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Branche kompakt | USA | Chemische Industrie

Markttrends

Industrie und Wohnungsbau liefern derzeit wenig Impulse. Investitionen in den Klimaschutz dank üppiger Fiskalpakete ziehen dagegen einen Mehrbedarf an Chemieprodukten nach sich.

Von Heiko Steinacher | San Francisco

Nach einem moderaten Wachstum im Jahr 2022 wird die US-Chemie laut dem Branchenverband American Chemistry Council (ACC) 2023 und 2024 einen Gang zurückschalten: Im laufenden Jahr soll der US-Markt für chemische Erzeugnisse um knapp 2 Prozent schrumpfen und 2024 dann nur um gut 1 Prozent wachsen.

-2 %

Die US-Chemie soll 2023 leicht zurückgehen.

"Der pandemiebedingte Aufschwung hat nachgelassen und wir erwarten, dass sich die Verbraucherausgaben weiter abschwächen werden", sagt ACC-Chefökonomin Martha Moore. Ein wichtiger Nachfrager, der Wohnungsbau, wird voraussichtlich an Schwung verlieren: Die Zahl der Baustarts sank 2022 erstmals seit der Immobilienkrise im Jahr 2009. Wurden 2022 noch etwa 1,6 Millionen neue Eigenheime gebaut, dürften es 2023 wegen der stark gestiegenen Hypothekenzinsen 2023 nur noch rund 1,3 Millionen sein.

Auch von der Industrieseite kommen weniger Nachfrageimpulse: Die US-Industrieproduktion soll laut ACC in diesem Jahr um knapp 1 Prozent sinken. Die Probleme in der Lieferkette sind nach wie vor größer als in der Vor-Covid-19-Periode, auch wenn sie sich im 2. Halbjahr 2022 abgeschwächt haben. Vor allem der Schienengüterverkehr kann mit der Nachfrage nicht Schritt halten, während sich der Gütertransport per Seeschiff und Lkw wieder verbessert hat.

Investitionen in die Nachhaltigkeit werden immer wichtiger

Fracking-, Öl- und Gasunternehmen tragen in Zeiten der Energiekrise zur Versorgungssicherheit bei. Trotz der ambitionierten Klimapolitik von Joe Biden dürften Produktion und Nachfrage nach Öl und Gas in den USA in naher Zukunft wieder steigen. Allerdings wird weniger in neue Bohrungen investiert, und die Ausgabenschwerpunkte verlagern sich auf umweltfreundlichere, elektrische Antriebssysteme und Fracking-Ausrüstungen sowie auf Technologien zur Kohlenstoffspeicherung.

Grüne Energiequellen werden auch für die chemische Industrie immer wichtiger. "Technologische Interessen liegen in den Bereichen Geothermie, Wasserstoff und Biokraftstoffe", sagt Daniel Yergin, Energieexperte und Vizepräsident des US-Finanzdienstleisters S&P Global. Der Anteil der Investitionen in die Nachhaltigkeit am gesamten Investitionsbudget wächst bei Chemieunternehmen generell, stellt der ACC fest.

Das Klima- und Energiepaket sieht im Rahmen des sogenannten Inflation Reduction Act (kurz: IRA) Anreize für Investoren und Entwickler vor, die CO₂-Emissionen abscheiden und speichern. Einige Stahl- und Zementhersteller, Raffinerien, Stromerzeuger und Unternehmen aus anderen schwer zu dekarbonisierenden Sektoren haben bereits darauf reagiert und Investitionen angekündigt.

Längerfristig bleiben die Perspektiven gut

Der IRA umfasst insgesamt etwa 430 Milliarden US-Dollar (US$), davon sollen 370 Milliarden US$ in den Ausbau erneuerbarer Energien fließen. Das wird in vielen Bereichen auch eine höhere Nachfrage nach Chemieprodukten auslösen.

Käufer von Elektroautos – vor allem mit hohem US-Wertschöpfungsanteil - können durch den IRA Steuergutschriften erhalten. Autobauer rüsten daher auf E-Modelle um und errichten neue Werke. Batterieproduzenten ziehen in ihrer Nähe neue Fabriken hoch. Der E-Auto-Boom kurbelt unter anderem die Nachfrage nach Hochleistungskunststoffen für Leichtbaukomponenten an sowie nach Batteriematerialien und neuartigen Reifen mit geringerem Abrieb. Allerdings sind die Local-Content-Anforderungen im Rahmen des IRA bei "sauberen" Fahrzeugen besonders restriktiv - zum Nachteil von Exporteuren (siehe Markets International-Bericht ab Seite 40).

In anderen Bereichen wie Solarenergie-Hardware sind diese Anforderungen weniger streng. Dennoch gilt auch beim Kauf solcher Produkte eine höhere Steuergutschrift, wenn der inländische Wertschöpfungsanteil mindestens 40 Prozent beträgt. Dieser Anteil wird in den nächsten Jahren weiter steigen.

Die US-Tochter von RWE will noch tiefer in das US-Geschäft mit Wind, Solar und Batteriespeichern einsteigen. Auch Siemens Energy kann sich mehr Produktion in den USA vorstellen. Der Geschäftsausbau der US-Niederlassungen deutscher Konzerne dürfte zwar grundsätzlich auch Chancen für deutsche Zulieferer bieten - etwa von Siliziummaterialien und Solarmodulen, diese werden aber aufgrund der immer strengeren Local-Content-Anforderungen in den nächsten Jahren begrenzt bleiben.

Deutsche Konzerne investieren vor allem wegen des billigen Gases

Für die Wasserstoffproduktion enthält der IRA keine Local-Content-Vorschriften, sodass auch Anlagenhersteller und Zulieferer in Europa von der hohen US-Nachfrage in diesem Bereich profitieren könnten. Auch deutsche Unternehmen haben im Zuge der milliardenschweren Förderung neue Vorhaben in den USA angekündigt: So investiert Bosch mehr als 200 Millionen US$ in sein Werk in South Carolina, um dort ab 2026 auch Brennstoffzellen-Stacks für Schwerlast-Lkw zu produzieren.

JERA (Japan) und die deutsche Uniper entwickeln gemeinsam mit ConocoPhillips Projekte für den Export von sauberem Ammoniak von der US-Golfküste aus. Ebenfalls an der Golfküste prüfen BASF und der norwegische Chemiekonzern Yara den Bau einer Großanlage zur Herstellung von sogenanntem blauen Ammoniak, bei dem aus Erdgas Wasserstoff erzeugt und das dabei entstehende CO₂ abgeschieden und gespeichert wird (CCS; Carbon Capture and Storage).

Zwar locken bei solchen CCS-Projekten üppige Fiskalpakete wie der IRA. Doch vor allem die hohen Energiekosten im eigenen Land dürften neben BASF auch andere deutsche Chemiekonzerne wie Lanxess und Evonik zu Neuinvestitionen in den USA veranlassen. Auch der Münchner Chemiekonzern Wacker schließt eine Verlagerung von Investitionsvorhaben in die USA nicht aus. Denn die Produktion seines Polysiliziums, das in der Chip- und Solarbranche gebraucht wird, ist zum einen energieintensiv und wird zum anderen durch den IRA gefördert. Ein weiterer Grund, warum es die deutschen Chemieriesen verstärkt in die USA zieht, ist die Sorge, dass sich China im Zuge der geopolitischen Entwicklungen zu einem unsicheren Standort entwickeln könnte.

Ausgewählte Investitionsprojekte der chemischen Industrie in den USA
Projekt/Akteur

Investitionssumme (in Millionen US$)

Projektstand

Neues Halbleiter-Forschungszentrum, Silicon Valley, Kalifornien/Applied Materials

4.000

Bauabschluss bis 2026 geplant

Neue Lithiumhydroxid-Anlage in McMinn County, Tennessee/Piedmont Lithium

800

Produktionsbeginn voraussichtlich 2026

Neue Produktionsanlage für Graphit-Anodenmaterial/Epsilon Advanced Materials

650

Produktionsbeginn voraussichtlich 2025; Standort noch unbekannt

Neue Fertigungsanlage für Halbleitermaterialien in Colorado Springs, Colorado/Entegris

600

Produktionsbeginn voraussichtlich 2025

Fabrik für Lithiumeisenphosphat (Kathodenmaterial für Batteriezellen) in St. Louis, Missouri/ICL

400

Produktionsbeginn voraussichtlich 2025

Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest 2023

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