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Saudi-Arabien modernisiert seine Hafeninfrastruktur
Das Königreich will den Containerumschlag an seinen Häfen bis 2030 vervierfachen. Für deutsche Unternehmen entstehen neue Marktchancen entlang maritimer Lieferketten.
26.06.2025
Von Heena Nazir | Dubai
Saudi-Arabien möchte bis 2030 ein globales Drehkreuz im Containerverkehr werden. Dafür soll der jährliche Umschlag von derzeit rund 10 Millionen auf 40 Millionen Standardcontainer (TEU) wachsen. Das Königreich investiert Milliarden in moderne Hafeninfrastruktur. Branchenexperten sehen darin attraktive Chancen für deutsche Unternehmen, besonders bei Terminalautomatisierung, Logistiksoftware, nachhaltiger Energieversorgung und digitalen Zollsystemen. Potenzielle Hindernisse wie komplexe Vergabeverfahren oder Vorgaben zur lokalen Wertschöpfung sollten frühzeitig berücksichtigt werden.
Milliardenprojekte schaffen Chancen
Derzeit befinden sich laut Analyseinstitut MEED Hafenprojekte im Wert von über 12 Milliarden US-Dollar in der Planung oder im Bau. Hervorzuheben ist der Ausbau des Islamic Ports in Dschidda, dessen Kapazität von 2,5 auf 20 Millionen Standardcontainer steigen soll. Dieses fast 7 Milliarden US$ schwere Großprojekt unter Leitung der Saudi Ports Authority (Mawani) soll bis Ende 2030 abgeschlossen sein. "Geschäftschancen ergeben sich besonders für Anbieter technischer Ausstattung, spezialisierter Ingenieurleistungen und digitaler Lösungen", sagt Projektmanager Faisal Abu Alkhier von Mawani.
Ein weiteres wichtiges Projekt ist die geplante 920 Kilometer lange Eisenbahnstrecke zwischen Riad und Dschidda, Teil der Saudi Landbridge, die zusätzlich Dammam und Jubail mit der Westküste verbindet. Derzeit befindet sich die Bahnlinie in der Designphase. Baubeginn ist für August 2026 geplant, Fertigstellung im Dezember 2028 vorgesehen. Die Projektleitung liegt bei einem internationalen Konsortium aus Hill International (USA), Italferr (Italien) und Sener (Spanien). Aktuell laufen Ausschreibungen für Design- und Beratungsleistungen. Die Hauptausschreibung für den Bau steht noch bevor. Geschäftschancen für deutsche Unternehmen bestehen in den Bereichen technische Systeme, Signaltechnik und Infrastrukturplanung.
Projekt | Investitionsvolumen (in Mio. US$) | Status |
---|---|---|
Mawani - Jeddah Islamic Port Expansion | 6.759 | In Ausführung |
NEOM – Oxagon-Hafen: Onshore-Bereich | 2.240 | In Ausführung |
Mawani – Modernisierung Containerterminals King Abdulaziz Port, Dammam | 1.860 | In Ausführung |
NEOM – Oxagon-Hafen: Infrastruktur & Terminal T1 | 1.000 | In Ausführung |
Saudi Aramco – Sofon-Programm (inkl. Hafenlogistik) | 700 | Hauptauftrag: PQ |
MoD – Marinewerften & Schiffswerft | 240 | In Ausführung |
PDC – King Abdullah Port: Erweiterung (KAEC) | 200 | In Planung |
Saudi Aramco / Baosteel / PIF – Hafen- und Materialumschlag Stahlblechwerk (SPF) | 200 | Angebotsbewertung |
Oxagon: Innovationslabor mit Unsicherheiten
Im Rahmen des Megaprojekts NEOM entsteht der Smart-Port Oxagon, ein vollständig digitalisiertes und automatisiertes Logistikzentrum in der Provinz Tabuk. Die Fertigstellung ist für Ende 2028 geplant, das Investitionsvolumen liegt bei etwa 3,6 Milliarden US$.
Oxagon soll alle Abläufe im Hafen über künstliche Intelligenz steuern – vom automatisierten Entladen über vernetzte Lagerlogistik bis hin zu nachhaltiger Energieversorgung. Im Juni 2025 startete bereits die Inbetriebnahme erster ferngesteuerter Containerbrücken. Finanziert wird das Vorhaben durch eine Kreditlinie von 2,7 Milliarden US$, die weitere Teilprojekte von NEOM abdeckt.
Die Umsetzung übernimmt ein internationales Konsortium mit der ägyptischen Hassan Allam, El Seif Engineering und China Harbour Engineering. Schwerpunkte liegen auf Wasserstofflogistik, Robotik und automatisierten Transporten.
Unsicherheiten bestehen jedoch hinsichtlich des geplanten Zeitrahmens. Kritische Infrastrukturelemente wie Offshore-Terminals und digitale Betriebssysteme sind teilweise noch nicht vergeben oder befinden sich in frühen Planungsphasen. Zudem stellt die komplexe Integration in das übergeordnete NEOM-Projekt eine Herausforderung dar.
Für deutsche Unternehmen ist Oxagon dennoch ein interessantes Testfeld für innovative Technologien in nachhaltiger Logistik und intelligentem Hafenbetrieb. Der Markteintritt erfordert jedoch Geduld, langfristiges Engagement und Flexibilität.
Markteintritt strategisch vorbereiten
Viele Projekte befinden sich noch in frühen Phasen, sodass gute Chancen bestehen, sich frühzeitig als Zulieferer oder Partner zu positionieren. Wichtig sind eine sorgfältige Vorbereitung und Kenntnis der Rahmenbedingungen: Saudi-Arabien verlangt einen hohen lokalen Wertschöpfungsanteil ("In-Kingdom Total Value Add") sowie die bevorzugte Beschäftigung saudischer Fachkräfte ("Saudisierung").
Erfolgreiche Unternehmen arbeiten oft mit lokalen Logistikpartnern oder etablierten EPC-Konsortien zusammen, die Planung, Beschaffung und Umsetzung aus einer Hand anbieten. Unterstützung bei der Markterschließung bieten Institutionen wie die AHK Saudi-Arabien, die Investitionsbehörde Invest Saudi sowie das saudische Ausschreibungsportal Etimad.
Seefrachtentwicklung zeigt gemischtes Bild
Nach Angaben der Saudi Ports Authority (Mawani) betrug das saudische Seefrachtaufkommen 2024 etwa 320,8 Millionen Tonnen, ein Plus von 14,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Wachstumstreiber war vor allem der Massengutsektor mit Rohstoffen wie Erdöl, Chemikalien und Baustoffen. Im Gegensatz dazu sank der Containerumschlag um 10,9 Prozent auf 7,5 Millionen Standardcontainer. Besonders deutlich fiel das Transshipment-Geschäft mit einem Rückgang von fast 47 Prozent.
Grund für den Rückgang im Containerverkehr sind Sicherheitsrisiken im Roten Meer. Seit Ende 2023 greifen Huthi-Milizen Frachtschiffe an. Dadurch ändern viele Reedereien ihre Routen. Besonders betroffen sind Häfen wie Dschidda an der Westküste. Der Hafen Dammam am Persischen Golf gewinnt dagegen als sichere Alternative an Bedeutung.