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Branche kompakt | Schweiz | Chemische Industrie

Markttrends

Konsumgüter laufen zurzeit besser als Industriechemikalien. Bei Arzneimitteln verschiebt sich nach Covid der Branchenfokus.

Von Oliver Döhne | Bonn

Globale Flaute wirkt sich aus

Zwar bremst die schwache Konjunktur auf vielen Auslandsmärkten die sehr exportorientierte schweizerische Chemiebranche, ein Einbruch wird aber nicht erwartet. Zum einen läuft der einheimische Privatkonsum vergleichsweise gut, da fast jeder arbeitet (und dabei meist gut verdient) und die Inflation geringer ausfällt als im übrigen Europa. Zum anderen erwarten Experten auch im Ausland für Arzneimittel, wo die Schweiz besonders stark ist, keinen dauerhaften Rückgang. Das hängt auch damit zusammen, dass die Medikamentennachfrage meist geringer auf Konjunkturschwankungen reagiert als viele andere Güter. Stärker leiden chemische Vorerzeugnisse für die verarbeitende Industrie und die Bauwirtschaft, sowohl in der Schweiz als auch im Ausland. 

36 %

des schweizerischen Exports entfällt auf chemisch-pharmazeutische Produkte

Arzneimittelnachfrage ist groß

Während der Export von Arzneimitteln etwas schwächelt, steigt die Nachfrage im Land. Laut der Zürcher Konjunkturforschungsstelle KOF legen die Gesundheitsausgaben 2023 um 3,6 Prozent zu und werden 2024 um 3,1 Prozent weiter steigen. Der Arzneimittelabsatz erhöhte sich 2022 nach Angaben des Brancheninformationsdienstes IQVIA wertmäßig um 6,1 Prozent auf rund 7 Milliarden Euro und mengenmäßig gar um 9,5 Prozent auf 199 Millionen Verpackungen. Besonders die Apotheken nehmen deutlich mehr ab als 2021. Die Tendenz ist steigend, auch wegen des zunehmenden Durchschnittsalters. 

Zum Absatzplus trägt laut Branchenbeobachtern auch das Bundesamt für Gesundheit bei, indem es (niedrige) Arzneipreise für den öffentlichen Sektor festlegt. Das verschlimmere, so Kritiker, jedoch auch die immer häufigeren Engpässe bei wichtigen Medikamenten. Für Unternehmen kann es bei niedrigen Preisen interessanter sein, ins Ausland zu verkaufen. Gängige Praxis ist es auch, zuerst die Zulassung für größere Märkte wie die USA und die Europäische Union zu beantragen und erst später, oder womöglich gar nicht, die für den vergleichsweise kleinen Markt in der Schweiz. Viele Basismedikamente werden ohnehin nicht mehr in der Schweiz produziert. 

"Bei neuen, hochinnovativen Therapien funktioniert das heutige Vergütungssystem immer weniger", so der Fachverband Interpharma. "Der Prozess dauert immer länger, es entsteht ein Stau und Patientinnen und Patienten müssen in der Schweiz teils Monate oder gar Jahre warten, bis innovative Medikamente auf die Spezialitätenliste (SL) kommen. Erst dann nämlich werden sie durch die Krankenkassen vergütet und stehen somit allen Menschen gleichberechtigt zur Verfügung", so Interpharma weiter. 

Wertmäßig entfällt rund die Hälfte des Branchenumsatzes auf patentgeschützte Medikamente, 14,5 Prozent auf Generika, 11,3 Prozent auf Originalmedikamente und 9 Prozent auf Arzneimittel mit abgelaufenem Patent. Die Bruttowertschöpfung lag im Pharmasektor 2022 bei rund 37 Milliarden Euro. In den Mittelpunkt rücken nach Covid-19 nun Medikamente zur Behandlung von Herzkreislauf-, Nieren- und Stoffwechselproblemen, Krebs und Autoimmunerkrankungen.

Der Umsatz mit Kosmetik ist gut, mit Reinigungsmitteln eher schwach

Der Umsatz mit Kosmetik, Körperpflege und Reinigungsmitteln überstieg in der Schweiz 2022 laut Konsumforscher Nielsen die 2 Milliarden Euro-Marke. Dafür sorgten zwar in erster Linie höhere Preise, aber bei persönlichen Pflegeartikeln nimmt der Markt auch mehr Menge ab. Dekorative Kosmetik, die rund 15 Prozent des Marktes für Körperpflege und Kosmetik ausmacht, erzielte 2022 mit einem Plus von 10 Prozent, gegenüber dem Vorjahr 2021, ein besonders hohes Wachstum und lag noch immer unter dem Niveau von 2019. Parfüms und Körperpflege, die 17 Prozent beziehungsweise 15 Prozent des Markts ausmachen, nahmen im Absatz jeweils um 3,6 Prozent zu, wobei Düfte noch deutlich unter, Körperpflege hingegen deutlich über dem Vor-Corona-Niveau von 2019 lagen. 

Putzmittel brachen hingegen schon 2022 nominal um 6,6 Prozent auf rund 700 Millionen Euro ein und könnten weiter auf gedrosselte Nachfrage stoßen. Unter anderem da Haushalte angesichts der leichten Inflation eher bei Reinigungsmitteln sparen als bei persönlichen Hygieneartikeln. Nur bei Waschpulver ist ein leichter Aufwärtstrends zu erkennen. 

Wenig Bedarf bei Bau- und Industriechemikalien

Bei Industriechemikalien rechnen Branchenexperten vorerst mit einer schwächeren Nachfrage. Die schweizerische Industrieproduktion sank im 2. Quartal 2023 gegenüber dem Vorjahresquartal um 3,3 Prozent und um 0,8 Prozent gegenüber dem Vorquartal. Der schweizerisch-saudische Hersteller Clariant berichtet zudem von einer schwächeren Nachfrage auf den internationalen Endmärkten bei chemischen Erzeugnissen für Pflegemittel und chemischen Hilfsstoffen, unter anderem in China

Farben und Lacke und (andere) Bauchemikalien werden voraussichtlich weiter unter der schlechten Lage der schweizerischen Bauindustrie leiden. Zwar besteht Bedarf an neuen Wohnungen, aber hohe Baustoffkosten bremsen. Die schwache Baukonjunktur dämpft auch die Nachfrage nach Kunststoffen, die zu rund 40 Prozent in den Bau gehen. 

Weitere 37 Prozent des Kunststoffs gehen an die Verpackungsmittelindustrie. Hier legt der Absatz zurzeit eher preisgetrieben als mengenmäßig zu. Der Umsatz mit Kunststoff lag 2022 bei etwa 18,7 Milliarden Euro. Wichtige Branchentrends sind neue Wege im Kunststoffrecycling sowie die Entwicklung und Anwendung von Biokunststoffen.

In der Landwirtschaft geht der Trend zu weniger Pflanzenschutzmitteln. Natürliche Pflanzenschutzprodukte sollen künftig gesondert registriert werden können. Der schweizerisch-chinesische Konzern Syngenta macht seinen Hauptumsatz mit Pestiziden außerhalb Europas. Im Jahr 2024 will die Schweiz über die Zulassung von Genom-editierten Züchtungstechnologien entscheiden.

In der Biotechnologie wird Bioethanol der zweiten Generation eine zunehmende Rolle spielen. Allerdings gibt es, laut Branchenfirmen, bei der Herstellung von Zellulosezucker und Zelluloseethanol aus landwirtschaftlichen Reststoffen noch mechanische, bio-chemische und operative Herausforderungen zu bewältigen. 

Ausgewählte Investitionsprojekte der chemischen Industrie in der Schweiz
Akteur/Projekt

Investitionssumme (in Mio. Euro)

ProjektstandAnmerkungen
Takeda/Ausbau Biotech-Produktion in Neuenburg

208

Läuft, soll bis 2025 abgeschlossen seinBauarbeiten für eine neue Abfüllanlage und Erweiterung einer bestehenden Anlage 
Novartis/Neues Kompetenzzentrum Biologics auf dem Basel Campus

104

Verkündet im September 2022Entwicklung innovativer Biotherapeutics
Lonza/Neue Abfüllanlage für Antikörper-Wirkstoffe in Stein

k.A.

Verkündet im Oktober 2023Die Anlage soll Ampullen, Karpulen und vorgefüllte Spritzen für Kunden abfüllen können
Quelle: Presse, Unternehmensmeldungen

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