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Wirtschaftsumfeld | Slowakei | Außenwirtschafts- & Industriepolitik

Der Staat will in der Wirtschaft mitmischen

Die neue Regierung der Slowakei hat ihr Wirtschaftsprogramm vorgestellt. Geplant sind höhere Steuern für Banken und Immobilien sowie mehr Regulierung bei den Energiepreisen.

Von Gerit Schulze | Bratislava

Nach den Nationalratswahlen im September 2023 beginnt in der Slowakei ein neues Kapitel. Mit der Dreierkoalition der links- bis nationalpopulistischen Partei Smer-SD, der sozialdemokratischen Hlas-Partei und der nationalistischen SNS steht dem Land ein politischer Wechsel bevor, der auf die Wirtschaft ausstrahlt. Für deutsche Unternehmen ist das wichtig, denn die Slowakei rangiert unter den Exportmärkten der Bundesrepublik auf Rang 20.

Bedeutend ist das Land zwischen Donau und Tatra außerdem als Investitionsstandort. Rund 640 Niederlassungen deutscher Firmen haben fast 9 Milliarden Euro investiert und 130.000 Arbeitsplätze geschaffen. Für sie bietet die Slowakei dank des Euro und der vergleichsweise günstigen Löhne ein attraktives Umfeld. Die Unternehmen blicken daher gespannt auf den erneuten Einzug von Robert Fico ins Erzbischöfliche Sommerpalais - dem Amtssitz des Premierministers in Bratislava. Dessen Regierungsprogramm deutet darauf hin, dass der Staat künftig in der Wirtschaft eine aktivere Rolle spielen will.

Sanierung der Staatsfinanzen oberstes Ziel

Ein Fokus liegt auf der Haushaltskonsolidierung. Nur solide öffentliche Finanzen ermöglichen eine nachhaltige Steigerung der Lebensqualität, heißt es im Regierungsprogramm.

Die Slowakei hat seit Mitte der 1990er Jahre keine Haushaltsüberschüsse mehr erzielt und jedes Jahr mit einem Defizit abgeschlossen. Entsprechend kontinuierlich stieg die Schuldenlast und erreichte im Coronajahr 2021 mit 61 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ihren bisherigen Höchststand. Bis 2025 wird das Haushaltsdefizit nach Berechnungen der Nationalbank NBS jeweils mehr als 5 Prozent betragen.

Es ist daher fraglich, ob die von der Regierung angestrebte Defizitgrenze von 0,5 Prozent schon 2024 erreicht werden kann. Neben Sparmaßnahmen setzt das Fico-Kabinett auf Steuererhöhungen, wobei die "schwächsten Bevölkerungsgruppen" verschont werden sollen. Außerdem muss die Steuererhebung effizienter werden. 

Bankensteuer zielt auf ausländische Niederlassungen

Als entscheidende Maßnahme wird die Einführung einer Bankensteuer vorgeschlagen, um "Übergewinne" der Finanzinstitute abzuschöpfen. Gemeint sind dabei vor allem die Niederlassungen ausländischer Banken in der Slowakei. Sie sollen "zur Finanzierung der grundlegenden öffentlichen Aufgaben des Staates beitragen". 

Der Zugriff des Fiskus wird nicht auf die Banken beschränkt bleiben. Angekündigt sind weitere "spezifische Finanzinstrumente", um außerordentliche Gewinne in bestimmten Branchen oder Unternehmen abzuschöpfen. Dabei bedient sich Premier Fico offenbar im Instrumentenkasten seines Vorbilds Viktor Orbán. Der hatte im Nachbarland Ungarn gegen ausländische Zement- und Ziegelhersteller schon hohe Sonderabgaben verhängt und Energieversorger zu kostenlosen Lieferungen verpflichtet.

Eingriffe im Immobilienmarkt

Staatliche Eingriffe sind zudem im Immobilienmarkt zu erwarten. Ein Vorschlag zielt darauf ab, die Zinslast für Wohnraumkredite zu reduzieren und damit in die Marktzinsen einzugreifen. Zugleich soll die Grundsteuer sozialer erhoben werden. Eigentümer von mehreren Wohnimmobilien müssen mit höheren Steuern rechnen.

Weitere Vorschläge zur Erhöhung der Staatseinnahmen

  • progressive Einkommensteuer für Besserverdienende 
  • höhere Steuern auf Tabak und Alkohol
  • Steuer auf gesüßte Getränke
  • Anhebung der Umweltsteuer
  • Erhöhung der Glücksspielsteuer/Bekämpfung illegaler Glücksspiele

Ob diese Maßnahmen ausreichen, um die Staatsfinanzen ins Lot zu bringen, ist fraglich. "Die neue Regierung übernimmt ein Budget, das fiskalisch unter schwerem Druck ist", meint Marcus How, Chefanalyst beim Wiener Beratungsunternehmen VE Insight. Doch Maßnahmen wie die Versteuerung von Bankgewinnen, höhere Einkommensteuern für Spitzenverdiener oder die Immobiliensteuer seien vergleichsweise geringfügig, so How gegenüber Germany Trade & Invest. "Die slowakische Wirtschaft sollte sich weiter auf Auslandsinvestitionen verlassen."

Dafür muss das Investitionsklima stimmen. Laut der letzten Herbstumfrage der deutschen Auslandshandelskammern (AHK World Business Outlook) sind die schwache Nachfrage, der Fachkräftemangel und die hohen Energiepreise zurzeit die größten Hemmnisse für deutsche Unternehmen in der Slowakei. Jede zweite Firma nannte die Wirtschaftspolitik als mögliches Risiko in den kommenden Monaten.

Bekenntnis zu Europa bleibt

Auch der außenpolitische Kurs des neuen alten Premiers wird das Bild des Landes im Ausland beeinflussen. Im Wahlkampf kündigte Fico ein Ende der Waffenlieferungen an die Ukraine an und stellte die Russlandsanktionen in Frage. Dennoch steht die Dreierkoalition fest zu Europa. Länderexperte Marcus How von VE Insight betont, dass Robert Fico in der Vergangenheit trotz heftiger Rhetorik meist pragmatisch agiert hat. In der Außen- und Europapolitik lasse der moderate Koalitionspartner Hlas wenig Spielraum für radikale Wechsel. 

Im Regierungsprogramm wird an mehreren Stellen darauf hingewiesen, dass die Abschöpfung der EU-Mittel intensiviert und diese effizienter genutzt werden sollen. In der Energiepolitik steht Ficos Kabinett zu den europäischen Klimaschutzzielen. Die Regierung will kurzfristig Mittel des Umweltfonds und des Modernisierungsfonds für Projekte zur Dekarbonisierung und Senkung des Energieverbrauchs in der Industrie verwenden. 

Festhalten an Erdgas und Kernkraft

Allerdings setzt Bratislava bei der Energieversorgung weiter auf Erdgas, bis der Übergang zur kohlenstoffarmen Wirtschaft gelungen ist. Die Bezugsquellen sollen aber diversifiziert werden. Die Kernkraft bleibt ein Pfeiler der Stromgewinnung. Am Standort Mochovce wird nach Wunsch der Regierung der vierte Block zügig fertiggestellt. In Bohunice könnte ein weiterer Meiler entstehen. Der Ausbau der erneuerbaren Energiequellen hat aber ebenso seinen festen Platz im Regierungsprogramm. Dazu gehören auch die Nutzung von Wasserkraft und neue Speichermöglichkeiten.

Was ist noch geplant?
  • Die neue Regierung will eine "Dekade der Digitalisierung" ausrufen. Ziel ist es, die Bevölkerung für den Umgang mit digitalen Technologien zu qualifizieren, eine sichere Infrastruktur aufzubauen und die Verwaltung zu digitalisieren.
  • Bei der Lebensmittelversorgung soll die Slowakei stärker auf einheimische Erzeuger setzen. Agrar- und Forstwirtschaft werden gestärkt.
  • Energiepreise für untere Einkommensgruppen und für durch hohe Preise gefährdete Unternehmen werden subventioniert.
  • Beschleunigter Ausbau der Autobahntrassen D1 (Žilina-Prešov-Košice), D3 (Žilina-tschechisch-polnische Grenze) und R4 (Prešov-polnische Grenze).
  • Entwicklung des Gesundheitswesens, verbesserte Ausbildung von medizinischem Fachpersonal.

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