Rechtsbericht Ukraine Dienstleistungserbringung
Dienstleistungserbringung im Bausektor stark formalisiert
Ausländische Unternehmen profitieren zur Zeit von Sonderregelungen bei der Erbringung von Dienstleistungen.
12.05.2025
Von Yevgeniya Rozhyna | Bonn
Ukraine zwischen Kriegsrecht und Wiederaufbau
Die Ukraine bietet deutschen Architekt:innen und Bauunternehmen vielfältige Möglichkeiten zur Erbringung von Dienstleistungen. Das herrschende Kriegsrecht zieht aber Einschränkungen und gesetzlichen Änderungen nach sich.
Im Sinne der Wiederaufbaubemühungen werden zwar restriktive Regelungen im Baubereich für ausländische Unternehmen gelockert. Für bestimmte Arten von Bauten müssen beispielsweise derzeit keine Genehmigungen eingeholt werden, vor allen in den Bereichen: Wohnungsbau, Gewerbeimmobilien und öffentliche Infrastruktur. Dennoch unterliegt die Erbringung von Dienstleistungen verschiedenen Regelungen, wie lokalen Bauvorschriften, Genehmigungsverfahren und Zertifizierungsprogrammen. Wegen ihrer Komplexität lohnt sich eine Zusammenarbeit mit einem lokalen Partner.
Klassifizierung von Bauwerken entscheidend
Das Gesetz zur Regulierung der städtebaulichen Tätigkeit regelt, ob und für wen eine Genehmigung erforderlich ist. Die Genehmigungspflicht richtet sich nach der Einstufung der Bauwerke und Gebäude und dem von ihnen ausgehenden Risiko (Haftung). Dies gilt unter anderem für Wohngebäude mit einer Höhe von mehr als 100 Metern, Schulen und große Krankenhäuser. Entscheidend ist das Ausmaß für die Gesundheit und das Leben von Menschen, die sich innerhalb oder außerhalb dieser Bauwerke aufhalten. Daher wird unterschieden zwischen:
- Geringen Auswirkungen (CC1);
- Mittlere Auswirkungen (CC2);
- Schwere Auswirkungen (CC3).
Unter dem Kriegsrecht bestehen aber Ausnahmen, zum Beispiel für Umbau- und Sanierungsarbeiten an Wohngebäuden und Wohnräumen, Erneuerung von Dächern oder Demontage und Rekonstruktion einzelner Gebäude.
Übergangslösung für Lizensierung von Bautätigkeiten
Mit der Stadtplanungsreform aus dem Jahr 2020 wurde die Regelung zur Lizensierung der Bautätigkeit ungültig und führte zu einer gesetzlichen Lücke. Mit der Einführung des Kriegsrechts wurde der Beschluss Nr. 314 erlassen und ersetzte das Lizenzerfordernis durch die Abgabe einer Erklärung über die Aufnahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit. Das ermöglicht lokalen Firmen eine Bautätigkeit aufzunehmen, indem sie eine Erklärung über das Portal Diia einreichen.
Die Regelung ist allerdings zeitlich befristet. Drei Monate nach Beendigung des Kriegsrechts muss eine Lizenz eingeholt werden. Das Beantragungsverfahren muss jedoch noch ausgearbeitet werden.
So erbringen Sie eine Dienstleistung in der Ukraine
Die Erbringung von Dienstleistungen, wie zum Beispiel Planung von architektonischen und bautechnischen Projekten oder technische Überwachung von Baustellen, ist in der Regel genehmigungspflichtig, wenn es sich um Bauwerke handelt, die als CC2 oder CC3 klassifiziert sind. Das bedeutet, dass ausländische Architekt:innen oder Ingenieur:innen ihren Abschluss in der Ukraine anerkennen lassen oder einen Qualifikationsnachweis erbringen müssen. Die Anerkennung der Berufsqualifikation von Architekten in der Ukraine erfolgt durch die Nationale Agentur für Qualitätssicherung im Bildungswesen. Die Agentur prüft ob die vorgelegten Qualifikationsnachweise wie Abschluss, Berufserfahrung, erforderliche Weiterbildungen den ukrainischen Vorschriften entsprechen.
Ein Nachweis ist jedoch nicht erforderlich, wenn es sich um eine Bautätigkeit mit geringen Auswirkungen (CC1) handelt oder um Planungsarbeiten für die Errichtung von Bauwerken, die dem Wiederaufbau der Ukraine dienen.
Ausländer, die über kein entsprechendes Zertifikat verfügen, können solche Arbeiten auf Grundlage von Verträgen mit ukrainischen Geschäftspartnern ausführen, die über eine Zertifizierung verfügen oder sich mit einem ukrainischen Unternehmen zu einem Konsortium zusammenschließen.
Präsenz vor Ort – ein Muss?
Unter dem Kriegsrecht wurde im September 2024 eine Ausnahme für ausländische Unternehmen geschaffen: Sie müssen auch für Tätigkeiten mit mittleren oder schweren Auswirkungen (CC2 oder CC3) keine Lizenz beantragen, wenn sie über eine Betriebsstätte oder eine ständige Vertretung (Repräsentanz, Filiale oder Tochtergesellschaft) in der Ukraine verfügen. Anstatt eine Lizenz zu beantragen, müssen sie bei der zuständigen Behörde oder über das elektronische Portal Diia eine offizielle Erklärung über den Beginn der Bautätigkeit mitteilen und die erforderlichen Dokumente vorlegen.
Alternativ können Mitarbeitende für Montage- oder Bautätigkeiten in die Ukraine entsandt werden. In diesem Fall ist an eine Arbeitserlaubnis zu denken. Auch für kurzfristige Montagearbeiten ist eine Erlaubnis erforderlich. Die Anmeldung bei dem zuständigen Arbeitsdienst erfolgt in der Regel durch den ukrainischen Partner. Zu beachten ist, dass unter Umständen für bestimmte Arbeiten, zum Beispiel an schweren Maschinen mit erhöhtem Risiko, Genehmigungen bei der staatlichen Arbeitsbehörde der Ukraine eingeholt werden müssen. Je nach Aufenthaltsdauer ist eine Aufenthaltsgenehmigung erforderlich.
Die Teilnahme an Ausschreibungen wird durch das ukrainische Gesetz über das öffentliche Auftragswesen geregelt. Danach ist eine solche sowohl durch einzelne Unternehmen als auch durch Unternehmensvereinigungen (Konsortium) zulässig. Besteht ein Konsortium aus einem ukrainischen und einem deutschen Unternehmen, so muss dieses in das ukrainische Handelsregister eingetragen sein. Für zwei ausländische Unternehmen entfällt dieses Erfordernis. Eine Präsenz vor Ort ist damit nicht erforderlich.
Hinweis zur Begründung der Betriebsstätte
Montage- oder Bauleistungen vor Ort, die länger als zwölf Monate dauern, können von der Steuerbehörde als Betriebsstätte eingestuft werden. Diese muss bei der Aufsichtsbehörde registriert und wird einem lokalen Steuerpflichtigen gleichgestellt.
Um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, sollte die Anwendung des Doppelbesteuerungsabkommens vom 3. Juli 1995 zwischen Deutschland und der Ukraine überprüft werden.
Weitere Informationen zum Steuerrecht bietet Recht Kompakt Ukraine.
Vorschriften für Bauvorhaben und Verträge
Verträge über Bau- und Architekturleistungen müssen klar und detailliert formuliert sein, um Missverständnisse und rechtliche Konflikte zu vermeiden. Für grenzüberschreitende Verträge kommen unter anderem die internationalen FIDIC-Verträge der International Federation of Consulting Engineers in Betracht. Diese Verträge regeln das Verhältnis zwischen Auftraggeber, Auftragnehmer und Ingenieur. Die Verträge müssen jedoch an die lokale Gesetzgebung angepasst werden.
Architektenverträge kommen vor allem bei Architektenwettbewerben zur Anwendung. In diesen Verträgen sind die Rechte an ihren Entwürfen einschließlich des Erstveröffentlichungsrechts zu sichern. Die Teilnehmenden solcher Wettbewerbe müssen insbesondere das Urheberrecht beachten.
Darüber hinaus sind diverse staatliche Baunormen (DBN) zu beachten. Sie definieren die Anforderungen an den Städtebau und die Erschließung von Baugebieten, wie zum Beispiel die Bebauungsdichte, Abstände zu anderen Grundstücken, Gebäudehöhen und andere Parameter und Umweltanforderungen.