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Dynamik des ukrainischen Bausektors lässt nach

Das Wachstum im ukrainischen Bausektor schwächt sich merklich ab. Der Gewerbebau gewinnt an Gewicht. Ausländische Bauzulieferer positionieren sich auf dem Markt.

Von Waldemar Lichter | Warschau

Die Bauleistung in der Ukraine nimmt 2025 weiter zu. Nach Angaben des ukrainischen Statistikamtes stieg der Produktionswert im 1. Halbjahr 2025 um nominal 8,2 Prozent gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum. Preisbereinigt belief sich der Zuwachs jedoch nur auf 2,4 Prozent. Zur Abschwächung trug vor allem der Tiefbau bei, hauptsächlich wegen Verzögerungen bei Infrastrukturprojekten. Angetrieben wird die Bauproduktion durch den Hochbau. Wie im Vorjahr legte dieser auch in der ersten Jahreshälfte 2025 mit über 18 Prozent kräftig zu.

Bemerkenswert ist dabei, dass dieses Ergebnis vor allem auf den Nichtwohnungsbau zurückzuführen war, der im Vergleich zum 1. Halbjahr 2024 um 26 Prozent gewachsen ist. Das deutet auf verstärkte Bauaktivitäten in der Industrie, im Handel und im öffentlichen Sektor hin, etwa zur Instandsetzung und Modernisierung von Anlagen und Einrichtungen nach Kriegszerstörungen. Impulse gehen ebenso von Neuansiedlungen und Verlagerungen von Produktionsanlagen in "sicherere" Regionen des Landes aus.

Die Aussichten im Wohnungsbau bewerten Fachleute zurückhaltend: Das Angebot an Wohnimmobilien übersteige deutlich die tatsächliche Nachfrage. Das lässt Immobilienentwickler zögern, begonnene Projekte zügig zu vollenden. Dennoch gibt es eine Reihe neuer großer Wohnungsbauprojekte, die für Nachfrage nach Bauproduktion sorgen. Regionale Schwerpunkte der Aktivitäten im Wohnungsbau sind der Westen (Lwiw) und die Zentralukraine (Kyjiw). Investiert wird in den Wiederaufbau von zerstörten Wohngebäuden und öffentlichen Einrichtungen. Meist werden in die Gebäude gleichzeitig Schutzbunker eingebaut.

Vom Tiefbau dürften dennoch mittelfristig die stärksten Impulse für die ukrainische Bauwirtschaft ausgehen. Das hängt einerseits mit dem großen Wiederaufbaubedarf im Infrastruktur- und Energiesektor zusammen. Andererseits wird eine Reihe von Projekten zum Ausbau der Verkehrs- und Versorgungsinfrastruktur durchgeführt größtenteils international finanziert.

Wichtige Projekte betreffen die Integration der Ukraine in europäische Verkehrsnetze. Hierzu zählen Bahnprojekte, wie das Eurotrack-Projekt Lwiw-Polen. Den Bau der Verbindung in europäischer Standardspurweite fördert die EU mit 76 Millionen Euro. Ein weiteres wichtiges Vorhaben wird der Ausbau der Container-Kapazitäten des Hafens Chornomorsk sein, der als öffentlich-privates Projekt (PPP) privates Kapital anziehen soll.

Gedrückte Stimmung in der Baubranche

Die Geschäftsstimmung in der ukrainischen Baubranche verbesserte sich im Laufe 2025 zwar etwas, bleibt aber weiterhin angespannt und überwiegend negativ. Die Unternehmen sind vom Arbeitskräftemangel, der schwach verfügbaren Finanzierung und Risiken bedingt durch den Krieg und die ungewisse Nachfrageentwicklung betroffen.

Die hohen Baukosten infolge gestiegener Material-, Energie- und Lohnkosten belasten die Stimmung ebenfalls. Nach Schätzungen von Branchenexperten nahmen die Preise für Baumaterialien zwischen Februar 2022 und Mai 2025 um bis zu 60 Prozent zu. Höhere Brennstoffkosten, logistische Probleme und verringerte Produktionskapazität haben die Betonpreise beispielsweise um 30 bis 40 Prozent steigen lassen. Die Kosten für Trockenbau seien um 35 bis 45 Prozent, die von Zement noch stärker gestiegen.

Baustoffe werden zum raren Gut

Der Mangel an zahlreichen Baustoffen wirkt sich jetzt schon negativ aus. Er wird noch kritischer, wenn der Wiederaufbau an Fahrt gewinnt. Derzeit fehlen in der Ukraine vor allem Glas, Stahl, Zement, Gipskarton, mineralische Dämmstoffe und Beton. Nach dem Verlust wichtiger Produktionsanlagen, wie etwa der Stahlwerke in Mariupol und der einzigen Float-Glas-Fabrik in Lyssytschansk, müssen Glas und Stahl importiert werden. Die Kapazitäten der Zement- und Betonhersteller decken nur einen Teil des Bedarfs. Folge sind Preisaufschläge und Projektverzögerungen.

In Reaktion darauf und Vorbereitung auf den höheren Nachkriegsbedarf investiert die ukrainische Baustoffindustrie bereits in neue Kapazitäten. Ein Beispiel dafür ist das Projekt NovaSklo der ukrainischen EFI Group zum Aufbau einer Float-Glasproduktion in der Region Kyjiw für 240 Millionen Euro. Für das Projekt wurden Vereinbarungen mit führenden Ausrüstungsherstellern, wie den deutschen Firmen Horn Glass Industries und Zippe Industrieanlagen sowie der italienischen Bottero unterschrieben. Im September 2025 folgte ein Vertrag über Kooperation mit der zur japanischen NSG Group gehörenden Pilkington Technology Management.

Ausländische Unternehmen positionieren sich auf dem Markt

Neben deutschen Unternehmen wie Knauf, MC-Bauchemie, Kreisel (FIXIT-Gruppe) oder IBS bemühen sich vor allem norwegische, türkische, südkoreanische und japanische Firmen, bereits jetzt Marktpräsenz in der Ukraine aufzubauen. So wurde im Januar 2025 die Japan-Ukraine Platform on Infrastructure Technology for Recovery and Reconstruction (JUPITeR) gestartet. Sie koordiniert die Beteiligung von 23 japanischen Unternehmen am Wiederaufbau in der Ukraine, darunter Daiwa House Industry als führendem Anbieter von modularen Konstruktionslösungen.

Modulare Wohnbaulösungen werden in der Ukraine stark beworben. In diesem Bereich ist der norwegische Anbieter von holzbasierten Modulbauten Moelven Byggmodul aktiv. Gemeinsam mit dem norwegischen Partner Itera will das Unternehmen modulare Wohnhäuser in der Region Kyjiw realisieren. Die koreanische POSCO International plant die Errichtung einer Modulfertigungsanlage in Mykolajiw und den Bau von Modulgebäuden für soziale Infrastruktur, wie Schulen oder vorübergehende Unterkünfte.

Die türkische ONUR Group hat seit Kriegsbeginn über 45 Millionen Euro in der Ukraine investiert, darunter in die Fertigung von Trockenbaustoffen, Transportbeton und Betonfertigteilen. Ein 40 Millionen Euro teures Werk zur Produktion von Stahltrapezprofilen und Sandwichpanelen plant ArcelorMittal Construction in der Region Kyjiw.

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