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Nahrungsmittelindustrie in Äthiopien profitiert von Öffnung
Devisen sind in Äthiopien wieder verfügbar. Das spüren auch deutsche Zulieferer für die Nahrungsmittelproduktion. Unternehmen sollten den riesigen Markt im Auge behalten. (Stand: 30.04.2025)
05.08.2025
Von Carsten Ehlers | Nairobi
Die Wirtschaft in Äthiopien lief in den vergangenen Jahren nicht rund. Aktuell mehren sich aber die Zeichen einer erstmaligen Verbesserung seit Jahren. Das bestätigen auch Unternehmen im April 2025, die in der Nahrungsmittelindustrie aktiv sind. Nachdem Devisen seit Mitte 2024 wieder verfügbar sind, läuft das Geschäft für Zulieferer von Nahrungsmittel- und Verpackungsmaschinen deutlich besser.
Sehr positiv sind die allgemeinen Wachstumsprognosen für das Bruttoinlandsprodukt (BIP): Die Economist Intelligence Unit (EIU) geht von einem Plus von 7,8 Prozent im Jahr 2025 aus, womit das Land in Ostafrika zu den am schnellsten wachsenden Ökonomien des Kontinents zählen würde. Angesichts der ökonomischen und politischen Probleme halten diverse Wirtschaftsexperten und Unternehmensvertreter die Prognose indes für überhöht.
Hemmnisse bleiben bestehen
Trotz positiver Tendenz belasten weiterhin eine Reihe von Einschränkungen die Wirtschaft: Dazu zählen die politische Instabilität vor allem in den Bundesstaaten Amhara und teilweise Tigray.
Hinzu kommt die immer noch hohe Inflation. Sie würgt seit Jahren den Konsum ab. Allerdings geht die Teuerungsrate zurück. Nachdem sie in den Jahren 2021 bis 2024 bei teilweise über 30 Prozent lag, werden für 2025 "nur noch" rund 19 Prozent (EIU-Prognose) erwartet.
Die etwas geringere Inflation hat auch mit der jüngsten Stabilisierung des Birr zu tun. Nachdem der Birr-Wechselkurs zum US-Dollar Ende Juli 2024 flexibilisiert wurde, wertete der Birr zunächst massiv ab von, rund 57 Birr je US-Dollar (Juli 2024) auf rund 125 Birr je US-Dollar zum Jahreswechsel 2024/25. Seitdem hat er nur noch sehr wenig an Wert verloren. Dazu trug die restriktive Geldpolitik der äthiopischen Zentralbank bei. Nun beklagen Firmen, dass Birr zum Teil nur schwer zu bekommen sind.
Der Privatwirtschaft und dem Staat fehlt das Kapital
Kredite können sich die meisten Unternehmen bei einem Leitzins von aktuell 15 Prozent kaum leisten, falls sie überhaupt angeboten werden. Beobachter berichten daher von weitgehend ausbleibenden Investitionen von privater Seite. Die Zurückhaltung mag auch mit den Wahlen in Äthiopien im Jahr 2026 zu tun haben, in deren Vorfeld man eher nicht ins Risiko geht.
Hemmend auf die Konjunktur wirkt weiterhin die hohe Staatsverschuldung. Der Staat wird sich mit Investitionen trotz eines IWF-Kredits über 3,4 Milliarden US-Dollar aus dem Jahr 2024 zurückhalten müssen. Im Gegenteil: Er muss seine Einnahmen erhöhen und das tut er vor allem über Steuern. Bei den regelmäßigen Audits suchen die Finanzbeamten "so lange bis sie etwas gefunden haben" berichtet ein Vertreter einer ausländischen Firma. "Die Strafzahlungen gehen mitunter an die Substanz", sagt er.
Staat treibt Öffnung der Wirtschaft voran
Ansonsten jedoch gibt es viele positive Entwicklungen in Äthiopien: Dazu zählt die erwähnte Öffnung des Geldmarkts. Aber auch an anderen Stellen macht die Regierung ernst mit der Öffnung und Liberalisierung der überwiegend abgeschotteten, intransparenten und sozialistisch geprägten Wirtschaft.
Dazu zählen unter anderem die Eröffnung einer Börse, die Öffnung des Finanzmarkts für ausländische Banken sowie der Zugang des Handels für Ausländer. Marktkenner sehen diese Schritte als positiv und überfällig an, glauben aber, dass es Jahre dauern wird, bis sich daraus florierende Märkte entwickeln.
Riesiger Nachholbedarf für Nahrungsmittelindustrie
Das mittelfristige Potenzial für die Nahrungsmittelproduktion in Äthiopien bleibt riesig. Im Jahr 2025 leben rund 130 Millionen Menschen in dem Land. Jährlich kommen mehr als 2 Millionen Menschen hinzu. Allein dadurch steigt der Nahrungsmittelbedarf stabil an.
Durch die Abschottung ist der Nachholbedarf an Investitionen in der Nahrungsmittelproduktion groß. Auch um das Handelsbilanzdefizit abzubauen, haben für die Regierung Investitionen in der Nahrungsmittelproduktion hohe Priorität. Viele ausländische Unternehmen erkennen das und verfolgen den Markt aus strategischen Gründen sehr genau.
Äthiopien hat Potenzial als Brotkorb der Region
Hinzu kommt, dass das regenreiche Äthiopien auch die trockenen Länder der Region vor allem am Horn von Afrika und auf der Arabischen Halbinsel mit Getreide, Fleisch und Gemüse versorgen kann. Hinzu kommt die Produktion von Nahrungsmitteln wie Kaffee für den Weltmarkt.
Gravierende Änderungen dürften sich durch die Öffnung des Handels ergeben. Ausländische Supermarktketten wie Carrefour könnten erstmals nach Äthiopien kommen und den unterentwickelten Einzelhandel auf ein ähnliches Niveau wie in Kenia bringen. Auswirkungen auf die Zulieferer wären eine höhere Nachfrage nach professionelleren Verpackungen, größeren standardisierten Mengen oder neuen Produkten wie Brot. Industrielle Zulieferer müssten gegründet werden und auch für Großbäckereien und Fast-Food-Franchises dürfte sich das Umfeld verbessern.
Deutsche Zulieferer blicken strategisch auf den Markt
Auch für die deutschen Zulieferer besteht kein Zweifel am riesigen Potenzial des äthiopischen Nahrungsmittelmarkts. Gleichwohl waren die Exportzahlen zuletzt sehr schwankend: Im Jahr 2024 wurden aus Deutschland gerade einmal Nahrungsmittel- und Verpackungsmaschinen im Wert von 4 Millionen Euro in das Land geliefert. Im Jahr davor waren es noch 38,3 Millionen Euro. Das Jahr 2025 bietet die Rahmenbedingungen für deutlich zunehmendes Geschäft.
Bislang ist kein deutscher Hersteller von Nahrungsmittel- und Verpackungsmaschinen mit einer Vertriebsniederlassung präsent. Stattdessen steuern diese ihre Aktivitäten von Kenia, Dubai oder Deutschland aus. Möglich wäre nun auch die Gründung einer eigenen Vertriebsniederlassung. Die Beantragung einer Importlizenz könnte sich aufgrund der Bürokratie jedoch lange hinziehen und bringt in dem schwierigen und volatilen Markt auch Risiken mit sich.