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Wirtschaftsumfeld | Ukraine | Finanzierung

London setzt weiteren Meilenstein für Wiederaufbau der Ukraine

Der Westen untermauert seine Unterstützung für das kriegszerstörte Land. Im Fokus stehen dabei private Unternehmen. Allerdings muss die Ukraine ihre Rahmenbedingungen verbessern.

Von Hans-Jürgen Wittmann | Berlin

Wie können Wiederaufbau und Modernisierung der Ukraine unter dem Schlagwort "build back better" gelingen? Wie kann die Privatwirtschaft stärker eingebunden werden? Welche Hürden muss die Ukraine dafür überwinden? Diese Fragen diskutierten Anfang Juli 2023 rund 200 Vertreter von Unternehmen, Verbänden, Nichtregierungsorganisationen (NGO) und Zivilgesellschaft in einer digitalen Nachbesprechung der Wiederaufbaukonferenz von London. Das Follow-up organisierten die Plattform Wiederaufbau Ukraine und der Ostausschuss der Deutschen Wirtschaft.

Fazilität sichert mittelfristige finanzielle Unterstützung der EU

Westliche Geber mobilisieren neue Finanzmittel für die Ukraine. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen stellte in London eine Ukraine-Fazilität vor, die erstmals eine mittelfristige Finanzplanung ermöglicht. Das Instrument soll zwischen 2024 und 2027 rund 50 Milliarden Euro für Nothilfe- und Unterstützungszahlungen sowie für den Wiederaufbau bereitstellen. Für die EU-Mitgliedsstaaten soll es dazu möglich werden, Investitionen mittels Rückversicherungen in dem osteuropäischen Land abzusichern. Zudem arbeitet die EU an einer rechtssicheren Lösung, um eingefrorene russische Vermögen zum Wiederaufbau heranziehen zu können.

Der Finanzierungsbedarf der Ukraine liegt nach Schätzungen der Weltbank bei rund 411 Milliarden US-Dollar. Noch nicht hineingerechnet in diese Summe sind die Folgekosten durch die Zerstörung des Kachowka-Staudamms und die Überflutung landwirtschaftlicher Nutzflächen im Gebiet Cherson. Zudem gibt es keine verlässlichen Informationen zum Finanzbedarf in den aktuell noch russisch besetzten Gebieten.

Doch staatliche Mittel alleine werden nicht ausreichen, um die Wiederaufbaukosten in Milliardenhöhe zu decken und die Wirtschaft in Schwung zu bringen. Erfahrungsgemäß ist es das Engagement privater Unternehmen, das die Produktion ankurbelt, Arbeitsplätze schafft und Steuereinnahmen generiert. 

Ukraine ringt um verbesserte Standortfaktoren

Damit private Unternehmen in den ukrainischen Markt investieren, müssen die Rahmenbedingungen stimmen. Neben einem tragfähigen Business-Case weisen westliche Investoren vor allem auf eine stabilere Sicherheitslage für ihre Mitarbeiter hin. Nicht zuletzt muss die Ukraine ein faires Wettbewerbsumfeld schaffen. Dazu gehören transparente Vergabeverfahren, Bürokratieabbau und ein noch stärkeres Vorgehen gegen Korruption. Zwar bestätigten die 200 Teilnehmer der Nachbesprechung der Ukraine in allen Bereichen enorme Fortschritte. Doch müssten diese noch ausgebaut werden.

Nationale Plattform für Wiederaufbauprojekte DREAM

Die ukrainische Regierung gründete vor rund einem halben Jahr eine staatliche Agentur für Wiederaufbau und Infrastrukturentwicklung. Mustafa Nayyem, der Leiter dieser Agentur, stellte den Anwesenden deren Prioritäten und digitale Instrumente vor.

Im Zentrum steht die Plattform "Digital Restoration Ecosystem for Accountable Management" (DREAM). Dieses digitale Ökosystem gibt einen transparenten Überblick über aktuelle Wiederaufbauprojekte, technische Anforderungen und Kontaktpersonen. Es bietet interessierten Unternehmen einen gleichberechtigten und transparenten Zugang zu allen Informationen. Über ein integriertes Geo-Lokationssystem werden kriegsbedingte Schäden digital abgebildet. Ohne Umweg über die Hauptstadt können Kommunen über die Plattform Projektinformationen direkt veröffentlichen. Mehr als 10.000 Gemeinden sollen sich landesweit beteiligen. Geplant ist, das digitale Ökosystem auch zur zentralen Plattform für Ausschreibungen von Wiederaufbauprojekten weiterzuentwickeln.

Ziel der DREAM-Plattform ist es zudem, nicht die Fehler aus der Vergangenheit zu wiederholen. Vor Kriegsbeginn liefen Vergabeverfahren häufig intransparent und ineffizient ab. Kopfzerbrechen bereiten Mustafa Nayyem aktuell die langwierigen Zuschlagsphasen für Projekte, die sich über mehrere Monate hinziehen. Er mahnte daher schnellere und einfachere Entscheidungsprozesse an. Zudem fehle oftmals die Zeit und die Expertise, um sich europäische Standards anzueignen.

Öffentlich-private Partnerschaften sollen Infrastrukturbau ankurbeln

Bei der Umsetzung der Wiederaufbauprojekte setzt die ukrainische Regierung vor allem auf öffentlich-private-Partnerschaften (PPP). Im Fokus steht vor allem der Infrastrukturbau. Für bestimmte Projekte zur Wiederherstellung von Straßen- und Schieneninfrastruktur, Seehäfen oder Grenzkontrollpunkten werden bereits Machbarkeitsstudien erstellt. Erste private Unternehmen bekunden konkretes Interesse.

Doch für PPP-Projekte fehlt in der Ukraine noch ein gesetzlicher Rahmen. Zudem verfügen lokale Behörden meist nicht über genügend Know-how, Visionen und Kapazitäten, um Projekte alleine zu stemmen. Außerdem ist noch nicht klar, wie die Mittel priorisiert, umgesetzt und deren Verwendung kontrolliert werden sollen.

EBRD will privaten Versicherungsmarkt wiederbeleben

Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) kündigte an, ein Instrument zu entwickeln, um den privaten Versicherungsmarkt der Ukraine wieder zu stärken. Im Fokus stehen vor allem Transportversicherungen. Der deutsche Exportkreditversicherer Euler Hermes will zudem die Warenkreditversicherung vereinfachen. Zudem sichert Euler Hermes neue Investitionen in der Ukraine gegen politische und Kriegsrisiken ab. Diese Maßnahmen sollen den Handel zwischen der EU und der Ukraine weiter stärken.

Arbeit und Wohnraum als Anreiz für Geflüchtete zur Rückkehr

Den Wiederaufbau des Landes stemmen sollen auch die rund 6 Millionen Geflüchteten, die nach Kriegsende wieder in ihre Heimat zurückkehren sollen. Wichtigste Voraussetzung für sie ist die Schaffung von Wohnraum, Sicherheit und Arbeitsplätzen. In den kommenden zehn Jahren müsse das Land 4,5 Millionen zusätzliche Arbeitskräfte auf den Arbeitsmarkt bringen, um sich wirtschaftlich zu erholen, meldet das Wirtschaftsministerium. Alleine in Deutschland hielten sich im Juni 2023 rund 1,1 Millionen Geflüchtete aus der Ukraine auf.

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