Rechtsbericht | Türkei | Arbeitnehmerentsendung
Entsendung in die Türkei: Anstellung bei türkischer Kundin
Die Entsendungskraft schließt parallel zum deutschen Arbeitsverhältnis noch einen Arbeitsvertrag mit der türkischen Kundin.
29.10.2025
Von Sherif Rohayem | Bonn
Für einen Einsatz zur Erbringung von Dienstleistungen länger als 90 Tage benötigt die Entsendungskraft eine Arbeitserlaubnis. Eine Voraussetzung für die Erlangung einer Arbeitserlaubnis ist ein türkisches Arbeitsverhältnis. In Betracht kommt daher, dass die Entsendungskraft einen Arbeitsvertrag mit der türkischen Kundin schließt.
Türkische Kundin fungiert als Employer of Record
Dieser Arbeitsvertrag dient als Grundlage für das Verfahren zur Erlangung der Arbeitserlaubnis bei dem türkischen Ministerium für Arbeit und Soziales. Davon unberührt bliebe der deutsche Arbeitsvertrag, der parallel zu dem türkischen laufen kann. Ähnlich wie bei einem Employer of Record Modell übernimmt die türkische Kundin für die Zeit der Entsendung einen Teil der Arbeitgeberpflichten - sprich: die türkische Kundin zahlt und rechnet das Gehalt der Entsendungskraft ab. Das Weisungsrecht kann bei der deutschen Arbeitgeberin verbleiben. Letztere erstattet der türkischen Kundin das Gehalt für die Entsendungskratt - regelmäßig auch die Aufwendungen infolge der Personalverwaltung.
Kein Verbleib in der deutschen Sozialversicherung beim Employer-of-Record-Modell
Fraglich ist allerdings wie sich dieses Modell auf die Fortgeltung der deutsche Sozialversicherung während des Türkeieinsatzes auswirkt. Eine Ausstrahlung liegt gemäß § 4 SGB IV liegt vor, wenn:
- der Auslandsaufenthalt von vornherein zeitlich begrenzt ist, entweder durch die Art der Tätigkeit oder durch einen Vertrag.
- das Arbeitsverhältnis mit dem deutschen Unternehmen während des Auslandseinsatzes fortbesteht; ein zusätzlicher Arbeitsvertrag im Einsatzland ist nicht zwangsläufig ein Ausschlusskriterium, solange die Hauptverantwortung beim deutschen Unternehmen bleibt.
- Die Entsandtkraft weiterhin dem deutschen Arbeitgeber gegenüber weisungsgebunden ist.
- Die Abrechnung des Gehalts in Deutschland erfolgt.
- Die entsendete Person muss vor der Entsendung in Deutschland beschäftigt gewesen sein oder dort ihren Wohnsitz gehabt haben.
Im Ergebnis dürfte bei dem Employer-of Record-Modell keine Ausstrahlung der deutschen Sozialversicherung vorliegen, weil hier das Gehalt der Entsendungskraft nicht in Deutschland abgerechnet wird. Zu dem gleichen Ergebnis führt die Anwendung von Artikel 6 Deutsch-Türkisches Sozialversicherungsabkommen. Die Entsendungskraft "arbeitet" während der Einsatzzeit nicht "auf Rechnung" der deutschen Arbeitgeberin. Es gilt das türkische Sozialversicherungsrecht. Mit anderen Worten muss sich die Entsendungskraft während ihrer Einsatzzeit bei der türkischen Sozialversicherung registrieren lassen.
Lohn wird grundsätzlich in der Türkei versteuert
Die Frage, wo der Lohn der Entsendungskraft besteuert wird, beantwortet Artikel 15 Deutsch-Türkische Abkommen zur Vermeidung der doppelten Besteuerung (DBA). Grundsätzlich wird der Lohn der Entsendungskraft während ihres Einsatzes in der Türkei besteuert - ausnahmsweise in Deutschland, wenn die folgenden (negativen) Voraussetzungen von Artikel 15 Absatz 2 DBA erfüllt sind.
Die Entsendungskraft darf sich nicht länger als 183 Tage in der Türkei aufhalten.
Das Gehalt der Entsendungskraft darf nicht von oder für einen Arbeitgeber mit Sitz in der Türkei gezahlt werden. Die türkische Kundin, die als Employer of Record fungiert, ist zwar arbeitsrechtlich die (Co-)Arbeitgeberin der Entsendungskraft und zahlt auch ihren Lohn, gleichwohl dürfte sie nach Auffassung des Bundesfinanzhofes (BFH) keine Arbeitgeberin im Sinne des DBA sein. So legt das Abkommen nach der Rechtsprechung des BFH einen wirtschaftlichen Arbeitgeberbegriff zugrunde. Arbeitgeber ist nach dieser Lesart das Unternehmen, das erstens den Lohn der Entsendungskraft in wirtschaftlicher Hinsicht trägt (nicht nur auszahlt) und die anderen Kriterien eines Arbeitsverhältnisses erfüllt - also das Unternehmen, das gegenüber der Entsendungskraft weisungsberechtigt ist. Diese Kriterien zugrunde gelegt, handelt es sich bei dem Employer-of Record in der Regel nicht um den Arbeitgeber nach dem DBA.
Schließlich darf das Gehalt der Entsendungskraft nicht von einer türkischen Betriebsstätte oder festen Einrichtung des deutschen Arbeitgebers nach Artikel 15 Absatz 2 c) DBA getragen werden.
Betriebsstätte wirkt sich auf Lohn und Körperschaftsteuer aus
Was eine Betriebsstätte ist, ergibt sich aus Artikel 5 DBA. In den Fällen der Entsendung von Personal, das eine Anlage installiert oder eine Maschine zusammenbaut beziehungsweise diese Arbeiten überwacht und steuert ist tatbestandlich eine Bauausführung oder Montage beziehungsweise deren Beaufsichtigung im Sinne des Artikel 5 Absatz 3 a) DBA gegeben. Bauausführung sind Arbeiten aller Art, die zur Errichtung von Hoch- und Tiefbauten im weitesten Sinne ausgeführt werden. Während Montage das Zusammensetzen von Einzelteilen zu einem neuen Produkt sowie der Um- beziehungsweise Einbau vorgefertigter Teile definiert meint.
Eine Betriebsstätte begründen diese Aktivitäten, wenn sie länger als sechs Monate dauern. Der Begriff der Betriebsstätte hat ausschließlich tatsächliche Anknüpfungspunkte.
Bei Schulungen und Wartungen kommt eine sogenannte Dienstleistungsbetriebsstätte im Sinne des Artikel 5 Absatz 3 b) DBA in Betracht. Diese entsteht, wenn die Dienstleistungen über sechs Monate innerhalb eines Zeitraumes von 12 Monaten verrichtet werden.
Es spielt daher keine Rolle, dass die Entsendungskraft, welche die Betriebsstätte begründet, durch einen Arbeitsvertrag mit der türkischen Kundin verbunden ist.
Liegt eine Bau-, Montage- oder Dienstleistungsbetriebsstätte vor, wird in aller Regel das Gehalt der Entsendungskraft von dieser Betriebsstätte getragen. Daraus folgt, dass die Besteuerung des Lohns der Entsendungskraft in der Türkei stattfindet.
Ebenso wird gemäß Artikel 7 DBA der Gewinn der Betriebsstätte in der Türkei versteuert.
 
