Special | Vereinigtes Königreich | Klimaschutzatlas
Klimastrategie: Enormer Handlungsdruck für die Regierung
Die britischen Klimapläne wurden zwar bisher erfolgreich umgesetzt, nun aber gerät die Dekarbonisierung ins Stocken. Auch die nächste Parlamentswahl rückt näher.
04.09.2023
Von Marc Lehnfeld | London
Das Vereinigte Königreich hat seinen Pfad zur Klimaneutralität 2050 bisher sehr erfolgreich verfolgt. Das Land konnte seine wirtschaftliche Entwicklung von den CO2-Emissionen entkoppeln und den Ausstoß von Treibhausgasen deutlich zurückfahren.
Nun verfängt sich die Dekarbonisierung aber in einen politischen Schlingerkurs. Mit seiner Net Zero Strategy gab sich der ehemalige Premierminister Boris Johnson in der Energie- und Klimapolitik ambitioniert, der High Court hingegen kassierte die Strategie als Rechtsbruch, weil unklar blieb, wie die Ziele erreicht würden. Die aktuelle Regierung von Premierminister Rishi Sunak steuerte zwar mit einem Carbon Budget Delivery Plan (CBDP) entgegen, erntete aber im letzten Fortschrittsbericht der Klimawandelkommission (CCC), einem gesetzlich verankerten und respektierten Überwachungsgremium, Ende Juni 2023 weitere Kritik.
Indikator | Vereinigtes Königreich | Deutschland |
---|---|---|
Bevölkerung (in Mio.) | 67,9 | 83,2 |
Ranking des Landes im Climate Change Performance Index (CCPI) 1) | Rang: 11 Punktezahl: 63,07 | Rang: 16 Punktezahl: 61,11 |
Anteil des Landes an den weltweiten Treibhausgasemissionen (in Prozent) | 0,9 | 1,4 |
CO2-Ausstoß gesamt (in Mio. t/Jahr) | 347 | 675 |
CO2-Ausstoß pro Kopf (in t CO2/Kopf und Jahr) | 5,2 | 8,1 |
Emissionsintensität der Wirtschaft (in kg CO2/BIP 2)) | 0,1 | 0,2 |
Energieintensität der Wirtschaft (in MJ 3)/2017 US$ PPP 4)) 5) | 2,3 | 2,76 |
Klimawandelkommission bemängelt Fortschritt
Es mangele an Dringlichkeit im CBDP, kritisiert die CCC. Die Regierung müsse ihren Verpflichtungen treu bleiben und handeln und damit auch wieder zu ihrer verlorenen internationalen Führungsrolle in der Klimapolitik zurückfinden. Das Vertrauen der Kommission in die Erreichbarkeit der Zwischenziele ist gesunken. Um das Ziel einer 68-prozentigen Reduktion der Emissionen von 1990 bis 2030 zu erreichen, müsste die Einspargeschwindigkeit in nur sieben Jahren vervierfacht werden. Besonders kritisch bemerkt die CCC unter anderem die Ausweitung der Erdöl- und Erdgasförderung entgegen der Kommissionsempfehlungen und den Ausbau von Flughäfen.
Andere Maßnahmen sind sehr ambitioniert gesteckt und lösen milliardenschwere Investitionen aus. So setzt die Regierung auf eine Verfünffachung der Kapazitäten von Offshore-Windenergie, einschließlich eines 10-Gigawatt-Kapazitätsziels für die Erzeugung von emissionsarmem Wasserstoff bis 2030 und eines Verkaufsverbots für Benzin- und Diesel-Pkw schon ab 2030 inklusive Produktionsvorgaben für umweltfreundliche Pkw.
Parlamentswahlen rücken langsam in den Fokus
Der Handlungsdruck für die Regierung ist also enorm, denn die nächsten Jahre werden zeigen, ob sich die immer tiefgreifenderen Maßnahmen auch einhalten lassen. Dabei rücken die Parlamentswahlen, die spätestens bis Januar 2025 erfolgen müssen, langsam in den Fokus. Die Labour-Partei hat mit ihrem Parteivorsitzenden Keir Starmer im Juni 2023 eine eigene Klimawandelstrategie vorgelegt, die Energieeffizienz und ein Aus für Gaskraftwerke bis 2030 vorsieht. Die scharfe energie- und klimapolitische Diskussion zeigt, dass die Dekarbonisierung ein wichtiges Thema im Wahlkampf sein wird.