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Ungleiche Trends in den Sparten der Chemieindustrie

Die hohen Energiepreise setzten die Chemiebranche 2022 unter Druck. Auch der Ausblick für 2023 hängt von der Preisentwicklung ab. Der Sektor Basischemie könnte sich erholen.

Von Oliver Idem | Madrid

Nach einem herausfordernden Jahr 2022 herrscht ein vorsichtiger Optimismus beim spanischen Chemieverband Feique. Bis zum Herbst 2023 rechnet der Fachverband insbesondere mit einer Erholung der gebeutelten Basischemiesparte. Diese Erwartung gilt unter der Voraussetzung, dass die Energiepreise nicht erneut stark anziehen.

Zentrale Themen in der Branche sind 2023 eine Energiemarktreform und das Auffangen, Speichern und Nutzen von CO₂. Zudem spekuliert der Branchenverband auf mehr staatliche Unterstützung für industrielle Investitionen und große Gasverbraucher.

Wachstumsdynamik im Jahresverlauf 2022 zusammengeschrumpft

Die spanische Chemieindustrie hat 2022 an Wachstumsdynamik verloren. Die Folgen des Ukrainekrieges und starke Schwankungen der Energiepreise wirkten sich vor allem im 2. Halbjahr dämpfend aus. 

Zudem stiegen die Ausgaben der Unternehmen für Gehälter deutlich an. Mit knapp 39.200 Euro pro Jahr liegt das Durchschnittsgehalt in der Chemieindustrie um fast 40 Prozent über dem spanischen Mittel. Prozentuale Einkommenssteigerungen treiben deshalb die Kosten der Unternehmen stärker als in anderen Wirtschaftszweigen.

Trotz eines Rekordumsatzes 2022 fällt die Bilanz des Fachverbandes wenig euphorisch aus. Die Umsätze erreichten 89,9 Milliarden Euro und nahmen um 16,3 Prozent zu. Hingegen konnte die Produktion nur um 0,9 Prozent wachsen. Preiseffekte blähten also den Umsatz auf, während die Produktion kaum zulegte.

Bei den Exporten spielte das höhere Preisniveau ebenfalls eine wichtige Rolle. Die Ausfuhren schnellten wertmäßig um 29,2 Prozent auf 63,6 Milliarden Euro hoch. Damit erzielten die Chemiehersteller die höchsten Auslandsumsätze aller spanischen Wirtschaftszweige und ließen die Kfz- und Nahrungsmittelindustrie hinter sich. Jeder fünfte im Export erwirtschaftete Euro basierte 2022 auf chemischen Erzeugnissen.

Wenige erfolgreiche Sparten und eine hart getroffene Basischemie

Einige Sparten ragen aus dem eher trüben Gesamtbild heraus. Produkte für Gesundheit, Reinigungsmittel und Parfüm verzeichneten 2022 erhebliche Zuwächse. Laut Verbandsangaben nahm die Produktion in diesen Bereichen um 6 bis 10 Prozent zu.

Die große Sparte der Basischemie wurde hingegen von den Energiepreisen sehr hart getroffen. Bis einschließlich März 2022 lag die Produktion noch über dem Wert des jeweiligen Vorjahresmonats. Ab April blieb der Ausstoß jedoch immer weiter hinter dem Vorjahreswert zurück. Den negativen Höhepunkt bildete der Dezember, als die Produktionsmenge um 11,2 Prozent unter der von Dezember 2021 zurückblieb.

Die Sparte der Basischemie beliefert direkt und indirekt nahezu alle Industriezweige. Für die Produzenten existierte 2022 phasenweise kein Markt zu den Preisen, zu denen sie ihre Waren anbieten konnten. Dadurch standen die betroffenen Unternehmen vor dem Problem, entweder mit Verlusten zu verkaufen oder die Herstellung phasenweise einzustellen.

Beim Großverbraucher Basischemie schnellten 2022 die Energiekosten um 31 Prozent gegenüber dem Vorjahr in die Höhe. Dem stellt Feique die pharmazeutische Chemie gegenüber. In diesem Zweig betrug die Zunahme lediglich 2,2 Prozent. Damit wird die Abhängigkeit der Basischemie von den Energiekosten deutlich.

Energie und Dekarbonisierung bilden die entscheidenden Zukunftsthemen

Als Strom- und Gasverbraucher sowie Wärmenutzer zählt der Chemiesektor zu den besonders energieintensiven Wirtschaftszweigen Spanien. In vielen Werken läuft die Produktion rund um die Uhr, weswegen die Energiekosten ein entscheidender Teil der Kalkulation sind.

Zumindest im Jahr 2022 konnten Effizienzmaßnahmen die hohen Energiepreise nur zum Teil ausgleichen. Feique fährt in diesem Punkt eine zweigleisige Strategie. Kurzfristig setzt der Verband auf staatliche Hilfen, um die Großverbraucher in der Branche zu entlasten. Längerfristig betrachtet Feique die Energieeffizienz als einen Wettbewerbsfaktor für Spanien. Eine Produktion mit geringerem Energieverbrauch senkt die Gesamtkosten. Damit hofft der Verband, dass das Land insbesondere bei den Investitionsentscheidungen multinationaler Chemieunternehmen einen vorderen Platz auf der Liste möglicher Standorte einnehmen wird.

Da sowohl Strom als auch Wärme benötigt werden, bietet sich für die Chemiebranche die Kraft-Wärme-Kopplung an. Zudem besteht in der Chemieindustrie Interesse daran, erneuerbare Energien für den Eigenverbrauch stärker zu nutzen. Als Alternative zu Erdgas steht das klimafreundlichere Biogas hoch im Kurs.

Beim Thema Wasserstoff beobachtet Feique ein zunehmendes internationales Interesse an Spanien. Potenzielle ausländische Investoren registrieren die natürlichen Ressourcen und erste Projekte wie beim Düngemittelhersteller Fertiberia aufmerksam.

Forschungsintensive Chemiebranche setzt auf staatliche Fördergelder

Als forschungsintensiver Wirtschaftszweig mobilisiert die Chemieindustrie rund 1,7 Milliarden Euro Investitionen pro Jahr. Die Bedeutung von Dekarbonisierungsprojekten nimmt zu. Die Umstellung auf eine vollständig emissionsfreie Chemieproduktion würde laut Verbandsberechnungen Investitionen von 60 Milliarden Euro kosten.

Dieser Weg wird schrittweise gegangen. Entsprechend setzen Branchenunternehmen auf staatliche Fördermittel aus dem Strategieplan zur Dekarbonisierung der Industrie. Dieser zielt darauf ab, mit 3,1 Milliarden Euro staatlichem Budget knapp 12 Milliarden Euro Gesamtinvestitionen anzuschieben.

Für die Chemieproduzenten spielt das Thema CO₂ in mehrfacher Hinsicht eine zentrale Rolle. Einerseits geht es um die Reduzierung von Emissionen durch das Auffangen und Speichern des Gases. Dabei sorgt in der Branche für Besorgnis, dass derartige Projekte bislang eher im Norden von Europa beziehungsweise auf anderen Kontinenten umgesetzt werden. Feique hofft auf einen Anschub, damit Spanien den Anschluss an andere Standorte behält.

Manche Chemieunternehmen benötigen CO₂ auch als Rohstoff für ihre eigene Produktion. Insofern besitzt neben dem Auffangen und Einspeichern auch die Verwendung in Chemiebetrieben ein Potenzial.

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