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Branchen | Polen | Chemische Industrie

Markttrends

Die Produktionstätigkeit der polnischen Chemieindustrie soll nach einem Tief im Jahr 2023 in Zukunft wieder steigen. Wasserstoff und Biomethangas sind wichtige Zukunftsbrennstoffe.

Von Beatrice Repetzki | Berlin

Die polnische Chemieindustrie sieht sich mit deutlich höheren Produktionskosten konfrontiert. Die Preise des Rohstoffs Erdgas hatten sich 2022 erhöht. Aufgrund des Nahostkonfliktes droht nun auch ein Preisauftrieb für Erdöl, das Hersteller von Kunststoffen benötigen. Hinzu kommt die teurere Energie. In diesen Krisenzeiten will sich der Mineralölkonzern Orlen mit seiner dominanten Marktstellung behaupten. Das Unternehmen hat nach Firmenübernahmen seit 2022 quasi eine Monopolstellung erlangt. Außerdem setzt der Konzern auf Alternativen wie Wasserstoff und Biomethangas. 

12 Prozent

betrug 2022 der Exportzuwachs bei den deutschen chemischen Erzeugnissen nach Polen.

Kunststoffsparte investiert kräftig

Die Zukunftsaussichten sind insbesondere für die Bereiche Koks und Erdölraffinerieprodukte sowie Gummi- und Kunststoffprodukte gut. Aufgrund von umfangreichen Investitionen und neuen Projekten wird ein Produktionswachstum erwartet. Die Branche muss allerdings innovativer und umweltfreundlicher werden.

 

 

Investitionen der polnischen Chemieindustrie (in Millionen Euro; Veränderung in Prozent) ¹⁾ ²⁾
 

2022

Veränderung

1. Halbjahr 2023

Veränderung

Koks, Erdölraffinerieprodukte

1.827

85,4

k.A.

k.A.

Chemikalien, chemische Produkte

1.255

12,7

512,9

0,3

Gummi- und Kunststoffprodukte

1.301

14,4

689,8

37,1

1 Angaben betreffen Unternehmen mit mindestens 50 Mitarbeitern; 2 nominale Veränderung zu 2021 und zum 1. Halbjahr 2022 auf Złoty-Basis.Quelle: Statistisches Hauptamt GUS 2023

Ein Grund für die rege Investitionstätigkeit der Kunststoffsparte war der Bau einer Polypropylenfabrik und eines Gashafens für Propan und Ethylen. Die Fabrik wurde durch die Grupa Azoty Polyolefins (Polimery Police) in Kooperation mit der koreanischen Gesellschaft Hyundai Engineering in Police (Pölitz), nördlich von Szczecin (Stettin) gebaut. Die für rund 1,6 Milliarden Euro errichtete Fabrik samt Hafen wird seit Mitte 2023 schrittweise in Betrieb genommen und soll jährlich 437.000 Tonnen Polypropylen (PP) sowie 429.000 Tonnen Propylen produzieren. Außerdem müssen Kunststoffhersteller die Recyclingfähigkeit ihrer Produkte verbessern. Aufgrund des gestiegenen Inlandsangebots von Kunststoff wird mit steigenden Investitionen in dessen Verarbeitung gerechnet. Für deutsche Unternehmen eröffnet sich ein neuer Beschaffungsmarkt.

Umweltfreundliche Brennstoffe liegen im Trend

Orlen entwickelt sich zu einem Multienergiekonzern, der ab 2050 kein Kohlendioxid (CO2) mehr ausstoßen will. Das Unternehmen baut den Bereich der Petrochemie stark aus und möchte zur Energiewende Polens beitragen und eine starke Position bei alternativen Brennstoffen wie Wasserstoff erlangen.

Gemäß seiner Wasserstoffstrategie 2022 bis 2030 plant Orlen Projekte für insgesamt etwa 1,6 Milliarden Euro. Der Konzern testet im Herbst 2023 vor der offiziellen Eröffnung in Poznań (Posen) seine erste allgemein zugängliche Wasserstofftankstelle für Pkw, Lkw und Busse, die er selbst beliefert. Ziel ist es, bis 2030 ein Netz von über 100 Tankstellen zu schaffen. Darunter rund 57 in Polen, 28 in der Tschechischen Republik und 26 in der Slowakei.

Die landesweit erste Wasserstofftankstelle eröffnete am 11. September 2023 bereits die PAK-PCE Stacje H2 in Warschau. An dieser Gesellschaft beteiligt sind die Braunkohlekraftwerk-Gruppe ZE PAK (Zespół Elektrowni Pątnów-Adamów-Konin) und die Grupa Polsat Plus. Die Unternehmen planen ein Wasserstofftankstellennetz mit dem Markennamen NESO. 

Polen will demnächst Biomethangas herstellen. Orlen errichtet die erste Anlage des Landes dafür in Gląbowo in Warmia i Mazury (Ermland-Masuren) für 40 Millionen Euro, die im 2. Halbjahr 2024 ihren Betrieb aufnehmen soll. Der Jahresausstoß soll 7 Millionen Kubikmeter Biomethan erreichen, aus dem 5.500 Tonnen Bio-LNG (Flüssiggas) als Kraftstoff für Lkw gewonnen werden können. Außerdem will Orlen künftig seine Biogasanlagen in Konopnica, Wojny-Wawrzyńce und Buczek zu Biomethananlagen ausbauen. Die polnische Gesellschaft des französischen Engie-Konzerns will bis zum 2. Halbjahr 2026 in Glogów (Glogau) eine Anlage für Biomethangas und Bio-LNG errichten. Der Output soll 1.500 Kubikmeter Gas pro Stunde betragen. 

Orlen schätzt, dass Polen jährlich 4 Milliarden Kubikmeter Biomethangas produzieren könnte. Um allein die Hälfte davon herzustellen, müssten 500 bis 600 Anlagen dafür gebaut werden. Dazu ist ausländische Unterstützung erforderlich, was auch deutschen Firmen Kooperations- und Zulieferchancen eröffnet. Orlen stellt bereits verschiedene Biokraftstoffe her und baut diesen Bereich weiter aus.

Hohe Kosten lassen Output sinken

Die höheren Kosten von Roh- und Brennstoffen sowie Energie und die allgemeine Konjunkturflaute machte 2023 die Herstellung von Kunststoffen weniger rentabel. Nach einem kräftigen Zuwachs 2022 sank der Output von Polyethylen (PE), Polyvinylchlorid (PVC) und (PP) in den ersten drei Quartalen 2023 merklich. Die Produktion von Kunststoffen in Primärformen insgesamt schrumpfte gegenüber den ersten drei Quartalen 2022 laut GUS um 15,8 Prozent auf 2,25 Millionen Tonnen.

Wichtige Abnehmerbranchen wie die Kfz-Industrie und die Bauwirtschaft bestellen laut Orlen weniger Polymere. Die Grupa Azoty beklagt eine schwache Nachfrage nach ihrem Kunststoff Polyamid 6, wobei sie auch die Billigkonkurrenz aus Asien zu spüren bekommt. Der Chemiekonzern Ciech beliefert unter anderem die Möbelindustrie mit Polyurethanschaum, die ebenfalls schwächelt. Auch die Rentabilität von Kunststoffverarbeitern wie die des Folienproduzenten Erg sinkt, sodass 2023 weniger Kunststoffprodukte hergestellt werden. Die Produktion von Düngemitteln und Agrarchemikalien brach ebenfalls ein, vor allem aufgrund der hohen Produktionskosten.

Ausgewählte Investitionsprojekte der chemischen Industrie in Polen
Projekt

Investitionssumme (in Mio. Euro)

ProjektstandInvestor
Olefine III Komplex, Płock

5.630

Durchführung

fertig 2027

Orlen
Erdöl-Hydrocracker

308

Durchführung

fertig 2025

Orlen (Lotos)

Produktionsstätte für

grünen Wasserstoff 

k.A. (staatliche

 Subvention: 158 Mio. Euro)

Durchführung

fertig 2027

Lotos Green H2

 (Orlen)

Produktionsstätte

für Bioethanol

240

Durchführung

fertig Ende 2024

Orlen

Sauer- und

Stickstoffanlage

160

Durchführung

fertig 2025 

Orlen (Bau durch

Linde Engineering)

Installation für Produkte

auf Basis von Ethylenoxid

77

Durchführung

fertig 2026 

PCC Exol /

PCC Rokita

Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest, Pressemeldungen

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