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Rechtsbericht | Ukraine | Vertragsrecht

Überblick über rechtliche Entwicklungen in der Ukraine

Kraft der Geltung des Kriegsrechts ist mit Einschränkungen bei Geschäften mit ukrainischen Geschäftspartnern zu rechnen. Im Fokus von Teil 2 der Beitragsreihe steht das Vertragsrecht.  

Von Yevgeniya Rozhyna | Bonn

Die ukrainische Regierung (Werchowna Rada) verlängerte die Geltung des Kriegsrechts und damit die allgemeine Mobilisierung. Da die aktuelle Lage sich jederzeit ändern kann, ist es besonders wichtig einen Überblick über die bereits erfolgten und anstehenden Änderungen zu behalten. Unsere  Beitragsreihe widmet sich den aktuell geltenden rechtlichen Entwicklungen in der Ukraine während der Geltung des Kriegsrechts.

Der erste Teil der Beitragsreihe "Überblick über die rechtliche Entwicklungen in der Ukraine" behandelt die Fragen der geltenden Einschränkungen im Devisenverkehr und aktuelle Entwicklungen im Steuerrecht. Im nachfolgenden Beitrag wird der Schwerpunkt auf die Erfüllung von Verträgen und  Miet- und Pachtverträge gelegt. 

Erfüllung von Verträgen

Der Krieg in der Ukraine beeinträchtigt die Geschäftsbeziehungen. Die Auswirkungen sind so weitreichend, dass vertragliche Verpflichtungen nicht erfüllt werden konnten bzw. immer noch nicht erfüllt werden können. Daher stellt sich die Frage nach der Erfüllung und Anpassung der Verträge. In solchen Fällen kommen so genannte "Höhere-Gewalt-Klauseln“ (bzw. force-majeur-Klauseln) in den Verträgen zur Anwendung. Für den Fall, dass solche Klauseln nicht vorgesehen sind, greifen gesetzliche Grundlagen. Das ukrainische Recht enthält Vorschriften zur "höheren Gewalt" sowohl im Zivilgesetzbuch als auch im Wirtschaftsgesetzbuch. Für Unternehmen bleibt die Frage zu klären, wann ein Fall von höherer Gewalt vorliegt. Die ukrainische Industrie- und Handelskammer gibt ein entsprechendes "allgemeines“ Zertifikat heraus. Das Zertifikat wird allerdings nur für ukrainische Unternehmen erteilt. Ausländische Unternehmen sollten sich hierzu bei ihren lokalen Industrie- und Handelskammern informieren. Gleichzeitig ist darauf hinzuweisen, dass sich in den letzten Monaten eine Gerichtspraxis herausgebildet hat:

  • Das Vorliegen von "höherer Gewalt“ befreit zwar von der Haftung für Nichterfüllung wie Schadensersatz oder Vertragsstrafen, aber nicht von der Erfüllung der vertraglichen Verbindlichkeit. Der Vertrag ruht bis zum Wegfall der "höheren Gewalt“. Für Vertragsparteien bedeutet es, dass sie den Vertrag erfüllen müssen und diesen auch nicht kündigen können.
  • Das Zertifikat der Handelskammer reicht für den Beweis des Vorliegens von höherer Gewalt nicht aus. Die betroffene Partei muss nachweisen, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Ereignis, das zur Unmöglichkeit der Erfüllung geführt hat, und dem eingetretenem Schaden besteht. 
  • Kann die vertragliche Verpflichtung nicht erfüllt werden, weil Zahlungsunfähigkeit besteht, stellt dies keinen Fall  von "höherer Gewalt“ dar.

Mehr zum Thema:

GTAI-Bericht vom 11. April 2022  "Wann liegt ein Fall höherer Gewalt?"

Miet- und Pachtverträge

Für Unternehmen stellt sich die Frage, was mit angemietet bzw. gepachteten Objekten passiert, die nicht benutzt werden können. Nach ukrainischem Recht können Miet- bzw. Pachtverträge gekündigt bzw. die Miete gemindert werden. Die Rechtsgrundlage findet sich im Zivilgesetzbuch der Ukraine sowie im Handelsgesetzbuch. Die Regelungen dieser Gesetzbücher ermöglichen es, die Miete herabzusetzen oder vollständig von der Miete befreit zu werden. Hierfür muss die Nutzung infolge von Kriegsschäden oder anderen Umständen, die der Mieter nicht zu vertreten hat, von der Zahlung befreit werden. Zu solchen Umständen zählt die Unmöglichkeit der Nutzung wegen Beschädigung oder Zerstörung des Mietobjektes oder wenn das Objekt sich in besetzten Territorien befindet.

Für die Nutzung von landwirtschaftlichen Flächen gelten Sonderregeln. Das Gesetz Nr.-2145-IX vom 7. April 2022 "Über die Änderung bestimmter Gesetze der Ukraine zur Schaffung der Voraussetzungen für die Gewährleistung der Ernährungssicherheit“ regelt, dass Pacht- oder Unterpachtverträge, deren Gültigkeit während der Kriegszeit abläuft, automatisch um ein Jahr verlängert werden. Die Vertragsparteien müssen keine zusätzlichen Verträge hierüber abschließen und keine Informationen an das staatliche Register weitergeben. Das erfasst alle landwirtschaftlichen Grundstücke, die sich im staatlichen, kommunalen oder privaten Eigentum befinden.

Zum Thema:

GTAI- Meldung vom 24. Mai 2022 "Ukraine vereinfacht die Nutzung von landwirtschaftlichen Böden

Erfassung von Schäden an Immobilien und an Böden 

Aufgrund von Kriegshandlungen könnten an Böden und Immobilien Schäden entstanden sein. Für Unternehmen könnte es interessant sein, entstandene Schäden auszugleichen. Hierzu genehmigte die ukrainische Regierung (Werchowna Rada) ein Verfahren zur Ermittlung von Schäden und Verlusten an Immobilien und Böden. Die rechtliche Grundlange bildet der  Erlass vom 20. März 2022 "Über die Genehmigung des Verfahrens zur Bestimmung der Schäden und Verluste, die der Ukraine infolge der bewaffneten Aggression der Russischen Föderation entstanden sind". Das ukrainische Ministerium der Justiz (Ministerstvo yustytsiyi) veröffentlichte eine Zusammenstellung von Informationen zu besonders häufig gestellten Fragen bezüglich des Vorgangs. Die Informationen können auf der Internetseite des Ministeriums abgerufen werden. Das Ministerium der Justiz empfiehlt Beweise für kriegsbedingte Schäden zu sammeln. 

Das Ministerium der Infrastruktur und das Ministerium für digitale Transformation haben ein Register für beschädigtes und zerstörtes Eigentum vorgestellt. Dort werden Informationen über Gebäude gespeichert, die zerstört wurden. In das Register können auch Meldungen über zerstörtes Eigentum eingereicht werden. In einer späteren Phase sollen diese Daten zur Bemessung der Entschädigung und Bemessung der Kosten zum Wiederaufbau genutzt werden. 



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