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Branchen | Syrien | Energieversorgung

Golfstaaten streben Milliardenprojekte für Syriens Stromsektor an

Gaskraftwerke, Solaranlagen und der Netzausbau sollen Syriens Stromengpässe lindern. Auch die Türkei mischt mit. Konkrete Projekte gibt es aber noch nicht.

Von Ulrich Binkert | Bonn

Syriens Stromversorgung ist nach den Jahren des Bürgerkriegs und der Sanktionen marode. Für den Wiederaufbau fallen nach Schätzungen Kosten von 11 Milliarden US-Dollar (US$) an. Das ist mehr als die Hälfte der syrischen Wirtschaftsleistung, die die Weltbank für 2023 mit 20 Milliarden US$ angibt.

Milliardeninitiativen aus Katar und Saudi-Arabien

Zwei große Vorhaben mit Geld aus Katar und Saudi-Arabien sollen nun Abhilfe schaffen. Während das Emirat Katar in die Erzeugung investieren will, kümmert sich das Königreich Saudi-Arabien dem Vernehmen nach schwerpunktmäßig um den Ausbau der Stromnetze und die Versorgungsinfrastruktur für Erdgas.

Ein Konsortium um die katarische UCC Holding unterzeichnete im Mai 2025 mit der syrischen Regierung eine Absichtserklärung über Investitionen in Höhe von 7 Milliarden US$. Geplant sind vier Gaskraftwerke und eine Freiflächen-Photovoltaik (PV)-Anlage mit jeweils 1 Gigawatt Kapazität. Der Bau der Kraftwerke soll Pressemeldungen zufolge nach drei Jahren abgeschlossen sein, die PV-Anlage bereits nach "unter zwei" Jahren.

Bei den Vorhaben kümmert sich UCC um die Finanzierung und somit voraussichtlich auch um die Auswahl der wesentlichen Techniklieferanten. Weitere Partner, überwiegend aus der Türkei, organisieren als EPC-Firmen (Engineering, Procurement, Construction) den Bau der Anlagen.

Geld für den Ausbau der Erdgasversorgung soll aus einem Finanzierungspaket über 6 Milliarden US$ fließen, für das Saudi-Arabien Ende Juli 2025 eine Absichtserklärung mit Damaskus bekanntgab. Zu dieser Initiative sind die teilnehmenden Unternehmen noch unklar. Das Paket umfasst auch die Wasserversorgung sowie andere Branchen. Unter Projektzulieferern könnten Firmen im Vorteil sein, die in Saudi-Arabien produzieren: Die Regierung in Riad fordert die "Lokalisierung" der Produktion im Königreich.

Weltbank-Kredit für das Stromnetz

Für Arbeiten an der Netzinfrastruktur erhielt Syrien im Juni 2025 bereits einen Weltbankkredit in Höhe von 146 Millionen US$. Das Syria Electricity Emergency Project soll Fernleitungen und Umspannstationen instand setzen.

Große Pläne für Syriens StromwirtschaftProjekte und Initiativen
Initiative/ProjektBeteiligte FirmenAnmerkungen
4 Gaskraftwerke + 1 Solarkraftwerk (PV) mit je 1.000 MWUCC (Katar); Power International (USA); Cengiz Enerji, Kalyon Enerji (Türkei)

Stand: Absichtserklärung (MoU) vom Mai 2025; Standorte: Gas: Traifawi (Homs), Zayzoun (Hama), Deir ez-Zor, Mehardeh (Hama); 

Solar: Wadi al-Rabee

2 Solarkraftwerke mit je 100 MW20Solar Energy (USA)Memorandum of Understanding vom Juli 2025; eines der Kraftwerke soll über einen Batteriespeicher verfügen
Weltbank: Syria Electricity Emergency Project (SEEP)k. A.Kredit über 146 Mio. US$ vom Juni 2025 für Netz-Instandsetzung, u.a.: zwei 400-kV-Leitungen und Umspannwerke; Beginn der Implementierung noch 2025
"Master Plan" für Syriens Öl-, Gas- und StromsektorBaker Hughes, Hunt Energy, Argent LNG (USA)Vereinbarung zwischen den Firmen vom Juli 2025 laut Presse; Fokus ist offenbar die Ölwirtschaft
Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest 2025

Meldungen von Anfang 2025 zufolge wollten die Türkei und Katar Syrien außerdem zwei schwimmende Kraftwerke mit einer Kapazität von insgesamt 800 Megawatt bereitstellen. Ob es diese Schiffe tatsächlich gibt und sie Strom produzieren, ist nicht bekannt.

Bestehende Infrastruktur weitgehend unbrauchbar

Nach diversen Angaben bräuchte Syrien für seine Stromversorgung rund 6 Gigawatt Leistung. Die aktuelle Erzeugung – ausschließlich aus Gaskraftwerken – liege bei 1,3 bis 1,6 Gigawatt. Vor Beginn des Bürgerkriegs 2011 waren es noch gut 9 Gigawatt, heißt es mit Bezug auf Zahlen der Vereinten Nationen. Darunter waren allein in drei Wasserkraftwerken 1,5 Gigawatt installiert gewesen.

Viele Anlagen sind zerstört oder wurden wegen – inzwischen weitgehend aufgehobener – Sanktionen seit Langem nicht gewartet. Es liegen jedoch kaum Informationen vor, was genau zu reparieren und wieviel zu investieren wäre. Projekte oder konkrete Anstrengungen zur Instandsetzung sind nicht bekannt.

Den Gaskraftwerken fehlt auch Brennstoff. Inzwischen soll Erdgas über die Arab Gas Pipeline nach Syrien fließen, das im jordanischen Hafen Aqaba aus katarischem Flüssiggas eingeleitet wird. Laut Pressemeldung des Qatar Fund for Development (QFFD)vom März 2025 sollte das Gas "in der ersten Phase" die Erzeugung von "bis zu" 400 Megawatt Strom im Kraftwerk Deir Ali bei Damaskus ermöglichen, mit einer späteren Steigerung der Produktion.

Anfang August 2025 begannen außerdem erste Lieferungen von aserbaidschanischem Erdgas über die Türkei an ein 1,2-Gigawatt-Gaskraftwerk in Aleppo. Dabei geht es um jährlich rund 2 Milliarden Kubikmeter, zitiert der zuständige aserbaidschanische Energieversorger Socar den türkischen Energieminister Alparslan Bayraktar. Zunächst will Socar laut Reuters jährlich 1,2 Milliarden Kubikmeter liefern. Finanzielle Unterstützung leistet der QFFD. Die zuvor beschädigte Pipeline über die Pumpstation Yavuzlu wurde demnach bis Mai 2025 repariert.

Die Türkei unterstützt die Stromversorgung in Syrien auch durch direkte Lieferungen. Der Energieminister sprach von acht Verbindungspunkten. Über sie fließt aktuell aber offenbar noch wenig Strom. Meldungen zufolge gibt es Pläne für eine Reaktivierung der 500-Megawatt-Leitung vom türkischen Birecik nach Aleppo im Norden Syriens. Danach seien Lieferungen von bis zu 900 Megawatt möglich.

Regierung erlässt Einspeiseverordnung für erneuerbare Energien

Für das geplante große Solarkraftwerk des katarischen Konsortiums spricht die hohe Sonneneinstrahlung am geplanten Standort im Süden Syriens. Kleinere Vorhaben von 2 bis 10 Megawatt bei erneuerbaren Energien fördert die Regierung laut Berichten durch den Beschluss Nr. 154 des General Directorate of Electricity von Anfang Juli 2025. Der staatliche Versorger Public Electricity Company zahlt demnach feste Preise für Solarstrom (0,04 US$ bzw. bei zusätzlicher Batteriespeicherung 0,06 US$ je Kilowattstunde) sowie Strom aus Biomasse (0,08 US$) und Deponiegasen (0,057 US$).

Konkrete Projektarbeiten oder -vorbereitungen in Syriens Stromsektor sind noch nicht bekannt und bleiben abzuwarten. Ein großes Fragezeichen hinter die großen Investitionsplänen setzen die vielen Konflikte im Land und in der Region. Umgekehrt gilt aber der Wiederaufbau der Infrastruktur und namentlich der Stromversorgung als grundlegende Voraussetzung für die Befriedung Syriens. Diese Erkenntnis gilt als ein Grund dafür, warum die Konfliktparteien im Land die Projekte mutmaßlich unterstützen würden.

Rückenwind durch Interessen der Regionalmächte

Rückenwind für die Projekte geben auch die politisch-wirtschaftlichen Interessen der regionalen Mächte. Diese wollen nach dem Sturz des Assad-Regimes und dem Rückzug der verbündeten Iraner Positionen besetzen, auch mit Hilfe des Scheckbuchs. Dies spricht dafür, dass Katar und Saudi-Arabien die angekündigten Milliardeninitiativen tatsächlich auch umsetzen werden.

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