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Wirtschaftsumfeld | Tschechische Republik | Arbeitskräfte

Fachkräfte

Besonders das produzierende Gewerbe in Tschechien hat derzeit weniger Bedarf an Personal. Unternehmen können die Gelegenheit nutzen, neue Fachkräfte zu rekrutieren.

Von Gerit Schulze | Prag

Der tschechische Arbeitsmarkt sendet derzeit widersprüchliche Signale. Einerseits kündigen immer mehr Unternehmen Massenentlassungen an und Arbeitsämter melden weniger offene Stellen. Auf der anderen Seite legen die Löhne zu und der Fachkräftemangel verschärft sich.

Besonders energieintensive Industriebetriebe müssen Personal entlassen, weil sie nicht mehr wettbewerbsfähig produzieren. Die stark von Exporten abhängige Volkswirtschaft leidet unter der unsicheren Konjunkturlage auf wichtigen Auslandsmärkten. Das produzierende Gewerbe ist daher zurückhaltend mit Neueinstellungen.

Am Arbeitsmarkt wirkt sich das aber bislang kaum aus. Im Mai 2025 war Tschechien das Land mit der zweitniedrigsten Erwerbslosigkeit in Europa, hinter Malta. Laut Eurostat lag die Arbeitslosenquote bei 2,9 Prozent, während der EU-Durchschnitt 5,9 Prozent betrug (ILO-Berechnungsmethode). 

Das tschechische Arbeits- und Sozialministerium benutzt eine andere Definition, die alle verfügbaren Arbeitssuchenden im Alter von 15 bis 64 Jahren umfasst. Demnach waren Ende Mai 2025 rund 294.000 Menschen als arbeitslos registriert, die Erwerbslosenquote lag bei 4,2 Prozent. Das waren 0,6 Prozentpunkte oder fast 30.000 Menschen mehr als ein Jahr zuvor. Besonders groß war die Arbeitslosigkeit in den Regionen Ústí nad Labem (6,5 Prozent) und Mährisch-Schlesien (6,0 Prozent). Am Die niedrigste Zahl hatte im Mai 2025 die Hauptstadt Prag (3,0 Prozent).

Mehr Arbeitslose als offene Stellen

Inzwischen gibt es mehr Erwerbslose als offene Stellen. Das tschechische Arbeitsamt hat allerdings die Berechnungsgrundlage verändert und zählt Positionen, die länger als ein halbes Jahr im Register stehen, nun nicht mehr als offene Stelle. Dadurch hat sich die Zahl gegenüber den Vorjahren auf ein Drittel verringert und betrug im Mai 2025 rund 96.000.

Disruptiver Wandel des Arbeitsmarktes

Laut einer Studie der Boston Consulting Group könnten bis 2035 in Tschechien 355.000 Stellen durch Nachfragerückgang, Automatisierung und den Einsatz Künstlicher Intelligenz wegfallen. Das betrifft Juristen, Produktionspersonal, Monteure und Verkaufskräfte. Gleichzeitig entstehen 955.000 neue Arbeitsplätze, vor allem im Bildungs- und Gesundheitswesen und im Pflegebereich. Der Bedarf an Umschulungsmaßnahmen steigt.

Die jüngsten Entlassungswellen in der Industrie bedeuten nicht, dass Unternehmen nun einfacher Personal finden. Denn das Arbeitskräfteangebot und die Nachfrage sind regional unterschiedlich verteilt. Während in den wirtschaftlichen Zentren wie Prag, Brno oder Plzeň immer noch Fachkräfte gesucht werden, steigt die Arbeitslosigkeit in den strukturschwachen Bezirken. Aufgrund der schwierigen Wohnungssuche in den Boomregionen ist die Mobilität der Arbeitssuchenden gering. Wirtschaftsexperten kritisieren diese Starrheit des Arbeitsmarktes, weil sie verhindert, dass innovative Unternehmen Personal finden.

Unternehmen brauchen Maschinenführer und Gabelstaplerfahrer

Trotz der jüngsten Entlassungswellen in der Industrie bietet das verarbeitende Gewerbe die meisten freien Stellen an. Besonders groß ist der Bedarf an technisch qualifizierten Arbeitskräften wie Maschinenbedienern. Zu den Wachstumsbranchen mit großem Personalbedarf gehört die Rüstungsindustrie. Der Logistiksektor braucht weiterhin Gabelstapler- und Lkw-Fahrer. Die Bauwirtschaft sucht ungelernte Hilfskräfte und Handwerker. 

Auch die quartalsweise erhobenen Daten des Personaldienstleisters Manpower Group zeigen, dass der Personalbedarf anhaltend hoch ist. Im Juni 2025 gaben 31 Prozent der befragten Firmen an, in den kommenden Monaten Personal einzustellen. Nur 15 Prozent planen Entlassungen. Neue Stellen schaffen besonders der Dienstleistungs- und Finanzsektor, der Einzelhandel und die Immobilienwirtschaft. Die Einstellungsbereitschaft steigt mit der Größe der Unternehmen. Kleinere Firmen blicken pessimistischer in die Zukunft und halten sich bei der Personalsuche zurück. 

Der IT-Bereich ist laut Manpower besonders an Spezialisten für Datenanalyse, Cybersicherheit, Softwareentwicklung und Prozessautomatisierung interessiert. Außerdem werden Experten für Industrie 4.0 und Künstliche Intelligenz in der Produktion gesucht. "Die Unternehmen suchen verstärkt IT-Profis, die Technologie mit Business verbinden können, also nicht nur den Code verstehen, sondern auch die Branche", sagte Manpower-Manager Jakub Kadlec bei einer Pressekonferenz.

Einwanderung von Fachkräften nimmt zu

Nach jahrelanger Skepsis und unter dem Druck der Arbeitgeber öffnet die Regierung den tschechischen Arbeitsmarkt stärker für ausländische Beschäftigte. Im Mai 2025 waren laut Arbeitsministerium fast 871.000 Ausländer in Tschechien beschäftigt. Das entsprach 17 Prozent aller Erwerbstätigen. Davon kamen rund 317.000 aus der Ukraine und etwa 220.000 aus der Slowakei. Unter den EU-Staaten sind Rumänien, Polen, Bulgarien und Ungarn die wichtigsten Herkunftsländer (nach der Slowakei). Größere Gruppen an Arbeitsmigranten stammen außerdem aus Russland, Vietnam und den Philippinen. Aus Deutschland kamen rund 5.500 Beschäftigte.

Menschen aus neun Ländern, darunter die USA, das Vereinigte Königreich, Südkorea und Israel, haben seit Juli 2024 freien Zugang zum Arbeitsmarkt. Mit verschiedenen Programmen zur Beschäftigung ausländischer Fachkräfte versucht die Regierung auf den Bedarf der Wirtschaft zu reagieren. Die Quoten werden regelmäßig angepasst.

Programme zur Beschäftigung ausländischer Fachkräfte
ProgrammZielgruppe
Hochqualifizierter BeschäftigterGeschäftsführungen, Spezialisten und technische Fachleute aus Drittstaaten, vor allem für den Gesundheitssektor.
Schlüsselpersonal und ForscherBeschäftigung ausländischer Fach- und Führungskräfte in Produktionsbetrieben, im Dienstleistungs- und öffentlichen Sektor; Unterstützung von Forschungseinrichtungen, Technologieunternehmen und Start-ups.
Qualifizierter Beschäftigter *)Fachkräfte aus den elf Nicht-EU-Staaten Mongolei, Serbien, Philippinen, Indien, Moldau, Montenegro, Kasachstan, Armenien, Georgien, Nordmazedonien und Ukraine. Betrifft die ISCO-Klassifikationen 4 bis 8, also Dienstleistungsberufe, landwirtschaftliche Fachkräfte, Handwerker, Fahrer und Maschinenbediener.
Digitaler NomadeAusländische Spitzenkräfte im IT-Sektor oder Marketing, die sich in Tschechien ansiedeln wollen, aber weiter für ihren bisherigen Arbeitgeber im Ausland arbeiten. Das Programm gilt für Bürger aus Australien, Japan, Kanada, Südkorea, Neuseeland, dem Vereinigten Königreich, USA, Taiwan, Brasilien, Israel, Mexiko und Singapur.
SonderarbeitsvisumLand- und Forstwirtschaft sowie Lebensmittelverarbeitung mit Bedarf an Saisonkräften. Das Visum hat eine Gültigkeitsdauer von maximal einem Jahr und wird an Hilfskräfte aus Georgien, Moldau, Nordmazedonien und der Ukraine sowie aus Bosnien und Herzegowina vergeben. Die monatliche Höchstquote beträgt 205 Visa.
Arbeitsmigration aus IndonesienHandwerker aus Indonesien im Alter von 21 bis 29 Jahre, 1.000 Visa jährlich.
* für dieses Programm gilt 2025 eine Jahresquote von 30.520 Arbeitsvisa, davon 11.000 für Menschen aus der Ukraine und 10.300 für Arbeitssuchende von den Philippinen; Hilfestellung bei Beantragung durch Wirtschaftskammer HK ČR.Quelle: Ministerium für Industrie und Handel 2025; Ministerium für Landwirtschaft 2025; Wirtschaftskammer 2025

Künstliche Intelligenz verändert den Markt

Die Studie "Zukunft des tschechischen Arbeitsmarktes" der Boston Consulting Group (BCG) erwartet einen Anstieg der Stellen in Tschechien von 5,4 Millionen im Jahr 2023 auf 6 Millionen im Jahr 2035. Auf jeden zehnten Arbeitsplatz wird Künstliche Intelligenz erheblichen Einfluss haben. Das erfordert erhebliche Anstrengungen zur Qualifikation und Weiterbildung der Beschäftigten. Anderenfalls könnte die Wettbewerbsfähigkeit Tschechiens durch langsames Produktivitätswachstum gefährdet werden, warnen die Autoren der Studie. 

Zugleich müssen ungenutzte Reserven am Arbeitsmarkt stärker genutzt werden. Viele potenzielle Beschäftigte würden gern eine Tätigkeit aufnehmen, wenn ihnen mehr Flexibilität bei Arbeitszeit und Einsatzort geboten würden. Auch ältere Menschen, die aus dem Berufsleben ausgeschieden sind, könnten mit gezielten Angeboten zurückgeholt werden. Das gilt auch für Personen, die wegen Erziehungsurlaub oder der Pflege von Angehörigen länger keine Beschäftigung ausübten.

Die Tschechische Republik im weltweiten Vergleich

Folgende Karte ermöglicht den Vergleich zwischen zahlreichen Ländern weltweit. Bitte beachten Sie, dass die Werte in der Karte aus international standardisierten Quellen stammen und somit ggf. von Angaben aus nationalen Quellen im Text abweichen können.

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