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Wirtschaftsumfeld | Ukraine | Krieg in der Ukraine
Der Krieg bringt die Ukraine in finanzielle Schieflage. Der Westen hat Kiew großzügige Hilfen zugesagt. Deutschland ist in Europa mittlerweile der größte Geber.
14.12.2022
Von Gerit Schulze, Verena Matschoß | Berlin, Bonn
Der Wiederaufbau der Ukraine wird eine Aufgabe für Generationen. Kiew veranschlagt die Kosten auf 750 Milliarden US-Dollar (US$). Dabei ist ein Ende des Krieges noch gar nicht abzusehen. Der Schaden an Infrastruktur, zerstörten Gebäuden, Industrieanlagen, Fahrzeugen und Agrarflächen betrug Ende September bereits 127 Milliarden US$, hat die Kyiv School of Economics berechnet. Und hier sind noch nicht einmal die massiven Schäden an der Energieinfrastruktur eingepreist, die seit Anfang Oktober durch die russischen Luftangriffe verursacht werden.
Doch die Welle der Hilfsbereitschaft in den westlichen Industriestaaten ist groß. Nach Berechnungen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) erhielt die Ukraine bis zum 20. November 2022 Hilfszusagen in Höhe von 113 Milliarden Euro. Die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten haben 52 Milliarden Euro an Hilfen zugesagt. Damit überholen sie erstmals die Hilfszusagen der USA, die bei insgesamt 48 Milliarden Euro liegen. Christoph Trebesch, der Leiter des Teams, das den Ukraine Support Tracker erstellt, hofft nun, "dass die zugesagte Unterstützung schnell in der Ukraine ankommt, ohne monatelange Verzögerungen wie bei den letzten Hilfspaketen".
Deutschland ist innerhalb Europas zum größten Geber aufgestiegen. Zusammen mit den Zusagen, die über die EU gemacht wurden, steht die Bundesrepublik für Unterstützung im Wert von 12,6 Milliarden Euro. Estland und Lettland sind allerdings Spitzenreiter gemessen an ihrer Wirtschaftskraft. Sie haben schon etwa 1 Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes (BIP) für das Land zugesagt. Das ist in dieser Relation fast zehnmal so viel wie die deutschen Finanzhilfen.
Bei sinkenden Steuereinnahmen und höheren Staatsausgaben reißt der Krieg ein riesiges Loch in den ukrainischen Staatshaushalt. Finanzminister Serhij Martschenko kalkuliert für 2023 mit einem Haushaltsdefizit von 20,6 Prozent des BIP. Gleichzeitig hofft die Regierung im nächsten Jahr auf rund 38 Milliarden US$ von internationalen Partnern, wie den USA, der EU und dem Internationalen Währungsfonds.
Dabei warten noch einige Gelder auf eine Überweisung an den ukrainischen Staatshaushalt: Allein die zugesagten und noch nicht ausgezahlten Budgethilfen belaufen sich laut dem IfW Kiel auf 30,9 Milliarden Euro (Stand: 20. November 2022). Bei einem virtuellen Treffen am 12. Dezember 2022 vereinbarten die G7-Staaten, sich bei den Budgethilfen für das Jahr 2023 um einen gemeinsamen Ansatz zu bemühen. Eine wichtige Rolle soll dabei der Internationale Währungsfonds (IWF) spielen.
Der Rat der Europäischen Union hat am 10. Dezember 2022 den Weg frei gemacht für eine finanzielle Unterstützung der Ukraine in Höhe von 18 Milliarden Euro. Die Gelder werden als zinsgünstige Kredite vergeben, die Rückzahlungsfrist soll nach 10 Jahren starten. Für die Rückzahlung hat die Ukraine dann 35 Jahre Zeit. Am 12. Dezember 2022 ließ auch Ungarn sein Veto gegen das Hilfspaket fallen.
Die Finanzhilfen dienen dem ukrainischen Staat dazu, weiter Löhne und Renten auszahlen zu können. Zudem soll der Betrieb von Krankenhäusern, Schulen und Notunterkünften für Binnenflüchtlinge garantiert werden. Darüber hinaus fließt das Geld in die Wiederherstellung der kritischen Infrastruktur. Mitte Mai 2022 hatte die EU bereits eine zusätzliche Makrofinanzhilfe in Höhe von 9 Milliarden Euro zugesagt, von der bisher über die Auszahlung von 6 Milliarden Euro entschieden wurde.
Die USA haben drei große Hilfspakete für die Ukraine auf den Weg gebracht, das letzte kam im September 2022 dazu. Laut IfW Kiel sind einige vom Kongress freigegebene Mittel zwischenzeitlich ungenutzt verfallen, da das Haushaltsjahr 2022 abgelaufen ist. Am 15. November 2022 bat Präsident Joe Biden den US-Kongress um die Annahme eines neuen Hilfspakets in Höhe von 37,7 Milliarden US$. Davon sind 14,5 Milliarden US$ als humanitäre und Budgethilfe vorgesehen.
Laut Bundesfinanzministerium hat Deutschland hat am 14. September 2022 mit der ukrainischen Regierung und anderen staatlichen Gläubigern ein Memorandum of Understanding zur koordinierten Schuldendienstaussetzung beschlossen. Dadurch werden die Zahlungsverpflichtungen der Ukraine bis Ende 2023 ausgesetzt. Kiew erhält damit zusätzlichen Liquiditätsspielraum. Die Entscheidung war die Antwort auf eine entsprechende Bitte der ukrainischen Regierung. Die bilaterale Gläubigergruppe besteht neben Deutschland aus Frankreich, dem Vereinigten Königreich, Japan, Kanada und den USA. |
Die Finanzzusagen einzelner Länder fließen teilweise in die Budgets multilateraler Geber, die sich ebenfalls um die Stärkung der Ukraine kümmern. So will die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) der ukrainischen Wirtschaft 2022 und 2023 mit bis zu 3 Milliarden Euro unter die Arme greifen. Die Gelder dienen unter anderem dazu, ukrainische Unternehmen mit Liquidität auszustatten. EBRD-Kredite erhalten beispielsweise die ukrainische Bahn Ukrzaliznytsya, der Arzneimittelhersteller Farmak, das Gasunternehmen Naftogaz und der Netzbetreiber Ukrenergo.
Ebenfalls sehr aktiv in der Ukrainehilfe ist die Weltbank. Sie hat fast 18 Milliarden US$ an Notfinanzierungen für die Ukraine mobilisiert, von denen 11 Milliarden US$ vollständig überwiesen wurden. In der Summe sind Hilfszahlungen von den Regierungen unterschiedlicher Geberländer enthalten. Das Geld der Weltbank verwendet die ukrainische Regierung unter anderem, um weiter wichtige staatliche Dienstleistungen erbringen zu können.
Die Europäische Investitionsbank (EIB) hatte gleich nach Kriegsausbruch 668 Millionen Euro Soforthilfe für Kiew zugesagt, damit Zahlungsverpflichtungen erfüllt werden können. Ein zweites Hilfspaket in Höhe von 1,59 Milliarden Euro schnürte die Bank im Juli 2022; davon wurden 2022 1,05 Milliarden Euro bis Oktober 2022 ausgezahlt.
Neben den Finanzhilfen steht derzeit vor allem die akute Winterhilfe auf dem Plan. Zahlreiche internationale Geber unterstützen die Ukraine beim Wiederaufbau der Energie- und Wasserinfrastruktur, die von den massiven russischen Luftangriffen beschädigt wurde. Auf einer internationalen Geberkonferenz in Paris wurden der Ukraine hierfür 1 Milliarde Euro an Spenden und Sachmitteln zugesagt. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock hat angekündigt, weitere 50 Millionen Euro an Winterhilfe bereitzustellen. Germany Trade & Invest informiert über die Hilfs- und Spendenaufrufe der deutschen Seite.