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Bei der Automatisierung gibt es noch Luft nach oben

Polen wird ein immer wichtigerer Markt für Roboter und Automatisierungstechnik. Allerdings machen sich laut Branchenvertretern die fehlenden EU-Gelder bemerkbar.

Von Christopher Fuß | Warschau

Polen ist mittlerweile der fünftgrößte Markt für Industrieroboter in der EU. Laut vorläufigen Angaben des Branchenverbandes IFR (International Federation of Robotics) stieg die Summe der installierten Industrieautomaten im Jahr 2022 um über 3.100 Stück. Größer war das Wachstum in Deutschland, Italien, Frankreich und Spanien. Obwohl die Neuinstallationen in Polen um 11 Prozent unter dem Rekordwert von 2021 lagen, zeigt sich der IFR zufrieden. Immerhin handle es sich um das zweitbeste Ergebnis seit Beginn der Untersuchung. Hinzu kommt laut Roboterhersteller FANUC, dass Unternehmen 2021 einige Investitionen nachgeholt hatten, die aufgrund der Coronapandemie aufgeschoben worden waren.

Die Installationszahlen sind ein wichtiger Wirtschaftsindikator. Vereinfacht gesagt: Je mehr Industrieroboter auf einen Industriearbeiter kommen, desto automatisierter ist eine Volkswirtschaft. Ein hoher Automatisierungsgrad geht in der Regel einher mit guten Absatzchancen für Hersteller moderner Produktionsmaschinen und Werkzeuge. Addiert man zur Gesamtzahl aller Roboter aus dem Jahr 2021 die Neuinstallationen von 2022 hinzu, erhält man den als Wert 73 Industrieroboter je 10.000 Industriearbeiter im Jahr 2022. Das entspricht einem Plus von 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Polens Automatisierungsgrad bleibt damit aber hinter Nachbarland Tschechien. Dort ist die Roboterdichte fast zweieinhalbmal so groß.

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Großunternehmen sind Vorreiter

Laut IFR bestellte 2022 insbesondere die Automobilindustrie weniger Roboter. Ein Auftragsplus gab es hingegen bei den Metallverarbeitern. Der polnische Arbeitgeberverband der Roboterindustrie FAIRP (Forum Automatyki i Robotyki Polskiej) gibt zu bedenken, dass ein Großteil der Ausgaben für Automatisierungstechnik auf internationale Großunternehmen entfalle. Zahlen des Personaldienstleisters Personnel Service erlauben eine ähnliche Schlussfolgerung. Die Agentur veröffentlicht regelmäßig ein Arbeitsmarktbarometer (Barometr Polskiego Rynku Pracy). Demnach liegt bei Großunternehmen die Wahrscheinlichkeit, dass Investitionen in Automatisierungstechnik durchgeführt werden, um 50 Prozent über dem Mittelwert der gesamten Industrie.

Laut dem FAIRP-Vorsitzenden Tomasz Haiduk fehlen den kleinen und mittelgroßen Unternehmen die Gelder aus dem europäischen Wiederaufbaufonds. Spanien nutze die neuen EU-Mittel bereits seit einem Jahr. Hier seien die Installationszahlen 2022 um 12 Prozent gestiegen, sagt Haiduk in der Tageszeitung Rzeczpospolita.

Der Zugriff auf den Wiederaufbaufonds bleibt Polen weiterhin verwehrt. Die Europäische Kommission hatte Reformen im Justizwesen zur Bedingung gemacht. Ein entsprechend vom polnischen Parlament verabschiedetes Gesetzespaket lässt Staatspräsident Andrzej Duda derzeit durch Polens Verfassungsgericht überprüfen. Solange dessen Urteil aussteht, steckt die Reform fest. Die Verzögerungen seien laut Tomasz Haiduk mitverantwortlich für den Rückgang bei den Roboterinstallationen.

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Fördergelder und Steuererleichterungen

Das heißt aber nicht, dass es aktuell überhaupt keine öffentlichen Zuschüsse gibt. Im Gegenteil: Staatliche Fördergesellschaften wie der PFR (Polski Fundusz Rozwoju) gehen bei geplanten Projekten des europäischen Wiederaufbaufonds in Vorleistung. Noch bis 9. Oktober 2023 läuft ein Programm für große Unternehmen, die in Robotertechnik investieren. Firmen, die mehr als 50 Millionen Euro Jahresumsatz erwirtschaften, können sich bis zu 50 Prozent der Ausgaben zurückholen. Der Förderkatalog umfasst nicht nur Roboter, sondern auch Machine-to-Machine Kommunikationstechnologien und intelligente Produktionslinien. Das Programm hat ein Budget von insgesamt 450 Millionen Euro. Weitere Informationen veröffentlicht das zuständige Ministerium auf einer Internetseite.

Neben dem Wiederaufbaufonds gibt es noch die kohäsionspolitischen Gelder der EU. Sie finanzieren ein Programm für ostpolnische Regionen. Firmen in diesen strukturschwachen Gegenden können bis zum 8. November 2023 Zuschüsse für Industrieroboter, Maschinen und Software beantragen. Es winken bis zu 670.000 Euro Förderung je Projekt. Der PFR hat alle Teilnahmebedingungen auf einer Internetseite zusammengefasst.

Bereits 2021 brachte Polen Steuererleichterungen für Industrieroboter und Zubehör auf den Weg. Entsprechende Investitionen fließen mit einem Wert von 150 Prozent in die Steuerbemessungsgrundlage ein. Die Abschreibung ist jedoch nur bis 2026 möglich. Außerdem beschränkt sich die Förderung auf Roboter, die in einem Produktionsprozess zum Einsatz kommen. Das bedeutet: Automatisierungstechnik in Logistikhallen fällt in den meisten Fällen nicht unter die Regelung.

Investitionen trotz Wirtschaftsflaute

Zahlen der Statistikbehörde GUS (Główny Urząd Statystyczny) lassen vermuten, dass Roboter und Automatisierungslösungen auch 2023 gefragt sind. So gaben Unternehmen ab 50 Beschäftigten im 1. Halbjahr 2023 rund 14,1 Prozent mehr für Maschinen und Anlagen aus als im Vorjahreszeitraum. Das Ergebnis überrascht, denn gleichzeitig gingen die Nettogewinne leicht zurück. Der Produktionsausstoß lag zwischen Januar und Juli 2023 um 1,9 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Auch das Bruttoinlandsprodukt ist im 2. Quartal 2023 um 1,3 Prozent gegenüber 2022 geschrumpft.

Die staatliche Denkfabrik PIE (Polski Instytut Ekonomiczny) kommentiert, dass die Unternehmen angesichts zweistelliger Lohnzuwachsraten verstärkt auf Automatisierungstechnik schauen. Dank fallender Energiekosten sei auch der finanzielle Spielraum für neue Anschaffungen größer geworden.

Ein Unternehmen, das unbeeindruckt vom schwierigen Marktumfeld investiert, ist der polnische Hersteller von Hygienepapier Velvet Care. Im Juli 2023 kündigte das Unternehmen an, das Werk im südpolnischen Kluczy für über 80 Millionen Euro auszubauen. Ziel des Projektes ist es, den Produktionsprozess weiter zu automatisieren. Auf der Investitionsliste steht der Bau eines Fertigwarenlagers und der Kauf einer neuen Papiermaschine.

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