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Kunden in Deutschland: Wo Tschechiens Unternehmen Chancen nutzen

Der Umbruch zu digitalen und nachhaltigen Ökonomien fordert beide Länder heraus. Es sind Felder, in denen sich Firmen aus Böhmen und Mähren erfolgreich in Deutschland engagieren.

Von Miriam Neubert | Prag

Durch die Ungerechtigkeit der Geschichte mussten sich rein tschechische Unternehmen in den 1990er Jahren unter den harten Bedingungen von Marktwirtschaft und Wettbewerb erst neu erfinden oder an ihre vor-kommunistischen Traditionen anknüpfen. Sie ergriffen aber bald die Geschäftschancen auf Europas größtem Markt direkt vor ihrer Haustür. Laut Eurostat hat sich die Zahl der deutschen Töchter tschechischer Unternehmen in den vergangenen zwölf Jahren mit 244 mehr als verdreifacht. Sie setzten 2020 fast 7 Milliarden Euro um und beschäftigten 21.300 Mitarbeitende.

Europas größter Markt als Magnet

Vertrieb ist dabei das eine. So fahren in sieben deutschen Städten Straßenbahnen des Pilsener Verkehrstechnikherstellers Škoda Group. Cottbus hat gerade 15 weitere bestellt. Mit Vertriebs- oder Servicebüros sind viele weitere Hersteller vertreten, etwa der Brünner Produzent von Rasterelektronenmikroskopen Tescan, der Portalfräsmaschinenanbieter TRIMILL aus Zlín oder der auf Schweißanlagen und Montagetechnik spezialisierte Maschinenbauer Chropyňská strojírna.

Einen Sprung machte in der Coronaphase der E-Commerce. Der Online-Supermarkt Rohlík beliefert als Knuspr.de Kunden in Bayern und im Rhein-Main-Gebiet und will weiter expandieren. Im Online-Gebrauchtwagenhandel nehmen Driverama und Carvago seit kurzem auch deutsche Kunden in ihr Visier.

Hinzu kommt die Produktion. Tschechiens größter Landmaschinenhersteller Agrostroj Pelhřimov expandierte 2021 durch den Kauf des Konkurrenten Wilhelm Stoll Maschinenfabrik. Der Maschinenbaukonzern Wikov erwarb 2019 die Gmeinder Getriebe Gruppe. Der Lebensmittel- und Chemiekonzern Agrofert hat schon länger vier Betriebsstätten in Deutschland, darunter SKW Piesteritz, einen Hersteller von Agro- und Industriechemikalien. Sie sind nicht die einzigen.

Deutsche Energiewende mit tschechischer Beteiligung

Zum wichtigsten Investitionsfeld aber wird die Energiewende. So plant die Lausitzer Energiegesellschaft LEAG, die den tschechischen Holdings EPH und PPF gehört, einen grünen Kraftpark mit einer Leistung von 7 Gigawatt. Unter dem Namen GigawattFactory sieht das Projekt Investitionen von circa 10 Milliarden Euro in Wind- und Fotovoltaikanlagen auf Bergbaufolgeland vor.

Tschechiens staatlicher Stromkonzern ČEZ Group baut 2023 im Ruhrgebiet einen weiteren Onshore-Windpark. ČEZ ist durch Übernahme der Energiedienstleistungsgruppe Elevion seit 2017 auf dem deutschen Markt für Dienstleistungen rund um CO2-Reduzierung, Energieeffizienzsteigerung und Energiekosteneinsparung präsent.

Tschechiens Tech-Sektor expandiert nach Deutschland

Den Digitalisierungsdruck in Deutschland nutzt Tschechiens dynamischer Tech-Sektor, dem der heimische Markt schon lange zu klein ist. Das IT-Beratungsunternehmen Adastra zum Beispiel hat sechs Büros in Deutschland, um Kunden bei der Umsetzung digitaler Geschäftsstrategien mit Data-Engineering und KI zu unterstützen. Aimtec ist mit Softwarelösungen auf die Digitalisierung von Produktion und Logistik spezialisiert. Benthor automatisiert Produktionsprozesse und programmiert Roboter. Und wer sich über Termine und Plenarsitzungen des Deutschen Bundestages informieren möchte, wird von einer App geführt, die das Prager Technologieunternehmen Ackee entwickelt hat.

Nicht nur im Warenhandel mit Deutschland erzielt Tschechien einen Überschuss. Auch bei den IT- und Telekommunikationsdienstleistungen fällt der Saldo seit Jahren positiv aus. Tendenz steigend. Mit den Interdependenzen der beiden benachbarten Volkswirtschaften wachsen auch die Chancen.

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