Polnische Lebensmittelhersteller investieren, obwohl die Umsätze stagnieren. Günstige Prognosen spielen dabei eine Rolle. Gleichzeitig kämpft die Industrie gegen neue Importe.
Nach Jahren des Aufschwungs erhielt Polens Lebensmittelindustrie 2024 einen Dämpfer. Während die Umsätze gemessen in Euro um 6,6 Prozent stiegen, betrug der Zuwachs in der Landeswährung Złoty lediglich 1,2 Prozent. Der Grund für den Unterschied liegt im deutlichen Kursgewinn des Złoty zwischen den Jahren 2023 und 2024. Unternehmen in Polen schauen vor allem auf den Złoty-Wert.
Dank der erstarkten Landeswährung verbilligten sich die Einfuhren. Die Lebensmittelimporte wuchsen 2024 fast dreimal schneller als die Ausfuhren. An Polens Exportüberschuss ändert sich trotzdem nur wenig. Das Land exportiert fast dreimal so viele Lebensmittel wie es importiert.
Umsatz der polnischen Produzenten mit Nahrungs-, Genussmitteln und GetränkenIn Milliarden Euro, Veränderung in ProzentNahrungsmittel | 82,9 | 88,9 | 94,9 | 6,8 |
Getränke | 6,3 | 7,2 | 7,5 | 2,7 |
Tabakwaren | 2,0 | 2,3 | 2,5 | 8,7 |
* umgerechnet zum jeweiligen Durchschnittskurs 2022: 1 Euro = 4,6861 Złoty, 2023: 1 Euro = 4,5420 Złoty, 2024: 1 Euro = 4,3058 Złoty.Quelle: Statistisches Hauptamt GUS 2025
Der Preis entscheidet
Die schwachen Umsatzzahlen hängen auch mit Preissteigerungen zusammen. Verbraucher wichen in der Folge auf günstigere Lebensmittel aus. Obwohl sich die Inflation mittlerweile beruhigt hat, bleiben die Kunden vorsichtig. Laut dem Lebensmittelhersteller Flora Food Group gilt der Preis mittlerweile als das wichtigste Kaufargument. In den Jahren zuvor standen hingegen die Inhaltsstoffe von Lebensmitteln auf Platz 1.
Unter dieser Entwicklung leiden vor allem die Biohersteller. Die Marktanteile stagnieren seit Jahren bei unter 1 Prozent. Zum Vergleich: In Deutschland sind es über 6 Prozent. Auch in einem anderen Nischenmarkt stehen die Zeichen auf Krise. Wie die Tageszeitung Rzeczpospolita berichtet, sank 2024 der Absatz von Ersatzprodukten für Fleisch.
Gleichzeitig befinden sich Lebensmittel auf dem Vormarsch, die gesundheitsfördernde Eigenschaften betonen. Hierzu gehören beispielsweise ein reduzierter Zucker- und Fettgehalt oder ein erhöhter Eiweißanteil. Getränkeabfüller wie Żywiec Zdrój setzen auf Zusätze von Mineralstoffen und Vitaminen.
Wachstum auch dank Investitionen
Analysten bescheinigen Polens Lebensmittelindustrie weiterhin großes Potenzial. Das Marktforschungsinstitut PMR Market Experts prognostiziert für 2025 einen neuen Aufwärtstrend. Zu den wichtigsten Treibern gehören die steigenden Löhne in Polen. Das Gehaltsplus wirke sich mit etwas Verzögerung positiv auf den Lebensmittelkonsum aus, so PMR Market Experts. Die Złoty-Umsätze der Lebensmittelindustrie steigen demnach bis 2030 um durchschnittlich 5 Prozent pro Jahr.
20,2
%
beträgt der Anteil der Nahrungsmittel-, Getränke- und Genussmittelindustrie an allen Umsätzen im verarbeitenden Gewerbe.
Höhere Löhne haben aber auch eine Kehrseite. Laut Andrzej Gantner, Leiter des Verbandes der Lebensmittelproduzenten PFPZ, verlieren polnische Lebensmittel wegen gestiegener Arbeitskosten an Wettbewerbsfähigkeit auf internationalen Märkten. Wachsende Ausgaben für Energie und für Rohstoffe hinterlassen ebenfalls ihre Spuren. So trug der weltweite Anstieg der Kakaopreise mit dazu bei, dass der polnische Schokoladenhersteller Wedel seinen Umsatz 2024 zwar steigerte, obwohl er mengenmäßig weniger Tafeln Schokolade verkaufte.
Nicht alle Firmen können in diesem Umfeld mithalten. Sie werden von größeren und stärkeren Konkurrenten aufgekauft. Der polnische Milchkonzern Mlekovita übernahm den Schimmelkäse-Hersteller KaMos aus Kamienna Góra. "Es gibt Potenzial für eine weitere Konsolidierung", kommentiert Marcin Hydzik, Vorstandsvorsitzender des Polnischen Verbandes der Milchverarbeiter ZPPM in der Tageszeitung Puls Biznesu. Auch abseits der Molkereiindustrie kommt es zu Aufkäufen. Der Fischverarbeiter Lisner – eine polnische Tochter des deutschen Lebensmittelkonzerns Theo Müller - kaufte 2024 den polnischen Konkurrenten Graal.
Einige Unternehmen setzen auf Investitionen, um die höheren Kosten für Arbeitskräfte und Energie aufzufangen. Laut einer Untersuchung des deutschen Technologiekonzerns Siemens interessiert sich aktuell kaum eine Branche in Polen so stark für Digitalisierung, wie die Lebensmittelindustrie. Agnieszka Maliszewska, Direktorin der polnischen Milchkammer PIM, sagt dazu: "Die digitale Transformation ist entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit auf in- und ausländischen Märkten."
Darüber hinaus modernisieren die Unternehmen ihre Anlagen. Ein Beispiel ist der Süßwarenhersteller Mieszko. Er baut in Racibórz eine Halle mit zwei automatisierten Produktionslinien. Die Kosten liegen bei 40,5 Millionen Euro. Der Wurstwarenhersteller Sokołów kündigt für 2025 ebenfalls Investitionen im Umfang von rund 40 Millionen Euro an. Mit den Geldern will der Hersteller seine Prozesse automatisieren. Das Unternehmen WSP Społem wiederum baut von Mai 2025 bis voraussichtlich Mitte 2027 eine neue Produktionshalle in Kielce. Laut der Wirtschaftsförderagentur der Region Śląskie SSE Katowice investierte 2024 keine Branche vor Ort so viel Geld wie die Hersteller von Nahrungsmitteln und Getränken.
Möglich werden Projekte auch dank umfangreicher EU-Gelder. Unternehmen aus Polens Lebensmittelindustrie gehören zu den größten Gewinnern eines Subventionsprogramms aus dem europäischen Wiederaufbaufonds. Firmen unterschiedlicher Branchen erhalten Zuschüsse für neue Automatisierungstechnik im Umfang von 470 Millionen Euro.
Kritik an Freihandelsabkommen
Neben Investitionen setzen die Unternehmen auf neue Exportmärkte, um ihre Umsätze zu steigern. Der Molkereibetrieb Mlekpol sieht vor allem in afrikanischen und asiatischen Ländern viel Potenzial, denn hier wächst die Bevölkerung. Die Fleischindustrie verbindet insbesondere mit Asien große Hoffnungen. Ausbrüche der Vogelgrippe oder der afrikanischen Schweinepest in Polen blockierten den Export in Länder wie Vietnam, Südkorea und Japan. Mittlerweile kann Polen wieder einige Fleischerzeugnisse exportieren. Die Geflügelindustrie hofft Anfang 2025 vor allem darauf, dass der Export nach China wieder freigegeben wird.
Gleichzeitig fürchtet Polens Lebensmittelindustrie neue Konkurrenz aus Südamerika. Fleischverarbeiter und Molkereien laufen Sturm gegen das Freihandelsabkommen Mercosur. Die Unternehmen befürchten, Kunden in wichtigen EU-Exportmärkten zu verlieren. Polens Wirtschaftsministerium schreibt: "Billigere Produkte aus den Mercosur-Ländern, in denen die Produktionskosten niedriger sind, könnten polnische Waren verdrängen."
Ausgewählte Investitionsprojekte der Ernährungswirtschaft in PolenInvestitionssumme in Millionen EuroProjekt | Investitionssumme | Projektstand | Anmerkungen |
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Bau einer Fabrik für Speisesalz, Glogów | 233 | Durchführung, fertig Mitte 2029 | Kupferkombinat KGHM Polska Miedź |
Bau einer Fabrik für Kaffeeprodukte, Jawor | 142 | Planung, fertig 2030 | Jacobs Douwe Egberts OPS PL (Niederlande) |
Bau eines Kühllagers, Nowy Modlin | 112 | Durchführung, fertig Sommer 2024 | Atlas Ward für NewCold (Niederlande) |
Ausbau der Schokoladenfabrik, Warschau | 70 | Durchführung, fertig 3. Quartal 2024 | Firma Wedel (Lotte, Japan) |
Bau einer Fabrik für UHT-Milch, Wysokie Mazowieckie | 61 | Durchführung, fertig 2025 | Molkereigruppe Mlekovita |
Ausbau einer Fabrik für Babynahrung und Nahrung für medizinische Zwecke, Opole | 50 | Durchführung, fertig 1. Quartal 2025 | Nutricia (Danone, Frankreich) |
Modernisierung einer Saftfabrik, Zator, Technologiepark Krakau | 43 | Durchführung | Firma Tymbark-MWS (Maspex) |
Quelle: Pressemeldungen 2024, Firmenangaben, Recherchen von Germany Trade & Invest 2024
Von Christopher Fuß
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Warschau