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Special | Polen | Dekarbonisierung der Industrie

Klimaschutz-Atlas

Industriebranchen in Polen setzen eigene Akzente

CO2-Einlagerung, erneuerbare Energien und Atomkraft - mit diesen Technologien will Polens Industrie Emissionen senken. Nicht nur die Finanzierung sorgt für Diskussionen.

Von Christopher Fuß | Warschau

Polens Wirtschaft hat ein Problem. Schlüsselbranchen gehören zu den größten Produzenten von industriellen Treibhausgasen. Wie das staatliche Register KoBiZe (Krajowy Ośrodek Bilansowania i Zarządzania Emisjami) mitteilt, sind die Zementindustrie, die Raffinerien und die chemische Industrie für fast 16 Prozent aller landesweit im europäischen Emissionshandel (EU-ETS) erfassten Emissionen von Kohlenstoffdioxid (CO2) verantwortlich. Hinzu kommt klimaschädliches Methangas. Es gelangt unter anderem beim Abbau von Steinkohle in die Atmosphäre. Laut europäischer Energieagentur (EEA) stößt innerhalb der EU kein Industriezweig so viel Methan aus wie der polnische Bergbau.

Kujawy will erstes klimaneutrales Zementwerk Polens werden

Polnische Unternehmen kündigen an, ihre Emissionen zu reduzieren. Jede Branche verfolgt eigene Lösungsansätze. Die Zementindustrie setzt auf die Abscheidung, Nutzung und Speicherung von Kohlenstoff (Carbon Capture Use and Storage, CCUS). Der Grund: Die meisten Emissionen fallen als Abfallprodukt beim Brennen von Kalkstein an. Laut Experten gibt es für den Prozess keine technische Alternative. Daher wollen Unternehmen das Treibhausgas abfangen und einlagern.

Das zum Schweizer Holcim-Konzern gehörende Zementwerk Kujawy will bis 2027 eine Pilotanlage bauen. Technologiepartner ist das französische Unternehmen Air Liquide. Holcim plant, das Treibhausgas mit Zügen zur Hafenstadt Gdańsk zu bringen und anschließend im Boden der Nordsee einzulagern. Der EU-Innovationsfonds unterstützt das 380 Millionen Euro schwere Projekt mit 228 Millionen Euro.

Noch ist der Hafen Gdańsk nicht auf den Umschlag von CO2 vorbereitet. Dies zu ändern, ist die Idee hinter dem Projekt Poland-EU CCS Interconnector. Der Hafen Gdańsk, Holcim und Air Liquide wollen gemeinsam mit dem polnischen Konzern PKN Orlen die nötige Infrastruktur aufbauen. Die Partner werben außerdem für den Bau von CO2-Pipelines. Wie die Bergbauuniversität in Krakau AGH mitteilt, gäbe es in Polen mindestens drei potenzielle Standorte für die CO2-Einlagerung. Was fehlt, ist ein rechtlicher Rahmen. Das Klimaministerium arbeitet an einem Gesetzespaket.

Deutsches Zementwerk setzt auch auf erneuerbare Energien

Auch der deutsche Konzern Heidelberg Materials versucht, die Emissionen seiner polnischen Standorte zu reduzieren. Am Zementwerk Górażdże testet ein Konsortium Technologien zur CO2-Abtrennung. Das Programm unter der Leitung des norwegischen Forschungsinstitutes Sintef läuft bis 2025. Das Zementwerk Górażdże hat zusätzlich einen Stromliefervertrag (cPPA) mit BayWa r.e. unterschrieben. Dank der Vereinbarung kann die deutsche BayWa r.e. den ersten Fotovoltaikpark in Polen bauen, der ohne öffentliche Fördergelder auskommt.

Viele Unternehmen in Polen wünschen sich mehr erneuerbare Energien im Strommix. Firmen plädieren für einen Ausbau der Windkraft und für Direktleitungen zwischen Kraftwerk und Abnehmer. Polens Windenergie stockt wegen strenger Abstandsvorschriften. Die Netzregulierungsbehörde URE stemmt sich gegen Direktleitungen. Ein Zusammenschluss aus Investoren und Verbänden, darunter Mercedes, Ikea, Amazon, der polnische Wirtschaftsverband der Eisen- und Stahlwerke sowie der Verband der Zementhersteller, appellierte in einem Schreiben: "Ohne grüne Energie läuft die polnische Wirtschaft Gefahr, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren."

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Kleine Reaktoren - große Hoffnungen

Energieintensive Unternehmen wollen sich aber nicht allein auf erneuerbare Energien verlassen. Polens Raffineriebetreiber zeigen, ebenso wie die Chemiekonzerne, Interesse an modularen Nuklearreaktoren (SMR). Diese Atomkraftwerke im Miniaturformat sind noch kaum erprobt. Weltweit befinden sich wenige Testanlagen in Betrieb. Trotzdem unterschreiben Unternehmen bereits Absichtserklärungen mit potenziellen Technologielieferanten.

Ein Joint Venture des Raffineriekonzerns PKN Orlen und des Chemieriesen Synthos kooperiert zum Beispiel mit GE Hitachi. Bis 2038 will die neu gegründete Orlen Synthos Green Energy in Polen 76 SMR aufbauen. Wie PKN Orlen erklärt, werden die Partner im Jahresverlauf 2023 erste Standorte dafür bekannt geben. Auch der polnische Kupferförderer KGHM interessiert sich für SMR. Technologiepartner ist die amerikanische NuScale. KGHM will in Polen bis zu zwölf Reaktoren installieren. Die Anlagen könnten Erdgas- und Kohlekraftwerke von KGHM ersetzen.

Es gibt weitere Beispiele. Anfang 2023 unterzeichnete der polnische Düngemittelproduzent Industria ein Abkommen mit der Nuklearsparte von Rolls-Royce. Wie bei allen SMR-Projekten geht es nicht nur darum, den Eigenbedarf an Energie zu decken. Die Firmen bringen sich auch als Vertriebspartner in Stellung.

Mindestens zwei Probleme gibt es: Die SMR-Anlagen haben in Polen noch keine Zulassung. Außerdem ist die Finanzierung der Projekte ungeklärt. Auf die Herausforderungen weist das polnische Chemieunternehmen Ciech hin. Der Hersteller von Pflanzenschutzmittel will seine Kohlekraftwerke nicht durch Kernreaktoren, sondern durch Gas- und Müllverbrennung ersetzen.

Bergbau fürchtet neue Grenzwerte

Eigentlich hatte Polen angekündigt, die Kohleverstromung zurückzufahren. Mit der Umsetzung tut sich das Land aber schwer. Eine im Europäischen Parlament diskutierte Methan-Verordnung sorgt für Ärger. Demnach dürften Kohleminen ab 2027 nicht mehr als 5 Tonnen Methan je Kilotonne Kohle ausstoßen. Das sei technisch unmöglich, sagt das polnische Ministerium für Staatsunternehmen. Der Methanausstoß läge bei durchschnittlich 8 Tonnen je Kilotonne Kohle. Laut Ministerium könne man das Gas nicht zu wirtschaftlichen Bedingungen verwerten. Zusätzliche Kosten würden dafür sorgen, dass Minen früher als geplant schließen müssten.

Die Steinkohlefirmen legen eigene Pläne vor. Das Unternehmen Jastrzębska Spółka Węglowa (JSW) führt ein Programm durch, um 50 Prozent mehr Methan aufzufangen als bisher. Der Betreiber will das Gas für die Strom- und Wärmeproduktion nutzen. JSW sagt aber auch, dass nicht alle Methanemissionen genutzt werden können.

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