Special | Westbalkan | Beschaffung von Metallteilen
Westbalkan festigt Position als Beschaffungsmarkt für Metallwaren
Metallverarbeitende Betriebe in Serbien und Bosnien und Herzegowina stehen bei deutschen Einkäufern hoch im Kurs. Derzeit bremst die Konjunkturflaute die Nachfrage nach Eisenwaren.
13.11.2025
Von Hans-Jürgen Wittmann | Belgrad
- Vorhandene Produktionsverfahren ermöglichen hochwertige Metallbearbeitung
- Lieferanten überzeugen mit Kapazitäten und Entwicklungsbereitschaft
- Lokale Lieferanten verbessern ihr Qualitätsmanagement
- Industriecluster bieten sich für Beschaffungsvorhaben an
- Neue PEM-Regeln vereinfachen Beschaffung aus Westbalkanländern
- Pluspunkte: Einfache Logistik und kurze Lieferzeiten
- Made in Germany konkurriert bei Ausrüstung mit China
Vor allem Serbien sowie Bosnien und Herzegowina bieten ein breites Spektrum an Kapazitäten für die Metallbearbeitung. Die Region überzeugt durch ihre geografische Nähe nach Deutschland und - trotz steigender Löhne - immer noch wettbewerbsfähigen Arbeitskosten. Das Freihandelsabkommen mit der EU ermöglicht die Einfuhr zahlreicher Metallwaren mit einem Nullzollsatz. Aktuell hinterlässt die konjunkturelle Flaute in Deutschland bei den Einfuhrzahlen ihre Spuren.
Vorhandene Produktionsverfahren ermöglichen hochwertige Metallbearbeitung
Die Mehrzahl serbischer und bosnisch-herzegowinischer Metallbearbeiter beziehen Werkzeuge oder Formen aus Deutschland, Italien, Slowenien oder Kroatien. Das Spektrum der gängigen Produktionsverfahren in beiden Ländern erstreckt sich von Blechteilen, Stanzkomponenten, CNC-bearbeiteten Teilen, Metall- und Schweißbaugruppen über Strukturrahmen und kleinen Gussteilen vor allem für die Kfz-Zulieferindustrie und den Maschinenbau. Bearbeitet werden in der Regel kleine bis mittlere Serien. Begrenzt verfügbar sind Maschinen für Hochpräzisionsarbeiten, sowie automatisierte Linien für komplexere Formen und höhere Stückzahlen.
Vorhandene technische Kapazitäten zur Verarbeitung von Metall im Westbalkan
- Biegen
- Bohren
- Drehen
- (Aluminium-)Extrusion
- (CNC-)Fräsen
- Guss- und Schmiedeteilen
- Oberflächenbehandlung (Pulverbeschichtung, Verzinkung)
- Pressen
- Sandstrahlen
- Stanzen
- (Plasma-)Schneiden
- Schweißen
- Wärmebehandlung
- Zerspanen
Lieferanten überzeugen mit Kapazitäten und Entwicklungsbereitschaft
Der typische metallbearbeitende Betrieb und Serbien und Bosnien und Herzegowina ist ein kleines, meist familiengeführtes Unternehmen mit 10 bis 100 Mitarbeitern. Er zeichnet sich durch hohe Flexibilität, niedrige Mindestbestellmengen, sowie die vorhandene Bereitschaft zur Herstellung von Prototypen und Kleinserien aus. Eine geringere Automatisierung der Produktion, variable Qualitätssicherungssysteme sowie fehlende erweiterte Zertifizierungen sind hingegen Nachteile dieses Geschäftsmodells.
Mittelgroße Betriebe mit bis zu 500 Mitarbeitern überzeugen mit einem höheren Automatisierungsgrad in der Fertigung, besserer Qualitätssicherung, sowie vorhandener Erfahrung im Umgang mit Kunden aus der EU. Doch auch sie können die Kapazität für eine Skalierung nur eingeschränkt erhöhen.
Großbetriebe beliefern in der Regel Tier-1 oder Tier-2-Lieferanten in der Kfz-Industrie. Sie zeichnen sich durch einen hohen Automatisierungsgrad, eine formalisierte Qualitätssicherung und -kontrolle, sowie langjährige Erfahrung mit europäischen OEM aus.
Lokale Lieferanten verbessern ihr Qualitätsmanagement
Kleine und mittelständische Betriebe aus Serbien sowie Bosnien und Herzegowina sind sehr interessiert daran, in die Lieferketten deutscher Unternehmen integriert zu werden. Entsprechend hoch ist die Bereitschaft, von dem Kunden zu lernen und sich mit ihm weiterzuentwickeln. Nahezu alle metallverarbeitenden Betriebe in der Region, die ihre Produkte in die EU exportieren, verfügen über ein ISO 9001-Zertifikat zum Qualitätsmanagement. Für Lieferanten von Fahrgestellteilen oder Halterungen aus Metall für die Kfz-Industrie ist IATF 16949 der Standard. Für Bauelemente und Kabelsätze sind EN-/CE-Normen sowie Prüfzertifikate hinsichtlich mechanischer und Korrosionsbeständigkeit erforderlich.
Deutsche Einkäufer sollten ihre Partner auf "Herz und Nieren" prüfen, eine Bemusterung durchführen, Zertifikate, Härte- sowie Schweißverfahrensprüfungen (WPS/PQR) und Erstmusterprüfungen (FAI) anfordern sowie eine Wareneingangskontrolle (PPAP) durchführen. Zur Diversifizierung der Bezugsquellen ist es ratsam, mindestens einen Ersatzlieferanten mit validierten Teilen im Lieferanten-Portfolio zu haben.
Industriecluster bieten sich für Beschaffungsvorhaben an
Serbien und Bosnien und Herzegowina verfügen über etablierte Fertigungscluster zur Verarbeitung von Metall. Serbiens wichtigste Zentren sind Kragujevac, Niš, Šabac sowie Novi Sad. Die Aktivitäten Bosnien und Herzegowinas konzentrieren sich auf Zenica, Široki Brijeg, Posušje und Industriegebiete rund um Sarajevo.
Kragujevac ist traditionell das Herz der serbischen Automobilindustrie. Dort ist der OEM Stellantis mit seiner FIAT-Produktion angesiedelt. Metallbetriebe in der südserbischen Stadt Niš konzentrieren sich auf die Bearbeitung und Montage von Kabelbäumen. Šabac ist ein Zentrum zum Stanzen von Metallteilen für Fahrzeugbaugruppen. Novi Sad beheimatet zahlreiche Kfz-Zulieferbetriebe, die Metallteile endbearbeiten und verbauen.
Die zentralbosnische Stadt Zenica ist ein langjähriges Zentrum zur Stahlerzeugung und Metallverarbeitung. In Široki Brijeg und Posušje werden Metallteile für die Fertigung von Kabeln und Elektronik produziert.
Neue PEM-Regeln vereinfachen Beschaffung aus Westbalkanländern
Die am 1. Januar 2025 in Kraft getretenen überarbeiteten Ursprungsregeln des Pan-Europa-Mittelmeer-Übereinkommens (PEM) erleichtern die Ausstellung des Ursprungszertifikats für Produkte aus dem Westbalkan. Diese Maßnahme vereinfacht die Feststellung des präferenziellen Ursprungs für länderübergreifende Produktionsketten. Dies ist besonders wichtig, wenn Komponenten in zwei oder mehr Westbalkanländern hergestellt werden oder wenn Vorleistungen aus der EU stammen, in einem Westbalkanland in erheblichem Umfang weiter verarbeitet und zum Endkunden zurück in die EU geschickt werden.
Pluspunkte: Einfache Logistik und kurze Lieferzeiten
Die geografische Nähe prädestiniert Serbien und Bosnien und Herzegowina als Lieferländer für Metallwaren. Die typische Lieferzeit für Prototypen beträgt zwischen sechs und zwölf Wochen. Für Kleinserien ist mit vier bis acht Wochen zu rechnen. Bei Großserien ist die Lieferzeit individuell und abhängig vom Auftragsvolumen.
Der Transport erfolgt üblicherweise per Lkw über Ungarn oder Kroatien und Slowenien. Der Transit nach Deutschland dauert je nach Logistikdienstleister zwischen zwei und fünf Tagen ab Lager. Dabei sind die Incoterms (EXW oder DAP/FOB) zu beachten.
Bei komplexen, länderübergreifenden Stücklisten sollten Zollspezialisten hinzugezogen werden, um sicherzustellen, dass die erforderlichen Arbeits- und Verarbeitungsschwellenwerte gemäß PEM eingehalten werden.
Made in Germany konkurriert bei Ausrüstung mit China
Deutsche Firmen sind die wichtigsten Abnehmer von Metallprodukten aus Serbien und Bosnien und Herzegowina. Beide Länder exportierten rund ein Fünftel ihrer verarbeiteten Metalle in die Bundesrepublik. Um den steigenden Qualitätsansprüchen ihrer Kunden gerecht zu werden, investieren metallverarbeitende Betriebe aus beiden Ländern in moderne Ausrüstung und setzen dabei gerne auf Maschinen und Anlagen "made in Germany". Sowohl in Serbien, als auch in Bosnien und Herzegowina gehört Deutschland zu den Top-3 der Lieferanten von Metallbearbeitungsmaschinen. Daneben gilt besonders Italien traditionell als starker Konkurrent. Doch vor allem China wird als Wettbewerber immer wichtiger.
Die serbischen Importe von Werkzeugmaschinen (einschließlich Pressen) zum Schmieden, Gesenkschmieden oder Hämmern von Metallen (HS-Code 8462) aus China stiegen zwischen 2019 und 2024 um 670 Prozent auf rund 18,2 Millionen US-Dollar und liegen mittlerweile auf Platz 1, meldet UN Comtrade. Lieferungen aus Deutschland wuchsen im gleichen Zeitraum nur um 0,6 Prozent auf rund 5 Millionen US-Dollar - bei einem mengenmäßigen Rückgang um 16,7 Prozent.
Diese Entwicklung hat mehrere Gründe: Zum Einen die niedrigeren Preise chinesischer Hersteller und zum Anderen die steigenden ausländischen Direktinvestitionen (FDI) aus China. Die FDI aus dem Reich der Mitte beliefen sich von Januar bis Juni 2024 auf 697,9 Millionen Euro. Und chinesische Geldgeber setzen bevorzugt auf heimische Technik.
Checkliste: 10 Praxistipps für die Beschaffung
1: Vorauswahl qualifizierter Lieferanten
2: Angebot und Ursprungsblatt einholen
3: RFQ-Paket anfordern
4: Zertifikate, OTD-Prozentsatz & EU-Referenzen prüfen
5: Due-Diligence-Prüfung durchführen
6: Vertragsklauseln verhandeln
7: Pilotserie und Prototypen bestellen
8: Wareneingangsprüfung durchführen
9: Vertrag inkl. Strafen unterzeichnen
10: Audit und Freigabe
| Bezeichnung | Anmerkungen |
|---|---|
| Germany Trade & Invest | Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft |
Anlaufstelle für deutsche Unternehmen in Serbien | |
| Delegation der Deutschen Wirtschaft in Bosnien und Herzegowina (AHK) | Anlaufstelle für deutsche Unternehmen in Bosnien und Herzegowina |
| Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) | Einschlägiger deutscher Fachverband für die Beschaffung |
| Serbische Wirtschaftskammer | Regionale Wirtschaftskammer mit Brancheninformationen |
| Außenhandelskammer Bosnien und Herzegowinas | Regionale Wirtschaftskammer mit Brancheninformationen |
| West Metal Group | Metallcluster für Westserbien |
| Vojvodina Metal Cluster | Metallcluster für die Region Vojvodina |
| Beogradski Sajam | Messestandort Belgrad |
| Sarajevo Industry Fair | Industriemesse Sarajevo |