Podcast Weltmarkt
Folge 30: Smart Farming weltweit: Landwirtschaft im digitalen Zeitalter
- August 2025 -
Weltweit steht die Landwirtschaft vor enormen Herausforderungen. Immer mehr Landwirte setzen darum auf smarte Technologien beziehungsweise Smart Farming. Wir geben einen Überblick.
In dieser Folge von WELTMARKT erklären Expert:innen, wie Smart Farming, auch Digital Farming oder Landwirtschaft 4.0 genannt, funktioniert. Und wir erfahren, wie smart die Felder, Weiden und Ställe in verschiedenen Ländern heute schon sind. Dazu unterhalten wir uns mit dem Smart Farming-Experten Georg Larscheid von CLAAS. Das westfälische Unternehmen gehört zu den weltweit führenden Herstellern von Landtechnik und setzte schon sehr früh auf digitale Lösungen. Außerdem gibt uns GTAI-Korrespondentin Dr. Frauke Schmitz-Bauerdick einen Überblick zum Stand von Smart Farming in unterschiedlichen Ländern. Sie berichtet von Drohnen und Unkrautrupf-Robotern in Frankreich, von einer schwimmenden Farm in Rotterdam und auch von den Herausforderungen beim Vertical Farming in Singapur.
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Gäste in dieser Folge

Georg Larscheid
Seit fast 30 Jahren begleitet und gestaltet Georg Larscheid die Digitalisierung in der Landtechnik. 1997 begann seine Laufbahn bei der Firma John Deere, die sich über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren in verschiedenste Verantwortungsbereiche der Entwicklung und Vermarktung digitaler Produkte erstreckte. Seit 2021 ist Georg Larscheid als Vice President Digital Business für die erfolgreiche Vermarktung des digitalen Lösungsportfolios der CLAAS Gruppe global verantwortlich.

Dr. Frauke Schmitz-Bauerdick
Die promovierte Juristin und Wirtschaftsexpertin arbeitet seit gut 20 Jahren für Germany Trade and Invest (GTAI). Von 2017 bis 2022 war Frauke Schmitz-Bauerdick als GTAI-Wirtschaftskorrespondentin in Hanoi, Vietnam tätig. Seit Sommer 2022 ist sie für die GTAI in Paris im Einsatz und berichtet von dort aus über die französische Wirtschaft. Zusammen mit Kollegen arbeitete sie im Frühjahr 2025 an einer Analyse zu Smart Farming in mehreren europäischen Ländern.
Weiterführende Informationen
Analyse zu Smart Farming in mehren europäischen Ländern
https://www.gtai.de/de/trade/frankreich/branchen/smart-farming-1896560
CLAAS
https://www.claas.com/de-de
Weltleitmesse der Landtechnik, Agritechnica
https://www.agritechnica.com/de/
Agritechnica Asia
https://agritechnica-asia.com/
VDMA Fachverband Landtechnik
https://vdma.eu/landtechnik
WELTMARKT #22: Weltweit für die deutsche Wirtschaft im Einsatz
https://www.gtai.de/de/trade/service/welt/podcast-weltmarkt/folge-22-weltweit-fuer-die-deutsche-wirtschaft-im-einsatz-1817806
WELTMARKT #28: Polen & Tschechien – Wachstumsmärkte vor unserer Haustür
https://www.gtai.de/de/trade/service/eu/podcast-weltmarkt/folge-28-polen-tschechien-wachstumsmaerkte-vor-unserer-haustuer-1895344
Transkript der Folge
Das folgende Transkript wurde zum Zwecke der Barrierefreiheit mit einer Spracherkennungssoftware erstellt und danach auf offensichtliche Fehler hin korrigiert. Es entspricht nicht unseren Ansprüchen an ein vollständig redigiertes Interview. Vielen Dank für Ihr Verständnis. |
Weltweit steht die Landwirtschaft vor enormen Herausforderungen. Der Klimawandel führt zu immer heftigeren Dürreperioden, aber auch zu Überflutungen von Anbauflächen. Während immer mehr Menschen ernährt werden müssen, fehlen den Landwirten zunehmend Arbeitskräfte. Der internationale Wettbewerb sowie steigende Land-, Düngemittel- und Energiepreise setzen die Bauern unter Druck. Sie müssen ihre Effizienz erhöhen, gleichzeitig soll die Agrarwirtschaft ihren CO2-Ausstoß senken. Herausforderungen, die Landwirte allein nicht lösen können. Genau hier setzt Smart Farming an: Smarte Technologien auf Feldern und in Ställen sollen Ressourcen schonen und die Produktivität steigern.
Frauke Schmitz-Bauerdick Drohnen-Technologie ist mittlerweile Standard. Drohnen, die Kulturen aus der Luft überwachen oder Dünger und Pestizide ausbringen können, das wird weitläufig angewendet. Genauso wie Sensoren, die beispielsweise die Bodenfeuchtigkeit übermessen oder aktuellste sehr lokale Wetterdaten übermitteln. Auch die Überwachung von Vieh, von den Kühen, so eine Art Telemedizin von Tieren im Stall oder auf der Weide ist absolut verbreitet, damit der Bauer sich frühzeitig informieren kann über den Gesundheitszustand seiner Herde.
Das berichtet die GTAI-Korrespondentin Dr. Frauke Schmitz-Bauerdick aus Frankreich. Zusammen mit mehreren Kollegen hat sie den aktuellen Stand von Smart Farming, oft auch Digital Farming genannt, in mehreren europäischen Ländern analysiert. Sie erklärt uns gleich im Gespräch, wie smart Europas Landwirte heute bereits arbeiten. Und verrät uns darüber hinaus auch die jüngsten Entwicklungen in Singapur.
Doch zuerst sprechen wir mit dem Smart-Farming-Experten Georg Larscheid von CLAAS. Das 1913 gegründete Familienunternehmen ist einer der international führenden Hersteller von Landmaschinen, hat weltweit 12.000 Mitarbeitende.
Hallo Herr Larscheid, schön, dass wir mit Ihnen sprechen können. Welche Rolle spielt denn Digital Farming in Ihrer Produktpalette?
Georg Larscheid Eine ganz, ganz wichtige Rolle. Die Firma Claas basiert ihren Erfolg auf Innovation, auf landtechnischer Innovation und hat damit eigentlich auch schon vor ungefähr 30 Jahren erkannt, das war ganz zu Beginn, als diese digitalen Lösungen, als die den Einzug in die Landtechnik hielten, engagiert, investiert und im Prinzip über die Jahre das auch weiter getrieben und ausgebaut hat. In den letzten Jahren merken wir aber verstärkt, dass die Landwirte und Lohnunternehmer auch stärker nachfragen. Das ist in einer neuen, innovativen Technologie immer auch eine Frage, am Anfang muss man den Markt noch vorbereiten, und irgendwann kippt dieses Pendel um. Und dann dann entsteht eben dieser Bedarf.
Aber diese smarten Produkte muss man sich erst mal leisten können, als Landwirtin oder Landwirt…
Georg Larscheid Dem begegnen wir sehr oft, dieser Einstellung, dass man Smart Farming eher als Komfort, als Luxus, als zusätzliches Technologiemedium sieht. Wir erkennen das eigentlich ganz anders, insbesondere auch in internationalen Märkten. Ich sage mal, wenn man als Beispiel mal Australien, Südamerika anführt, Märkte, die vielleicht geringere Subventionsniveaus haben in der Landwirtschaft oder vielleicht sogar noch extremeren Klimabedingungen ausgesetzt sind, wie wir das hier im europäischen Umfeld kennen, wo wir eben die Aufnahme der Smart-Farming-Technologien noch signifikanter erkennen. Und das ist für uns eben auch klar, dass eben durch Smart Farming sowohl ökonomische als auch ökologische Zwänge und Druckpunkte abgefedert werden. Also es ist genau anders, als man normalerweise denken würde.
Was konkret ist denn der große Vorteil von Smart Farming?
Georg Larscheid Konkret ist es im Prinzip die der genauere, optimiertere Einsatz von Input-Faktoren. Also von Betriebsmitteln wie zum Beispiel Saatgut, Düngemittel, Pflanzenschutz, aber auch natürlich Kraftstoff für die Maschinen zu betreiben und bis hin zu auch Mitarbeitern. Und da ist es ja im Prinzip schon so, dass die Landwirtschaft, wie andere Industriezweige auch, extremst heute unter einem Mangel an qualifizierten Arbeitskräften leidet. Es geht gar nicht darum, jetzt Mitarbeiter einzusparen, sondern es geht darum, Land noch bewirtschaften zu können. Oder eben nicht bewirtschaften zu können.
Haben Sie konkrete Beispiele, wie smarte Landmaschinen wichtige Daten sammeln?
Georg Larscheid Das ist sowohl beim Feldhäcksler, als auch beim Mähdrescher der Fall, dass wir über Ertrags- und Messsensorik, die einfach den Gesamtertrag zum Beispiel des Getreides erfasse aber auch Feuchtigkeitssensoren, die dann auch die Feuchtigkeit ermitteln des Erntegutes. Und dann, wenn wir auf den Häcksler noch mal zurückspringen, setzen wir dort auch einen NIR-Sensor ein zur Inhaltsstoffbestimmung des Erntegutes, womit wir dem Landwirt und dem Lohnunternehmer es ermöglichen, eben auch Attribute wie, ja, Nährstoffgehalte, also Proteingehalte, Zuckergehalte, Fasergehalte des Erntegutes auf der Maschine erfassen.
Was sie ernten, wird ja entweder verfüttert oder es wird in Produktion in eine weitere Veredelung gehen und dafür sind diese Informationen extremst wichtig, dass der Landwirt, der Lohnunternehmer, einfach nicht nur eine Masse Getreide oder eine Masse Erntegut vom Feld abfährt, sondern auf dem Feld während der Ernte schon die Güte dieses Produktes erfassen kann und damit dann auch den weiteren Umgang mit diesem Erntegut optimieren kann.
Ist denn Smart Farming auch für die ökologische Landwirtschaft geeignet?
Georg Larscheid Auf jeden Fall. Als Beispiel können wir da auch „aus unserem Portfolio Kamerasysteme anmerken, die wir heute schon vermarkten, eben genau um zum Beispiel chemische Pflanzenschutzmittel zu reduzieren oder gar zu ersetzen, indem man eine chemische Pflanzenschutz- oder Unkrautbekämpfung durch eine mechanische ersetzt. Dabei kommen Kamerasysteme zum Einsatz, die Unkräuter erkennen und dann mechanisch diese Unkräuter entsprechend behandeln. Das kommt natürlich dem biologischen Anbau, aber auch einer Steigerung der Nachhaltigkeit extremst zugute.
Wie entwickeln Sie denn neue, smarte, digitale Produkte? Arbeiten Sie da mit Partnern, anderen Unternehmen oder vielleicht Start-ups im In- oder Ausland zusammen?
Georg Larscheid Also wir sind, wie gesagt, als traditionelles Familienunternehmen, sehr stark mit der Kundengruppe, mit unserer Zielgruppe Landwirte/Lohnunternehmer verbunden, beziehen dort auch einen Großteil unserer Inspiration, unserer Anforderungen, die wir dann eben in unsere Entwicklungsabteilung übergeben und dort dann auch adressiert werden. Wenn wir jetzt vielleicht den Blick etwas mehr auf das Thema Smart-Farming nehmen, scannen wir natürlich auch eine wachsende Start-Up-Szene insbesondere wenn man jetzt an Themen wie KI denkt. Wir haben viele auch Verbindungen zu Universitäten die wir nutzen und das hilft uns ganz deutlich. Bei den Start-ups können wir auch unsere Kooperationen mit der Firma AgXeed noch als Beispiel anführen, die eben auch autonome Landtechnik entwickelt, in der wir auch investiert sind, um einfach auch einen gewissen Know-how-Transfer zu erzielen.
Im Geschäftsjahr 2024 erwirtschaftete Claas einen Umsatz von fünf Milliarden Euro, mehr als drei Viertel davon im Ausland. Das Auslandsgeschäft scheint enorm wichtig zu sein ...
Georg Larscheid Auf jeden Fall, auf jeden Fall. Das ist für uns ein ganz, ganz wichtiger Aspekt. Insbesondere wenn wir auch über Wachstum reden, finden sich da die Potenziale vor allem im Ausland, ja.
Sie produzieren an mehreren Standorten in Deutschland und Frankreich, außerdem in Ungarn, den USA und China. Und wie organisieren Sie Ihren Vertrieb im Ausland?
Georg Larscheid Wir haben entsprechend eigene Vertriebsgesellschaften, die wir betreiben in zum Beispiel Märkten wie unserem Heimatmarkt Deutschland, aber auch in Amerika, in Frankreich, in England, dann haben wir zusätzlich auch Importeure, also private Importeur, mit denen wir in bestimmten Märkten global unterwegs sind, wie z. B. In Skandinavien, in Ungarn, Südafrika, Australien, Neuseeland, Japan. Da drunter befindet sich die Vertriebstufe der Vertriebspartner, der Händler, mit denen wirklich unsere Endkunden dann auch kooperieren.
Und in welchen Auslandsmärkten spüren Sie eine besondere Offenheit für digitale Lösungen? Die vielleicht nicht mal wirtschaftliche Gründe hat.
Georg Larscheid Es gibt auch kulturelle Unterschiede. Es gibt auch gesetzliche Bedingungen. Regeln, einfach auch im Umgang mit Daten. Da sind wir zum Beispiel hier in Europa bekannterweise, zumindest in bestimmten Ländern, in der Regel doch eher zurückhaltender und das spiegelt sich tatsächlich auch in der Aufnahme dieser Technologien wider. Das erkennen wir. Also wenn wir zum Beispiel Australien uns anschauen, Südamerika anschauen auch Nordamerika anschauen. Dort sehen wir schon die Bereitschaft, diese Systeme einzusetzen, höher. Aber es ist nicht nur ein Faktor, der dazu führt. Es ist in der Regel eine Kombination aus zwei, drei, vier Faktoren, die dann dieses Verhalten erzeugen.
Und in Europa? Gibt es da auch Länder, die Landwirtschaft 4.0 mit offeneren Armen begrüßen?
Georg Larscheid Da ist sicherlich Holland vorne dabei. Da ist für uns auch England zu nennen. Auch dort erkennen wir z. B. eine gewisse Offenheit. Es gibt schon Unterschiede, die aber vielleicht in der Summe nicht ganz so eklatant sind oder ausschlaggebend sind, wie die auf den anderen Kontinenten, die ich eben angeführt hatte.
Herzlichen Dank, Herr Larscheid! Zum Thema Offenheit und Akzeptanz von Smart Farming in Europa kennt GTAI-Korrespondentin Frauke Schmitz-Bauerdick viele Beispiele, etwa dieses:
Frauke Schmitz-Bauerdick Es gibt in Rotterdam eine Floating Farm. Das ist eine Farm mitten in der Stadt, die schwimmt, die von Landwirten betrieben wird, aber auf der natürlich viel Automatik, viel Roboter eingesetzt wird und was dafür sorgen soll, dass die lokale städtische Nahrungsmittelversorgung gesichert werden soll.
Von Frauke Schmitz-Bauerdick hören wir gleich mehr, direkt nach unserer Rubrik Konkret & Kompakt.
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Konkret & kompakt
Auch auf der Weltleitmesse für Landtechnik, der Agritechnica in Hannover, geht es um Smart Farming. Unter dem Motto „Touch Smart Efficiency“ zeigt die Agritechnica, wie intelligente Technologien die Produktivität in der Landwirtschaft steigern und gleichzeitig Ressourcen schonen. In diesem Jahr findet die Agritechnica vom 9. – 15. November statt. Am 13. November lädt der Messeveranstalter, die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft, kurz DLG, zum „Digital Farm Day“ ein. Die DLG erwartet in Hannover mehr als 400.000 Fachbesucher und über 2.700 Aussteller aus dem In- und Ausland. Die nächste Agritechnica Asia wird übrigens vom 20. bis 22. Mai 2026 in Bangkok, Thailand, stattfinden.
Außerdem gut zu wissen: Der Branchenverband VDMA Landtechnik vertritt die Interessen der europäischen Hersteller von Landmaschinen, Traktoren und zugehörigen Softwaresystemen. Mit rund 220 Mitgliedsunternehmen ist er das größte Netzwerk der europäischen Landtechnikindustrie. Der Branchenverband arbeitet auch an internationalen Standards für Maschinen und Anwendungen im Bereich Digital Farming mit.
Die Links finden Sie wie immer in den Shownotes.
Jetzt begrüßen wir Frauke Schmitz-Bauerdick, sie berichtet seit 2022 als Wirtschaftskorrespondentin von Germany Trade & Invest aus Paris.
Liebe Frauke Schmitz-Bauerdick, wo steht denn Europa in der Welt, was Smart Farming betrifft?
Frauke Schmitz-Bauerdick Wer weltweit führend ist, wie in so vielen Bereichen auch, sind ganz klar die Vereinigten Staaten, also die USA, was auch dadurch bedingt ist, dass dort ganz andere landwirtschaftliche Flächen zur Verfügung stehen und ganz anders bewirtschaftet wird. Aber Europa ist definitiv kein Schlusslicht. Also Europas Landwirtschaft und Europas Agritech- und Smart-Tech-Szene ist vorne mit dabei. Insbesondere Länder wie die Niederlande, aber auch Deutschland wenden innovative Lösungen an, die sich auch auf den Weltmärkten durchsetzen. Andere Märkte sind auch ungeheuer interessant. Dazu zählt sicherlich Israel, Landwirtschaft unter schwierigen klimatischen Bedingungen. Aber auch Länder wie Singapur, die jetzt nun keine klassischen landwirtschaftlichen Staaten sind, versuchen zu innovieren und versuchen durch Smart Agriculture die Lebensmittelversorgung ihrer Bevölkerung sicherzustellen. Also Europa ist eigentlich gut dabei. Und ich denke, das ist ein Trend, den wir weiterentwickeln können. Einfach mal die Wachstumsquoten: Für die Niederlande wird prognostiziert bis 2030 durchschnittliche Wachstumsraten von knapp 13 Prozent im Bereich Smart Agriculture erzielt werden. Für Frankreich liegen die Zahlen sogar bei mehr als 16 Prozent. Also das sind Wachstumsquoten, die wünscht man sich auch in anderen Bereichen.
Wie sieht das denn bei Ihnen in Frankreich ganz konkret aus?
Frauke Schmitz-Bauerdick Sagen wir so, Drohnen-Technologie ist mittlerweile Standard. Drohnen, die Kulturen aus der Luft überwachen oder Dünger und Pestizide ausbringen können, das wird weitläufig angewendet. Genauso wie Sensoren, die beispielsweise die Bodenfeuchtigkeit messen oder aktuellste sehr lokale Wetterdaten übermitteln. Auch die Überwachung von den Kühen, so eine Art Telemedizin von Tieren im Stall oder auf der Weide ist absolut verbreitet, damit der Bauer sich frühzeitig informieren kann über den Gesundheitszustand seiner Herde. Das ist absoluter Standard, das ist mittlerweile relativ angekommen auf dem Feldern. Wo es noch schwieriger aussieht, ist der Bereich autonome Anwendung, also autonome Landmaschinen, die alleine über die Felder fahren. Das ist alleine aus regulativen Gründen schon nicht wirklich einfach hier in Frankreich. Da muss nämlich theoretisch immer einer daneben stehen, der genau guckt, ob es jetzt wirklich, ob der Trecker jetzt nicht zu weit fährt oder auf die Straße fährt oder sonstiges, bringt natürlich relativ wenig. Und auch Robotik ist schwierig, schlicht und ergreifend, weil das technisch noch nicht so weit war. Ich konnte mit einem Vertreter von Fermes Leader, das ist jemand, der für die Genossenschaft smarte Technologie auf die Felder bringt, sprechen. Und er sagte, wir hatten da neulich einen Roboter, der kam, lassen Sie mich lügen, aus Australien und sollte jetzt in Frankreich getestet werden. Und die Idee war, dieser automatisierte Unkrautroboter soll eine Stunde geschult werden, dann kann er aufs Feld gehen und rupft das Unkraut raus. Dieser Roboter ist zwei Wochen geschult worden und hat immer noch die falschen Pflanzen rausgerissen. Robotik ist schwieriger als es aussieht.
Welche Treiber gibt es denn für Smart Farming in Frankreich?
Frauke Schmitz-Bauerdick Frankreich steht wie, das ist ein regionales Phänomen, beispielsweise wie Südfrankreich, wie Spanien und wie Italien vor vergleichbaren Problemen. Es herrscht Arbeitskräftemangel. Was bedeutet, immer mehr Arbeit muss durch immer weniger Menschen erledigt werden. Es ist dringend Hilfe erforderlich, Technik kann hier Abhilfe schaffen. Und noch dazu ist gerade der Süden Frankreichs immer häufiger von anhaltenden Dürren betroffen, was bedeutet, Meteorologie wird wesentlich wichtiger, Bewässerungssysteme werden wesentlich wichtiger und bei all dem kann smarte Technologie helfen.
Und der Staat? Engagiert der sich auch?
Frauke Schmitz-Bauerdick Es gibt zum einen den Staat, die französische Regierung, die smarte Technologien, insbesondere Smart Agriculture massiv fördern. Es gibt das Innovationsprogramm France 2030, ein Gesamttopf von 54 Milliarden Euro. In diesem Topf stehen 2,3 Milliarden Euro für die Entwicklung von Agritech-Lösungen zur Verfügung. Dadurch sollen innovative, disruptive Ideen in der Landwirtschaft gefördert werden. Das macht der französische Staat sehr gut. Noch dazu gibt es eine sehr aktive Agritech-Start-up-Szene und sehr aktive lokale Akteure wie Rising Sud oder andere lokale Initiativen, die die Anwendung und die Entwicklung von Smart Agritech fördern. Auf der anderen Seite stehen die Landwirte und Landwirtinnen, die tatsächlich diese Technologie auch auf die Felder bringen müssen und die dann vor Herausforderungen stehen. Das ist nicht nur der Preis, das ist auch die Frage, bringt mir diese Technik was? Und neue Technik setze ich immer nur dann ein, wenn es sich tatsächlich wirtschaftlich auch lohnt. Also wenn ich einspare oder möglicherweise meine Erträge steigern kann und nicht mehr Zeit und Nerven verliere als mit herkömmlichen Methoden. Und davon muss man die Landwirte hier in Frankreich auch überzeugen. Denn sie wissen auch, bringe ich neue Lösungen auf die Felder und funktioniert diese Lösung nicht so oder kreiert sie sogar Schaden.Die Technik, die ich einsetze, darf keinen Schaden bringen, denn wenn ein Schaden auftaucht, sei es in fünf oder sieben oder acht Jahren, dann stehe ich alleine mit dem Risiko. Und das sind Dinge, die überlegen sich Landwirte und Landwirtinnen natürlich ganz genau.
Sie haben zusammen mit Kollegen den Stand von Digital Farming in mehreren europäischen Ländern analysiert. Unser erster Gesprächspartner hob eben die Niederlande als besonders offen gegenüber neuen Smart Farming-Technologien hervor. Was ist Ihr Eindruck?
Frauke Schmitz-Bauerdick Die Niederlande sind traditionell technisch hochaffin. Das beginnt ja im Prinzip schon mit den Anfängen der Bewirtschaftung der Niederlande, die ja Stück für Stück das Ackerland dem Meer abgerissen haben mit den Technologien, die damals zur Verfügung standen. Und diese Tradition hat sich bis heute fortgesetzt. Technologie und Landwirtschaft sind keine Gegensätze, sondern ergänzen sich und werden eingesetzt, um präzisere Landwirtschaft zu betreiben. Das heißt, Dünger nur dann auszubringen, wenn es wirklich erforderlich ist, zu bewässern, wenn es wirklich erforderlich ist, Pestizide nur dann auszubringen, wenn es sinnvoll ist. Die Gewächshaustechnologie, kannte ich schon als Kind, die hat sich so massiv weiterentwickelt. Hochautomatisierte Gewächshäuser, die teils auch mit Robotik oder mit automatisierten Bewässerungsanlagen ausgestattet sind. Das alles sind Dinge, das wird in den Niederlanden eingesetzt, einfach weil man gemerkt hat, es lohnt sich. Noch dazu kommen futuristische Smart-Farming-Initiativen, wie es gibt in Rotterdam eine Floating Farm. Das ist eine Farm mitten in der Stadt, die schwimmt, die von Landwirten betrieben wird, aber auf der natürlich viel Automatik, viel Roboter eingesetzt wird und was dafür sorgen soll, ass die lokale städtische Nahrungsmittelversorgung gesichert werden soll. Ich habe mal noch arge Zweifel im Moment, dass sich das rein Nutzen-Kosten-technisch so wirklich lohnt. Aber das ist sicherlich eine Initiative, die sich weiterentwickeln kann und irgendwann auch skalierbar ist, sodass man dann in der Lage ist, auch städtische Bevölkerung ortsnah zumindest teilzuversorgen.
Sie haben sich auch mit Südeuropa beschäftigt, genauer mit Spanien und Italien. Was können Sie zu diesen Ländern sagen?
Frauke Schmitz-Bauerdick Spanien und Italien haben vergleichbare Probleme. Zum einen eine hohe internationale Konkurrenz, auch aus den Ländern des Maghrebs wie Marokko beispielsweise. Noch dazu eine alternde landwirtschaftliche Bevölkerung bei gleichzeitigem Arbeitskräftemangel. Und die Dürreproblematik verschärft sich von Jahr zu Jahr. Und wenn es an ganz akute Probleme geht, beispielsweise Wassermangel, da wird ziemlich schnell in Bewässerungssysteme investiert oder in mehr Automatisierung oder Gewächshäuser. Nichtsdestotrotz, das hat mein Kollege in Spanien dann rausbekommen als er mit einem Gründer sprach, er sagte, die landwirtschaftliche Bevölkerung ist hier einfach relativ alt und es herrscht einfach noch mehr Vertrauen in die traditionelle Herangehensweise an die Landwirtschaft und um wirklich Smart Agritech auf die Felder zu bringen, dafür braucht es wirklich, wirklich viel Überzeugungsarbeit.
Wie steht es denn eigentlich mit dem ökologischen Anbau? Sind die Biobauern auch interessiert an Smart Agritech? Oder ist das sowieso alles eine Nummer zu groß?
Frauke Schmitz-Bauerdick Das ist nicht zu groß für einen Biolandwirt. Dazu kommt, dass gerade Biobauern ja ohnehin schon der traditionellen Landwirtschaft etwas abgeschworen hatten und sich Neuem geöffnet haben und in der Regel durchschnittlich etwas jünger sind. Und Biolandwirte stehen vor dem Problem, dass sie Schädlingen anders begegnen müssen als durch Pestizide und auch keine traditionellen Dünger einsetzen. Und hier können natürlich ganz konkrete Messungen, was ist wo, in welcher Form erforderlich, beispielsweise durch Drohen, durch Sensoren, durch gezielten Einsatz von Bewässerung oder aber auch natürlichen Pestiziden wie Larven, die Schädlinge fressen. All diese Dinge brauchten Technologien und darüber sind sich Biobauern im Klaren und solange es sich kostentechnisch lohnt, sind sie dann auch eher bereit, das einzusetzen.
Sie und Ihre Kollegen haben auch Polen analysiert. Wie ist denn dort das Interesse an Smart Farming?
Frauke Schmitz-Bauerdick Polen gehört zu den Ländern, die mit die jüngste landwirtschaftliche Bevölkerung haben und das bedeutet, jüngere Bevölkerung ist technikaffiner, vor allem digitalaffiner als vielleicht jemand, der schon auf die 55 oder 60 zugeht und für sich sagt, ich kann es auch ohne. Von daher ist die Neugier auf Technologien und Digitalisierung und Effizienzsteigerung schon sehr groß und junge Bauern möchten einfach die Kosten senken. Sie sagen, ich kann Ressourcen schonen, ich kann effizienter arbeiten mit smarten Technologen. Her damit, her auf die Felder und gebt es mir. Also es muss hier keine Überzeugungsarbeit geleistet werden. Das Problem ist eher auf der anderen Seite, dass die Höfe im Verhältnis relativ klein sind, Durchschnittswerte von um die zehn Hektar. Was natürlich wiederum zur Folge hat, dass die Umsätze geringer sind, was schlicht und ergreifend dazu führt, dass weniger Geld da ist, teure Technologien anzuschaffen. Der Staat versucht zu unterstützen, da ist aber wenig Geld da. Es gibt EU-Förderung, die in die Ausweitung von smarten Technologien fließen. Aber insgesamt fehlt es noch an Geld, um die Technologien tatsächlich auch dann zur Anwendung zu bringen.
Auch was die Entwicklung angeht, tut sich dort was, richtig?
Frauke Schmitz-Bauerdick Genau, es gibt die staatliche Förderanstalt für die Landwirtschaft KOWR und die entwickeln aktuell ein satellitengestütztes System zur Überwachung von Nutzpflanzen. Und das kann natürlich dabei helfen zu erkennen, sind Pflanzen gestresst, braucht es mehr Wasser, braucht es mehr Dünger. Und das wenn es denn zur Anwendung kommt, denke ich, dürfte es gerade auch in Polen viel Nachfrage finden.
Wir waren jetzt die ganze Zeit in der Fläche unterwegs. Man kann aber auch senkrecht, in Etagen übereinander anbauen. Wie relevant ist dieses Vertical Farming in Europa?
Frauke Schmitz-Bauerdick In Europa macht Vertical Farming noch nicht so fürchterlich viel Sinn. Vertical Farming ist auf Ballungsgebiete ausgerichtet und in Europa ist einfach noch relativ viel landwirtschaftliche Fläche da. Ich habe mich dann aber mal umgehört. Unter anderem hat sich dann mein Kollege aus Singapur gemeldet und gesagt Vertical Farming ist hier ein Riesenthema. Singapur ist Stadtstaat, 5 Millionen Einwohner auf kleinster Fläche. Trotzdem hat sich der Stadtstaat zum Ziel gesetzt, 30 Prozent des Nahrungsmittelbedarfs der Bevölkerung lokal anzubauen. Wie macht man das jetzt, wenn keine landwirtschaftliche Fläche zur Verfügung steht? Und das hat sich Vertical Farming als Idee etabliert. Es gab eine Zeit lang, in den vergangenen Jahren, gab es eine Menge Anbieter, die Indoorfarmen gebaut haben, also automatisierte Farmen, in der beispielsweise die Beleuchtung und die Bewässerung und die Aussaat und die Pflege automatisiert ablaufen. Oder Vertical Farming, die nicht flächenmäßig sich ausbreiten, sondern in die Höhe wachsen. Mittlerweile kommt es auch hier zu einer Art Marktkonsolidierung. Also das Problem am Vertical Farming ist einfach noch, es ist zu teuer. Die Energiekosten sind massiv hoch, die Mieten in Singapur sprengen jede Vorstellung und auch das Personal, das dann eingestellt werden muss in diesen Vertical Farmen, müssen Spezialisten sein, die müssen sich nicht nur mit der Landwirtschaft auskennen, sondern insbesondere auch mit Technologie und mit IT. Und das, diese Kombination zu finden, das kostet viel Geld, was bedeutet, die Produkte, die beim Vertical Farming rauskommen, sind häufig noch zu teuer, als dass die Bevölkerung in Singapur sagen würde, klar kaufen war, vor allem dann, wenn auch Importe von wunderbarstem Obst, aus den benachbarten Ländern ins Land fließen.
Vielen Dank, Frauke Schmitz-Bauerdick! Das war abschließend noch mal ein überraschender Ausflug nach Singapur, und in die Vertikale.
Wenn Sie noch mehr zu Smart Farming in ausländischen Märkten erfahren möchten – in unseren Shownotes gibt es wie immer weiterführende Links. Informationen zu Polen finden Sie übrigens auch in unserer WELTMARKT-Folge 28. Und falls Sie sich näher für die Arbeit von GTAI-Wirtschaftskorrespondenten interessieren, lauschen Sie noch mal in Folge 22 hinein!
Freuen können Sie sich schon jetzt auf die nächste Folge: Denn obwohl wir erst im Januar eine Länderfolge zu den USA releast haben, wird es schon wieder dringend Zeit für eine neue, so viel hat sich inzwischen getan. Wir werden nächstes Mal gleich drei sehr spannende Interviewpartner haben: Neben dem GTAI-Korrespondenten Roland Rohde in Washington D.C., wird WELTMARKT mit Dr. Volker Treier von der Deutschen Industrie- und Handelskammer sprechen sowie mit Oliver Richtberg vom VDMA.
Haben Sie eine gute Zeit und bis bald!