Der Wiederaufbaufonds sollte die Folgen der Coronapandemie mildern. Polen nutzt die Gelder auch für neue Herausforderungen. Außerdem konnte das Land verlängerte Fristen aushandeln.
Polen wird Niedrigzinskredite aus dem europäischen Wiederaufbaufonds umwidmen, um damit Verteidigungsprojekte zu finanzieren. Es geht um 6,2 Milliarden Euro. Das Ministerium für Fonds und regionale Entwicklung (MFiPR) erhielt bereits grünes Licht von der Europäischen Kommission. Die polnische Behörde kann nun einen Fonds für Sicherheit und Verteidigung (FBiO) einrichten. Ursprünglich waren die Mittel für ein Stadtentwicklungsprogramm vorgesehen.
Der FBiO finanziert unter anderem neue Schutzräume für die Zivilbevölkerung. Ein weiterer Schwerpunkt liegt darauf, kritische Infrastruktur auszubauen und zu schützen. Hierzu gehören Verkehrswege, Kommunikationsnetze und Stromleitungen. Auch Rüstungsbetriebe sowie Hersteller von Dual-Use-Gütern erhalten Zugang zu den FBiO-Mitteln, um ihre Produktion in Polen auszubauen. Ergänzend kommen Investitionen in die Cybersicherheit hinzu. Die staatliche Förderbank BGK veröffentlicht erste Ausschreibungen voraussichtlich Anfang 2026.
Es ist nicht das einzige neue Programm im Rahmen des Wiederaufbaufonds. Polens Digitalisierungsministerium will 650 Millionen Euro aus dem EU-Instrument in einen Fonds für Cloud-Technologien transferieren. Unternehmen, die entsprechende Lösungen in ihrem Betrieb nutzen wollen, können die Niedrigzinskredite beantragen. Wann die Ausschreibungen starten und welche Anforderungen ein Bewerber erfüllen muss, stand Mitte Juli 2025 noch nicht fest.
Milliardenbeträge für die Fahrzeugindustrie
44,5
%
des Wiederaufbaufonds waren Mitte Juni 2025 vergeben.
Offen ist auch, wer sich bei einer Ausschreibung für emissionsfreie Mobilitätsprojekte durchsetzen konnte. Der Wettbewerb endete Anfang Juli 2025. Hersteller von Elektrofahrzeugen beantragen Gelder in Höhe von insgesamt 1,2 Milliarden Euro bei Polens staatlichem Umweltfonds NFOŚiGW. Die Mittel helfen den Firmen dabei, ihre Werke auszubauen.
Das Unternehmen Elektro Mobility Poland bewarb sich auf fast die gesamte Fördersumme. Der staatseigene Betrieb will unter dem Markennamen Izera den ersten polnischen Elektro-Pkw produzieren. Ein Zuschuss aus dem Wiederaufbaufonds könnte das kriselnde Projekt erneut beleben.
Auch deutsche Unternehmen profitierten in der Vergangenheit von Geldern für Mobilitätsprojekte. Im Mai 2025 kaufte die ostpolnische Stadt Zamość 14 neue MAN-Elektrobusse. Der Auftrag hat einen Wert von über 10 Millionen Euro. Fast 90 Prozent der Kosten übernimmt der Wiederaufbaufonds. Zamość ist kein Einzelfall. Die Stadt Wrocław kaufte mit Geldern aus dem Wiederaufbaufonds 21 Elektrobusse von Mercedes-Benz.
Modernisierungsschub im Schienenverkehr
Nicht nur im Straßenverkehr, auch in der Bahnindustrie nutzt Polen die Gelder des Wiederaufbaufonds. Der staatliche Betreiber der Schieneninfrastruktur PKP PLK bekommt insgesamt 2,7 Milliarden Euro aus dem EU-Fördertopf, um Strecken zu bauen oder zu modernisieren. Fast 70 Prozent der Summe sind bereits an Auftragnehmer vergeben.
Das staatliche Eisenbahnverkehrsunternehmen PKP Intercity wiederum hat rund 520 Millionen Euro erhalten, um Schienenfahrzeuge einzukaufen. Dank der hohen Nachfrage erweitern polnische Hersteller von Zügen und Wagons ihre Produktion - auch mit Maschinen von deutschen Herstellern.
Der polnische Schienenfahrzeugbauer PESA erhält knapp 26 Millionen Euro an Subventionen, um an Wasserstoffantrieben zu forschen. Noch umfangreichere Zuschüsse gibt es für Unternehmen, die Wasserstoff herstellen wollen. Im Juni 2025 gab die Förderbank BGK die Gewinner eines Wettbewerbes bekannt. Die Firmen bekommen insgesamt 640 Millionen Euro, um Elektrolyseure in Betrieb zu nehmen.
Neue Gelder für Energieversorger und Krankenhäuser
Der Umbau des Energiesektors gehört zu den Schwerpunkten des Wiederaufbaufonds. Ein Baustein dabei sind die Stromleitungen. Polens staatlicher Übertragungsnetzbetreiber PSE erhielt im Juni 2025 einen Niedrigzinskredit in Höhe von 2,6 Milliarden Euro. Damit finanziert das Unternehmen den Bau von 5.000 Kilometern Hochspannungsleitungen.
Darüber hinaus startete im Juni 2025 ein Kreditprogramm im Umfang von 1,7 Milliarden Euro. Es unterstützt Unternehmen, die ihre Energieeffizienz verbessern wollen. Das Klimaministerium will die Gelder außerdem nutzen, um Gas- und Fernwärmenetze zu modernisieren oder um Kraftwerke und Energiespeicher zu bauen. BGK nimmt Anträge bis 2029 entgegen.
Ein weiterer Schwerpunkt des Wiederaufbaufonds ist das Gesundheitswesen. Im Laufe des 2. Halbjahres 2025 starten zwei Ausschreibungen für Krankenhäuser und medizinische Einrichtungen. Die Behandlungszentren können Zuschüsse beantragen, um medizinische Geräte einzukaufen oder um Gebäude zu renovieren.
Bereits 2024 fand ein ähnliches Programm mit einem Volumen von 1,2 Milliarden Euro statt. Das Gesundheitsministerium hat noch keine Angaben über das Budget der Neuauflage gemacht. Die Fördergelder sind auch für deutsche Zulieferer wie Dräger oder Siemens Healthineers interessant. Sie kooperieren seit Jahren mit Krankenhäusern in Polen.
Über geplante und laufende Ausschreibungen aus dem Wiederaufbaufonds informiert das Ministerium für EU-Gelder auf einer Sonderseite.
Mehr Zeit für bezuschusste Projekte
Insgesamt kann Polen bis zu 59,8 Milliarden Euro aus dem Wiederaufbaufonds abrufen. Die Summe besteht aus Zuschüssen in Höhe von 25,3 Milliarden Euro und Niedrigzinskrediten in Höhe von 34,5 Milliarden Euro.
Kreditprojekte müssen bis 2030 abgeschlossen sein. Bei den zuschussfinanzierten Projekten konnte Polens Regierung eine Fristverlängerung in Brüssel aushandeln. Statt August 2026 gilt nun Ende Dezember 2026 als neue Frist. Investoren gewinnen dadurch wertvolle Zeit.
Nach eigenen Angaben unterzeichnete das MFiPR bis zum Juni 2025 Verträge für über 60 Prozent des Zuschussbudgets sowie für über 33,5 Prozent der Kreditmittel.
Polen erhält die Finanzmittel von der Europäischen Kommission in Tranchen. Vor jeder Auszahlung muss das Land Reformen umsetzen. Die nächsten Überweisungen sind beispielsweise davon abhängig, ob Polen die Rechte der Arbeitsinspektion stärkt, ein Gesetz für Cybersicherheit auf den Weg bringt und das Netz der öffentlichen Krankenhäuser reformiert.
Von Christopher Fuß
|
Warschau