Rechtsbericht | Türkei | Arbeitnehmerentsendung
Entsendung in die Türkei: Grundlagen
Einsätze bis zu 90 Tagen sind rechtlich einfach zu strukturieren. Einsätze länger als 90 Tage werfen vielschichtige Rechtsfragen auf.
29.10.2025
Von Sherif Rohayem | Bonn
Einsätze bis zu 90 Tagen sind sowohl aufenthaltsrechtlich als auch sozialversicherungsrechtlich einfach zu handhaben. Ähnliches gilt für das Steuerrecht. In aufenthaltsrechtlicher Hinsicht kann die Entsendung auf der Basis eines sogenannten Montagevisums bewerkstelligt werden. Das Montagevisum ist für die oben genannten Fälle der Installation, Instandsetzung, Beaufsichtigung und Schulung gedacht.
Montagevisum gibt es nur ein mal pro Kalenderjahr
Es kann nur ein Mal pro Kalenderjahr und Person beantragt werden. Mit anderen Worten kann die Entsendungskraft nach Ablauf der 90 Tage nicht ausreisen und daraufhin ein weiteres Montagevisum beantragen. Dies geht nur im nächsten Kalenderjahr. Das Montagevisum ist bei den türkischen Auslandsvertretungen in Deutschland zu beantragen. Für andere Fälle des Dienstleistungsexports, die keine Montage, Wartung oder Schulung zum Gegenstand haben, gelten die Regelungen des Gesetzes Nr. 6735 über ausländische Arbeitskräfte aus dem Jahr 2016. Auch hier gibt es ein Visum für sogenannte grenzüberschreitende Dienstleister, dass innerhalb eines Jahres zu einem Aufenthalt von bis zu 90 Tage berechtigt. Beide Fälle – Montagevisum und Visum für ausländische Dienstleister – sind Ausnahmen von der sonst erforderlichen Pflicht zur Einholung einer Arbeitserlaubnis.
Keine Dienstleistungen auf der Basis eines Geschäftsvisums
Für die Beantragung eines Montagevisums oder eines Visums für grenzüberschreitende Dienstleister nach dem Gesetz Nr. 6735 ist ein Vorlauf von circa zwei bis vier Wochen einzuplanen. Insbesondere sieht das türkische Aufenthaltsrecht kein "Notfallvisum", für die Fälle vor, dass der Mitarbeiter einer ausländischen Lieferantin dringend zum türkischen Kunden reisen muss, um etwa einen Defekt an der Anlage oder der Maschine zu beheben. Einen solchen Einsatz auf der Basis eines Geschäfts- oder gar Touristenvisums zu absolvieren, ist rechtswidrig.
Türkisches Arbeitsverhältnis stellt Geltung des deutschen Sozialversicherungsrechts in Frage
Die rechtliche Strukturierung von Einsätzen über 90 Tagen ist deutlich schwerer, da nun die Entsendungskraft das Verfahren zur Erlangung einer Arbeitserlaubnis durchlaufen muss. Im Gegensatz zu den oben genannten Visa prüft hier das zuständige türkische Ministerium für Arbeit und Soziales arbeitsmarktpolitische Aspekte. Eine weitere Komplikation bei der rechtlichen Gestaltung ergibt sich aus dem (regelmäßig geäußerten) Wunsch der Entsendungskraft nach einem Verbleib in der deutschen Sozialversicherung. Allgemein gesprochen setzt die Ausstrahlung des deutschen Sozialversicherungsrecht eine hinreichende Bindung der Entsendungskraft zum entsendenden deutschen Arbeitgeber voraus, andererseits wird für die Erlangung einer türkischen Arbeitserlaubnis ein türkischer Arbeitsvertrag verlangt. Beide Forderungen stehen in einem Spannungsverhältnis zueinander, dessen Auflösung sehr aufwändig ist. Ähnliches gilt für die steuerrechtlichen Fragestellungen.
Ein Pro-Forma-Vertrag ist kein Vertrag
Häufig wird geraten, dass die Entsendungskraft einen Arbeitsvertrag bei der türkischen Kundin schließen soll - dies aber nur Pro-Forma, damit im Verfahren für die Arbeitserlaubnis der erforderliche lokale Arbeitsvertrag eingereicht werden kann. Bei einem solchen Pro-Forma-Arbeitsvertrag beabsichtigen die Parteien nicht, dass die türkische Kundin ein Gehalt an die Entsendungskraft zahlt. In diesem Fall besteht zwischen der Entsendungskraft und der türkischen Kundin kein Arbeitsverhältnis. Ein Arbeitsvertrag setzt nämlich gemäß Artikel 393 türkisches Obligationengesetz und § 611 BGB ein Entgelt voraus; das soll die türkische Kundin in dem Pro-Forma-Modell gerade nicht zahlen. Ein Arbeitsvertrag muss auch deshalb verneint werden, da es sich um ein Scheingeschäft handelt, sowohl nach Artikel 27 türkisches Gesetz über Obligationen als auch nach § 117 BGB. Wenn also in Wahrheit kein Arbeitsvertrag existiert, der Pro-Forma-Vertrag aber im Rahmen des Verfahrens für die Arbeitserlaubnis eingereicht wird, liegt eine Täuschung vor, der Aufenthalt rechtswidrig.
 
