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Zukunft im Blick: Das Gewicht von Forschung und Entwicklung

Tschechien will Innovationen, die mehr Wertschöpfung im Land selbst aufbauen, statt sie, wie etwa in den Lieferketten der Automobilindustrie, in hohem Maße zu importieren. 

Von Miriam Neubert | Prag

Wegen der vergleichsweise niedrigen Arbeitskosten galt die Tschechische Republik anfangs als eine Art verlängerte Werkbank für ausländische Investoren. Doch sind Forschung und Entwicklung längst nachgezogen, ist Produktion ohne Innovationen kaum noch denkbar. Angaben des Tschechischen Statistikamts zufolge haben sich die Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E) in ausländisch dominierten Firmen allein seit 2010 fast verdreifacht, in rein tschechischen Firmen praktisch verdoppelt. Gemeinsam leisten sie 63 Prozent der Forschungsausgaben. Diese erreichten 2021 erstmals 2 Prozent des BIP, ein höherer Anteil als in Italien, Spanien oder Irland. Der EU-Durchschnitt ist 2,27 Prozent.

Tausende von Entwicklern in deutschen Unternehmen

Die tschechischen Niederlassungen deutscher Unternehmen sind in F&E intensiv einbezogen. Siemens gehört weltweit zu den Vorreitern bei Lösungen für Industrie 4.0 und intelligente Infrastruktur. Dabei stützt sich der Technologieriese auch auf seine 13 F&E-Zentren und -Abteilungen und 14 Kompetenzzentren in der Tschechischen Republik in Gebieten wie intelligente Steuersysteme, Digitalisierungslösungen für die Fertigung, Bahntechnik und Elektromotoren. Die Entwicklungs- und Kompetenzzentren tragen zum Teil globale Verantwortung und beschäftigen mehr als 1.100 Expertinnen und Experten.

Übergang zur Elektromobilität gestartet

Nach Deutschland und Spanien ist Tschechien drittgrößter Pkw-Hersteller in Europa. Für das Autoland hängt viel davon ab, ob der strukturelle Übergang zur Elektromobilität gelingt. Taktgeber sind dabei Škoda Auto und seine Abteilung für technische Entwicklung in Mladá Boleslav, wo 2021 ein Zentrum für den Bau von Testträgern und Prototypen den Betrieb aufgenommen hat. Eine gute Nachricht ist, dass Škoda Auto 2022 ein Fünftel mehr Autos seiner elektrischen Enyak iV-Familie verkauft hat. Bis 2026 will das Unternehmen vier weitere batterieelektrische Modelle auf den Markt bringen und bis 2027 rund 5,6 Milliarden Euro in Elektromobilität und 700 Millionen Euro in Digitalisierung investieren.

Der Mobilitätskonzern ZF betreibt am Standort Tschechien sechs Produktionswerke und drei Technologiezentren. In der Entwicklung sind mehr als 700 Mitarbeitende tätig. Ein Aufgabengebiet sind Software und Hardware, mechanische und mechatronische Elemente für elektrische Antriebe. ZF Openmatics in Pilsen konzentriert sich auf Konnektivität und Telematiksysteme.

Stärkung des Forschungsstandorts

Auch bei Bosch ist an die Seite der Fertigung die Entwicklungsverantwortung für Produkte des Gesamtunternehmens gekommen. Das 2019 erweiterte Entwicklungs- und Technologiezentrum in České Budějovice beschäftigt über 600 Ingenieure. Es geht um neue Autokomponenten und Mobilitätslösungen, darunter auch im Bereich Wasserstoff. BMW wiederum startete im Frühjahr 2023 in seinem Testzentrum für autonome Fahrlösungen in Sokolov die Erprobung von Assistenzsystemen. Für den Software-Konzern SAP ist Tschechien in Europa der zweitgrößte Standort. Er beschäftigt mehr als 3.000 Mitarbeitende in F&E, Innovation und im Business-Support.

Durch Zusammenarbeit mit den Universitäten stärken auch andere Töchter deutscher Unternehmen den Entwicklungsstandort Tschechien. Mobilfunkanbieter T-Mobile zum Beispiel richtete an fünf Forschungseinrichtungen des Landes 5G-Campus-Netze ein. Bei Instituten der Technischen Universitäten in Prag und Brno (CIIRC CTU und CEITEC VUT) gehören diese zu Testbeds der Industrie 4.0. Verbunden mit dem Testbed zweier deutscher Forschungseinrichtungen (DFKI und ZeMA) bilden sie ein Versuchslabor für geografisch verteilte Produktion. Dieses tschechisch-deutsche Forschungszentrum, kurz RICAIP, ist in Europa das größte Projekt auf dem Gebiet der industriellen künstlichen Intelligenz (KI). Mit weiteren Testbeds stoßen noch die Technische Universität Ostrava und das Fraunhofer Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik dazu.

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