Branchen | Vereinigtes Königreich | Bauwirtschaft
Branchenstruktur
Im schwierigen Geschäftsklima steigen die Insolvenzen. Die Branchenriesen schwimmen allerdings gegen den Strom.
10.10.2023
Von Marc Lehnfeld | London
Insolvenzen steigen
Der von steigenden Leitzinsen getriebene Rückgang der Bauvolumen im Hochbau trifft auch die Bauunternehmen selbst sehr stark. Die Insolvenzen steigen. Das Nachrichtenportal Construction News zitiert Informationen von Creditsafe wonach von Januar bis August 2023 fast 250 Baufirmen Insolvenz angemeldet haben und damit 56 Prozent mehr als in der Vorjahresperiode. Zu den bekannten Beispielen gehört die Buckingham Group, deren Zahlungsunfähigkeit dazu führt, dass drei Stadienprojekte und ein Teil der Schienenelektrifizierung nun stillstehen. Das Unternehmen hatte zueltzt einen Jahresumsatz von rund 765 Millionen Euro und 660 Beschäftigte. Als Gründe werden gestiegene Materialkosten, Fachkräftemangel und Planungsverzögerungen in wichtigen Projekten genannt, unter denen ein Großteil der Branche leidet. In Schwierigkeiten geraten aber statt der Großunternehmen vor allem kleinere, spezialisierte Subunternehmen.
Denn die britischen Marktführer fallen mit guten Geschäftszahlen auf. Branchenprimus Balfour Beatty meldet eine Steigerung des Betriebsgewinns mit britischen Aufträgen im 1. Halbjahr 2023 um rund zwei Drittel und erwartet auch im Rest des Jahres dank guter Auftragsbücher im Infrastrukturbau eine positive Geschäftsentwicklung. Steigende Gewinne berichten ebenso die Wettbewerber Morgan Sindall, Kier Group und Keller Group. Möglich ist also eine weitere Konzentration der Branche.
Unternehmen | Baukategorie | Umsatz 2022 in Mio. Euro 1) | Veränderung 2022/2021 in % 2) |
---|---|---|---|
Balfour Beatty Plc 3) | Hoch- und Tiefbau | 10.473 | 8,1 |
Morgan Sindall Group Plc | Hoch- und Tiefbau, Immobiliendienste | 4.236 | 12,4 |
Kier Group Plc 4) | Hoch- und Tiefbau, Immobiliendienste | 3.819 | -2,2 |
Amey UK Limited 5) | Tiefbau | 2.875 | 5,9 |
Mace Group Limited 3), 5) | Hochbau, Consulting | 2.249 | 11,7 |
Wates Group | Hochbau, Immobiliendienste | 2.221 | 16,5 |
Galliford Try Ltd 4) | Hoch- und Tiefbau | 1.451 | 12,4 |
Weitere Informationen bietet dieses Ranking der 100 umsatzstärksten Firmen der britischen Baubranche.
Starke Hochbauausrichtung der Branche
Die Branche ist stark mittelständisch geprägt, denn nur 300 Unternehmen beschäftigen mehr als 250 Beschäftigte beziehungsweise nur 515 Baufirmen erwirtschaften einen Umsatz von mehr 50 Millionen Pfund Sterling. Die Bauwirtschaft im Vereinigten Königreich zählte 2022 laut den aktuellsten Branchendaten des britischen Statistikamts knapp 375.000 Unternehmen und beschäftigte im 2. Quartal 2023 etwa 2,2 Millionen Personen. Der Umsatz der britischen Bauwirtschaft machte 2021 als zuletzt verfügbares statistisches Jahr rund 355 Milliarden Euro aus. Sie ist damit die viertgrößte gewerbliche Branche des Landes nach dem Einzelhandel, dem verarbeitenden Gewerbe und den professionellen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistern.
Den größten Umsatzanteil macht der Hochbau mit 45 Prozent aus, der Tiefbauanteil ist mit 19 Prozent verhältnismäßig gering. Unter den Spezialbauunternehmen, die 36 Prozent des Branchenumsatzes auf sich vereinen, stechen besonders die Elektro- und Klimainstallateure sowie der Rohrleitungsbau (zusammen 16,4 Prozent) hervor. Die Baubranche zählt außerdem rund 41.240 Architekten, die Ende 2022 im britischen Architektenregister eingetragen waren. Davon haben 194 Architekten ihren Sitz in Deutschland. Architekturdienstleistungen erreichten im Vereinigten Königreich 2021 einen Umsatz von umgerechnet 8,4 Milliarden Euro.
Deutschland achtgrößter Investor
Im britischen Bausektor sind auch zahlreiche ausländische Bauunternehmen tätig. Der Wert ausländischen Beteiligungskapitals erreichte 2021 umgerechnet etwa 20,1 Milliarden Euro, davon knapp 72 Prozent aus Europa. Auffällig hoch ist mit fast einem Drittel der Anteil ausländischer Investoren der britischen Kanalinseln als wichtigster Herkunftsregion, Luxemburg folgt als zweitwichtigstes Herkunftsland. Die größten ausländischen Baufirmen sind die schwedische Skanska, der französische Vinci Konzern und das niederländische Unternehmen VolkerWessels.
Eine große Rolle spielen auch ausländische Kapitalgesellschaften, die vor allem an den Branchenriesen beteiligt sind. So weist keines der fünf größten Branchenunternehmen Balfour Beatty, Morgan Sindall, Kier und Keller einen Mehrheitsaktionär auf, sondern eine breit gestreute Anlegerbasis mit Pensionskassen, Investmentgesellschaften und Versicherungen. So ist Allianz Global Investors zu 4 Prozent an der Keller Group beteiligt, während Blackrock mit 8,3 Prozent der größte Anteilseigner bei der Kier Group ist.