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Metallverarbeitung: Laser, schneiden aus Metall | © GettyImages/prescott09

Special | Ungarn | Beschaffung

Ungarn bietet sich als Beschaffungsmarkt für Metallprodukte an

Ungarns Metallverarbeitung verfügt über beachtliche Kapazitäten und ist erfahren in der Auftragsfertigung für Kunden im Ausland. Das Potenzial ist noch nicht ausgeschöpft.

Von Waldemar Lichter | Budapest

Ungarn ist nicht nur ein wichtiger Absatzmarkt und ein attraktiver Produktionsstandort für zahlreiche deutsche Unternehmen. Das Land im Herzen Europas gewinnt auch als Beschaffungsquelle für Komponenten, Halb- und Vorprodukte immer mehr an Bedeutung. Zahlreiche ungarische Unternehmen sind schon jetzt fester Bestandteil der Beschaffungsstrukturen und Lieferketten deutscher Unternehmen.

Deutschland kauft immer mehr in Ungarn ein

Die bilaterale Handelsstatistik spiegelt das wider: Ungarns Exporte nach Deutschland erreichten 2022 mit 33,4 Milliarden Euro einen neuen Rekord. Deutschland kauft damit in Ungarn doppelt so viel ein wie noch 2010. Der größte Teil der Lieferungen aus Ungarn entfällt auf Straßenfahrzeuge, einschließlich der großen Untergruppe Kfz-Teile und Zubehör (SITC 78; 2021: rund 16 Prozent), auf elektrische Maschinen, Geräte und deren Teile (SITC 77; 15,2 Prozent), Geräte für die Nachrichtentechnik (SITC 76; 9 Prozent), Kraftmaschinen und Kraftmaschinenausrüstungen (SITC 71; 6,6 Prozent).

Metallwaren (SITC 69) machten 2022 laut Eurostat nur rund 2,9 Prozent der gesamten ungarischen Ausfuhren nach Deutschland aus. Doch das ist nur die "halbe Wahrheit". Denn der tatsächliche Umfang der ungarischen Lieferungen von Metallerzeugnissen, -komponenten und -teilen nach Deutschland kann nicht vollständig erfasst werden. Diese werden statistisch in anderen Warengruppen (beispielsweise bei Kfz-Teilen oder Maschinen) erfasst.

Exporte der ungarischen Metallindustrie stark gestiegen

Bemerkenswert ist jedoch, wie stark die ungarischen Exporte von Metallerzeugnissen in den vergangenen Jahren zugenommen haben - auch nach Deutschland. Die Ausfuhren von Produkten der Metallerzeugung und -bearbeitung (NACE 24 - nach der europäischen Klassifizierung von Wirtschaftszweigen) legten nach Angaben von Eurostat zwischen 2012 und 2022 von rund 2,1 Milliarden auf 3,1 Milliarden Euro zu. Auf Exporte nach Deutschland entfielen dabei 490 Millionen beziehungsweise 658 Millionen Euro.

Noch stärker stiegen die gesamten Exporte von Metallerzeugnissen (NACE 25). Diese nahmen zwischen 2012 und 2022 von 1,8 Milliarden auf 3,2 Milliarden Euro um 72,6 Prozent zu. Ähnlich stark (um 72,2 Prozent) legten im selben Zeitraum deren Ausfuhren nach Deutschland zu.

Ungarische Exporte von Metallerzeugnissen (in Millionen Euro)

Produktgruppe (NACE)

2012

2012

2022

2022

insgesamt

Deutschland

insgesamt

Deutschland

24 Metallerzeugung und -bearbeitung

2.052

490

3.057

658

24.1 Erzeugung von Roheisen, Stahl und Ferrolegierungen

915

138

1.304

199

24.2 Herstellung von Stahlrohren, Rohrform-, Rohrverschluss- und Rohrverbindungsstücken aus Stahl

145

58

171

59

24.3 Sonstige erste Bearbeitung von Eisen und Stahl

75

13

269

92

24.4 Erzeugung und erste Bearbeitung von NE-Metallen

912

280

1.307

307

24.5 Gießereidienstleistungen

5

2

6

0

25 Herstellung von Metallerzeugnissen

1.830

602

3.159

1.038

25.1 Stahl- und Leichtmetallbau

362

116

512

173

25.2 Herstellung von Metalltanks und -behältern; Herstellung von Heizkörpern und –kesseln für Zentralheizungen

119

38

175

76

25.3 Herstellung von Dampfkesseln (ohne Zentralheizungskesseln)

8

5

12

5

25.7 Herstellung von Schneidwaren, Werkzeugen, Schlössern und Beschlägen aus unedlen Metallen

351

128

512

181

25.9 Herstellung von sonstigen Metallwaren

949

310

1.735

569

Quelle: Eurostat 2023

Potenzial noch nicht ausgeschöpft

Ungeachtet der beträchtlichen Volumina und Steigerungsraten - es gibt viel Potenzial für noch höhere Lieferungen und mehr Kooperationen zwischen deutschen und ungarischen Unternehmen. "Wir beobachten bei uns seit zwei Jahren eine starke Zunahme von Anfragen aus Deutschland", berichtet Ilona Balogh, die bei der Deutsch-Ungarischen Industrie- und Handelskammer (AHK Ungarn) den Bereich Marktberatung leitet. Deutsche Unternehmen suchen nach ihren Aussagen verstärkt nach neuen Lieferanten von Metallerzeugnissen, um neue, zuverlässige Lieferketten aufzubauen.

Die AHK Ungarn sucht dabei in ihrem detaillierten Datenpool gezielt nach ungarischen Unternehmen, die Mengen- und Qualitätsanforderungen ihrer potenziellen deutschen Kunden erfüllen könnten. Bei der Produktqualität stimmt es meistens, so Baloghs Erfahrungen. Schwieriger werde es dagegen bei der Frage, ob die Unternehmen auch die gefragten Mengen liefern könnten.

Inzwischen verschieben sich die Anfragen auch auf anspruchsvollere Anliegen. Deutsche Unternehmen interessieren sich zunehmend dafür, leistungsfähige ungarische Unternehmen aus der Branche direkt zu übernehmen, um dann vor Ort in Ungarn zu produzieren. "Nun sind wir immer mehr damit beschäftigt, geeignete ungarische Firmen für solche Wünsche zu identifizieren", sagt Balogh. Der Grund dafür: Nach der Coronakrise hätten viele deutsche Unternehmen damit angefangen, ihre bestehenden Lieferketten zu überdenken und ihre Partner und Standorte näher in Europa zu suchen.

Sourcingquelle vor der Haustür

Ungarn profitiere von diesem Trend und wäre dafür bestens geeignet - wegen der Nähe zu Deutschland, der langen industriellen Tradition und der immer noch vergleichsweise günstigen Produktionskosten. Ungarische Unternehmen bieten sich als Sourcingquelle für Metallprodukte sowie als Partner für die Auftragsfertigung an. Schließlich gehört die metallerzeugende und -verarbeitende Industrie zu den wichtigsten Zweigen des ungarischen verarbeitenden Gewerbes.

Nach Angaben des ungarischen Statistikamtes KSH belief sich der Produktionswert der ungarischen Metall- und metallverarbeitenden Industrie 2022 auf 10,7 Milliarden Euro - das entspricht einem Anteil von 5,8 Prozent an der gesamten Produktion des verarbeitenden Gewerbes. Der größte Teil der Umsätze wird dabei im Export erzielt.

In der Branche dominieren kleinere und mittelgroße Unternehmen. Im Bereich Herstellung von sonstigen Metallwaren (unter anderem Fässer und Behälter, Drahterzeugnisse, Schrauben) waren 2020 insgesamt 9.585 Firmen tätig. Mehr als 83 Prozent von ihnen hatten nur bis zu 9 Beschäftigte. Ähnlich sieht es in anderen Sparten aus.

Automobilindustrie ist wichtigster Abnehmer

Zu den mit Abstand wichtigsten Kunden der ungarischen Metallindustrie gehört die Automobilindustrie. Abnehmer sind die in Ungarn produzierenden Autokonzerne, aber auch zahlreiche internationale Automobilzulieferer wie Bosch, Schaeffler, Continental und andere Firmen. Automobil- und Zulieferunternehmen sind auch für Gießereien von Bedeutung. Sie alle liefern nicht nur an die ungarischen Werke der Autokonzerne direkt, sondern auch an deren Zentralen im Ausland. Die Kapazitäten gelten in großen Teilen als ausgelastet.

Die ungarische Metallindustrie versorgt außerdem Kunden aus der Bauindustrie, etwa mit Stahlkonstruktionen. Zu den Abnehmerbranchen im In- und Ausland gehören ferner der Maschinenbau (Komponenten und Maschinenteile), die Elektronikindustrie und die Luft- und Raumfahrt. Es sind zwar Industriezweige mit einem geringeren Gewicht in Ungarn. Doch auch hier sorgen vor allem  ausländische Unternehmen, die direkt in Ungarn fertigen, für Nachfrage nach Metallkomponenten.

Ein bedeutendes ungarisches Branchenunternehmen, das neben der Automobilindustrie auch Kunden aus anderen Branchen bedient, ist Titán '94 Kft. (Budapest; Lőrinci). Die Firma macht 85 Prozent ihres Umsatzes mit Karosseriepressteilen unter anderem für Audi, Mercedes, Suzuki, BMW und Kirchhoff. Kunden sind aber beispielsweise auch Gabelstapler- oder Baugerätehersteller (Seitenwände, Blechteile für Betonmischtrommeln etc.). Titán '94 bietet je nach Kundenwunsch auch die Konstruktion und Anfertigung von Werkzeugen an. Um sich hier auch Zukunft gut zu behaupten, investiert das Unternehmen in die Fachausbildung für Werkzeugmacher.

Einige Unternehmen bieten Dienstleistungen an, die komplexer sind und über die schlichte Auftragsfertigung von Metallteilen und Komponenten hinausgehen. So spezialisiert sich der Anbieter von Präzisionsfertigung Savaria Ipartechnika (Gencsapáti/Westungarn) auf die Entwicklung und Sonderfertigung von Maschinen und Anlagen. Daneben werden Prototypteile, etwa für die Automobilindustrie, und Eisenbahnkomponenten produziert. Geliefert wird auch an Kunden in Deutschland, größtenteils jedoch an ungarische Abnehmer.

Umsätze der ungarischen Metallindustrie nach wichtigsten Sparten (nach NACE-Klassifikation)

Inlandsumsatz

Exportumsatz

Umsatz insgesamt

24 Metallerzeugung und -bearbeitung

1.029

2.859

3.889

24.1 Erzeugung von Roheisen, Stahl und Ferrolegierungen

305

661

967

24.2 Herstellung von Stahlrohren, Rohrform-, Rohrverschluss- und Rohrverbindungsstücken aus Stahl

40

10

50

24.3 Sonstige erste Bearbeitung von Eisen und Stahl

144

567

711

24.4 Erzeugung und erste Bearbeitung von NE-Metallen

379

1.018

1.397

24.5 Gießereien

161

602

763

25 Herstellung von Metallerzeugnissen

3.840

2.934

6.774

25.6 Oberflächenveredlung und Wärmebehandlung; Mechanik a. n. g.

1.693

646

2.339

25.9 Herstellung von sonstigen Metallwaren

544

670

1.214

Quelle: Zentrales Statistikbüro Ungarns KSH 2023

Kontaktadressen

Bezeichnung

Anmerkung

AHK Ungarn

Ermittlung relevanter ungarischer Unternehmen und Kontaktvermittlung 

Magyar Öntészeti Szövetség

Ungarischer Gießereiverband; Datenbank über Mitgliedsunternehmen, ihre Produktpalette und Kapazitäten

MACH-TECH (Industry days)

Internationale Fachausstellung für Maschinenbautechnologie - Schwerpunkt: Metallbe- und -verarbeitung, Schweißtechnik; nächster Termin: Mai 2025

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