflation, Wechselkurs und Verschuldung Sorgen.
07.12.2022
Von Alexander Hirschle | Taipei
Die Konjunktur auf den Philippinen sendet Ende 2022 gemischte Signale. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) weist relativ hohe Steigerungsraten auf. Diese sind aber auch dringend nötig, um die horrenden Verluste durch die Coronakrise wieder aufzuholen. Nach Berechnungen von Ökonomen lag die Wirtschaftsleistung Anfang 2022 noch rund 15 Prozent unter dem Wert, den sie ohne die Covid-19-Pandemie und deren wirtschaftliche Auswirkungen erreicht hätte.
Indikator | 2020 | 2021 | Vergleichsdaten Deutschland 2021 |
---|---|---|---|
BIP (nominal, Mrd. US$) | 362 | 394 | 4.261 |
BIP pro Kopf (US$) | 3.325 | 3.576 | 51.214 |
Bevölkerung (Mio.) | 108,8 | 110,2 | 83,2 |
Wechselkurs (Jahresdurchschnitt, 1 US-Dollar (US$) = ... Philippinische Peso (P)) | 49,6 | 49,3 | - |
Im 1. Halbjahr 2022 erzielte die philippinische Wirtschaft ein reales Wachstum von 7,8 Prozent, nach 5,7 Prozent im Vorjahreszeitraum. Auch im 3. Quartal stieg das BIP überraschend stark um 7,6 Prozent. Für das Gesamtjahr gehen die offiziellen Schätzungen der philippinischen Regierung von einer BIP-Steigerung zwischen 6,5 Prozent und 7,5 Prozent aus. Die Prognosen von Finanzinstituten liegen größtenteils am unteren Ende dieses Zielkorridors oder darunter.
Die philippinische Ökonomie steht vor einigen akuten Herausforderungen, wie der zunehmenden Inflation und dem Verfall der Landeswährung. Der philippinische Peso erreichte im Herbst 2022 ein neues Rekordtief gegenüber dem US-Dollar. Des Weiteren drückt die nachlassende internationale Nachfrage auf die Exporte und die hohen Staatsausgaben zur Bewältigung der Coronapandemie belasten die öffentlichen Kassen. Das sich daraus ergebende Zwillingsdefizit bereitet Beobachtern Sorgen. Zumindest soll das Haushaltsloch 2022 mit 7,6 Prozent des BIP wieder kleiner werden – nach 8,6 Prozent im Vorjahr.
Die mittelfristigen Prognosen für das Wachstum der Wirtschaftsleistung bewegen sich dennoch auf hohem Niveau. Im Jahr 2023 dürfte sich die konjunkturelle Dynamik etwas abschwächen und dann ab 2024 wieder zum Wachstumskurs der Vorkrisenzeit zurückkehren. Grundlage hierfür sind nach Einschätzung der Finanzexperten eine disziplinierte Wirtschaftspolitik und fortgesetzte Reformen der Regierung. Der Regierungswechsel im Mai 2022 mit der Ernennung des neuen Präsidenten „Bong Bong“ Marcos wird in dieser Hinsicht bisher von Beobachtern als relativ positiv eingestuft, da Marcos die Wirtschaftspolitik seines Vorgängers mit ähnlichen Schwerpunkten fortzusetzen scheint.
Die Investitionstätigkeit zieht nach einem Plus von rund 8 Prozent im Vorjahr auch 2022 weiter an. Laut Schätzungen des Instituts EIU (Economist Intelligence Unit) werden die Bruttoanlageinvestitionen im Gesamtjahr um 13,2 Prozent zulegen und sich 2023 auf ein Plus von 6,1 Prozent abkühlen. In den Folgejahren dürfte sich der Wert auf diesem Niveau einpendeln.
Der neue Präsident Marcos will das Infrastrukturprogramm der Vorgängerregierung fortsetzen und sogar ausbauen. Künftig sollen Mittel in Höhe von 5 bis 6 Prozent des BIP für die Modernisierung der verbesserungswürdigen Infrastruktur ausgebeben werden. Die neue Regierung erhofft sich auch Impulse durch zusätzliche ausländische Direktinvestitionen und will das Land als „Top-Destination“ für internationale Firmen etablieren. Hierzu soll das Geschäftsklima für Investierende verbessert werden. Die Direktinvestitionen hatten 2021 einen Wert von 12,4 Milliarden US$ erreicht. Das entsprach einem Anstieg von mehr als 80 Prozent gegenüber dem Krisenjahr 2020.
Projektbezeichnung | Investitionssumme (in Milliarden US$*) | Projektstand | Anmerkung |
---|---|---|---|
North-South Commuter Railway | 15,8 | Die Bauvorarbeiten für Phase 3 beginnen Ende 2022, die Bauarbeiten begginen in vollem Umfang im Februar 2023 | Soll die Transportzeiten im Großraum Manila deutlich reduzieren, z. T. Finanzierung durch ADB (Asiatische Entwicklungsbank) und JICA (Japan International Cooperation Agency) |
Metro Manila Subway Project | 8,4 | Bauzeit 2019 bis 2029 | U-Bahn mit Streckenlänge von 36 km und 15 Stationen sowie einer Kapazität von etwa 370.000 Passagieren täglich |
Mindanao Railway Tagum - Davao City - Digos (TDD) Segment | 1,4 | Ausschreibung im Oktober 2021, Baubeginn anstehend | Verbindung der Städte Tagum, Davao und Digos über rund 100 km Länge |
Metro Rail Transit (MRT) Line 7 | 1,3 | Teilweise Inbetriebnahme 2021, vollständige Inbetriebnahme 2023 | 22 km lange Hochbahnstrecke mit 14 Stationen inklusive rollendem Material und Signalanlagen, Terminal und Expressway |
Subic-Clark Railway Project | 1,0 | Baubeginn Anfang 2022, Fertigstellung 2024 | Frachteisenbahnstrecke über 71 km Länge zwischen Clark und Subic |
Mindanao-Visayas Interconnection Project | 1,0 | im Bau, Fertigstellung geplant für 2022 | Verbindung der Stromnetze von Mindanao und den Visayas, größtes Stromübertragungsprojekt des Landes |
SPIA (Sangley Point International Airport) | 11,0 | Auswahl des Konsortiums im Herbst 2022 mit deutscher Beteiligung; geplante Inbetriebnahme 2028 | Bau eines Flughafens mit einer Kapazität von 80 Millionen Passagieren pro Jahr |
Der private Konsum soll nach Schätzungen von EIU im Jahr 2022 um 7,2 Prozent zulegen. Die Rücknahme der Mobilitätseinschränkungen und der Quarantänebestimmungen sowie die Wiedereröffnung der Schulen kurbeln die Kauflust der Bevölkerung an. Auch die rückläufige Arbeitslosigkeit hellt die Konsumstimmung auf. Der private Verbrauch ist für die Konjunktur enorm wichtig, da er rund zwei Drittel zur Entstehung des BIP beiträgt.
Allerdings drücken die zuletzt stark gestiegenen Preise auf die Laune der Konsumenten. Die Weltbank rechnet für 2022 mit einer Preissteigerung von 5,3 Prozent, nachdem die Inflationsrate im Vorjahr 3,5 Prozent betrug. Die philippinische Zentralbank versuchte, dem Negativtrend mit einer Anhebung des Leitzinses zu begegnen. Sie erhöhte ihn im Jahresverlauf bis Ende Oktober 2022 um 225 Basispunkte auf 4,25 Prozent. Ökonomen gehen von weiteren Erhöhungen bis zu 5,5 Prozent im ersten Quartal 2023 aus. Nach Schätzungen der Weltbank soll die Inflation 2023 wieder abklingen.
Der philippinische Außenhandel entwickelte sich in den ersten drei Quartalen 2022 mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Nach einem Zuwachs von 15 Prozent im Jahr 2021 steigen die Exporte im Gesamtjahr 2022 nur noch einstellig um knapp 5 Prozent. Ab August rutschten sie aufgrund der international nachlassenden Nachfrage allerdings schon ins Minus.
Im Gegensatz dazu stiegen die durch den schwachen Wechselkurs verteuerten Importe in den ersten neun Monaten 2022 um fast 25 Prozent im Wert. Das Handelsbilanzdefizit erhöhte sich bis Mitte des Jahres um rund 50 Prozent. Schon 2021 hatte sich das Minus um mehr als 70 Prozent ausgeweitet.
2020 | 2021 | Veränderung 2021/2020 | |
---|---|---|---|
Importe | 89,8 | 116,9 | 30,1 |
Exporte | 65,2 | 74,7 | 14,5 |
Die Philippinen weisen eine hohe Abhängigkeit von Importen auf, vor allem bei Hightech-Erzeugnissen und Markenprodukten. Daraus ergeben sich gute Exportchancen für deutsche Hersteller von Kapital- und Konsumgütern. Die deutschen Lieferungen in das Land konnten davon im 1. Halbjahr 2022 allerdings nicht profitieren und ließen um fast 10 Prozent nach.