
Special | Vietnam | Produktionsstandorte
China+X-Favorit lockt weiter mit günstigen Kosten
Vietnam hat in den vergangenen Jahren stark von der Diversifizierung globaler Lieferketten profitiert. Zuletzt kommen immer mehr Zulieferer ins Land.
25.06.2025
Von Peter Buerstedde | Hanoi
Vietnam zieht weiter deutsche Investoren an. So ist beispielsweise eine neue Fabrik von Ingun, einem Hersteller von Teilen für Testsysteme für die Elektronikindustrie, fast einsatzbereit. Nach Aussagen von Ralf Ziser, CEO Vietnam, waren auch Thailand und Malaysia in der engeren Wahl. Letztlich habe aber das Angebot für eine bezugsfertige Fabrikhalle in der nordvietnamesischen Provinz Hung Yen am meisten überzeugt. Die meisten deutschen Firmen nutzen inzwischen bezugsfertige Hallen.
Der deutsche Hersteller von Brillenscharnieren OBE geht anders vor: Ein lokales Bauunternehmen errichtet derzeit ein maßgeschneidertes Fabrikgebäude in der zentralvietnamesischen Provinz Nam Dinh. Jährlich kommen circa zehn neue deutsche Fabriken im Land hinzu. Vietnam ist für viele ein Zusatzstandort zu China. Aber zahlreiche deutsche Firmen schaffen sich hier auch ein neues Standbein, um die Wachstumsregion Association of Southeast Asian Nations (ASEAN) zu beliefern.
Investitionstrends: Investitionswelle dank Zulieferindustrien
Insgesamt bewegt sich der Zustrom an Auslandsinvestitionen weiter auf Rekordniveau. Es siedeln sich zunehmend vorgelagerte Zulieferer (Tier 2 und 3) an, vor allem aus China und hauptsächlich aus der Elektronikbranche und der Metallbearbeitung. Viele Industrieparkbetreiber sehen hier eine neue Investitionswelle. Laut Angaben des Ministry of Planning and Investment stiegen die getätigten Auslandsinvestitionen in Vietnam relativ stetig von 17,5 Milliarden US-Dollar im Jahr 2017 auf 25,4 Milliarden US-Dollar in 2024 an.
Auf Basis von Zahlen des Ministry of Industry and Trade zählt die Delegation der deutschen Wirtschaft in Vietnam (AHK) auf deutscher Seite 530 Firmengründungen im Land mit Investitionen von rund 3,6 Milliarden US-Dollar. Deutsche Firmen haben rund 49.000 Jobs geschaffen. Etwa die Hälfte hat sich im Großraum der südvietnamesischen Wirtschaftsmetropole Ho-Chi-Minh-Stadt niedergelassen. Von diesen Firmen haben 109 eine Fabrik in Vietnam errichtet, neben Ho-Chi-Minh-Stadt auch im Wirtschaftskorridor Hanoi-Haiphong im Norden des Landes. Schwerpunktbranchen sind Bekleidung und Textilien, Chemie und Pharma sowie Kfz-Teile, aber auch viele andere. Deutschland ist einer der wichtigsten europäischen Investoren. Das deutsche Engagement verblasst aber gegenüber dem Investitionszustrom aus ostasiatischen Ländern.
Branchenfokus: Elektronik, Bekleidung, Schuhe und Möbel
Seit dem Beitritt Vietnams zur Welthandelsorganisation 2007 sind die Auslandsinvestitionen stark angestiegen. Heute ist Vietnam weltweit einer der wichtigsten Exporteure von Elektronik, Möbeln, Bekleidung und Schuhen. Unternehmen wie Nike, Adidas und Puma beziehen einen hohen Anteil ihrer Schuhe von taiwanischen Herstellern in Vietnam.
In der Elektronik haben vor allem japanische und südkoreanische Unternehmen wie Samsung, LG und Panasonic strategisch ihre Lieferketten nach Vietnam verlegt. Die Firma Samsung allein war 2023 für etwa 17 Prozent der Gesamtexporte des Landes verantwortlich. In den letzten Jahren haben sich zudem Firmen, die Teil der Lieferketten des US-Konzerns Apple sind, in Vietnam angesiedelt, darunter Foxconn, Quanta und Pegatron aus Taiwan sowie Luxshare und Goertek aus China. Die US-Strafzölle auf chinesische Möbel und Solarpaneele haben ab 2018 ebenfalls starke Investitionswellen in Vietnam ausgelöst.
Treiber und Risiken: Abkehr von China
Etliche südkoreanische und japanische Firmen haben Teile ihrer Produktion systematisch und zum Teil mit Förderung ihrer Herkunftsstaaten von China nach Vietnam verlagert. Das Land profitiert dabei von Push-Faktoren in China. Steigende Kosten sowie schlechte Erfahrungen von Firmenvertretern während der Coronakrise spielen eine Rolle. Auch Strafzölle auf chinesische Produkte während der 1. Amtsperiode von US-Präsident Donald Trump haben viele Firmen nach Vietnam getrieben.
Die geografische Lage neben China erlaubt kurze Zulieferwege. Freihandelsabkommen mit wichtigen Handelspartnern in der Region wie China, Japan, Südkorea und der ASEAN sowie mit der EU ermöglichen eine zollfreie Belieferung vieler Auslandsmärkte. Die Lohnkosten für Fabrikarbeiter liegen im Durchschnitt bei etwa der Hälfte der chinesischen.
US-Zollpolitik: Wird Vietnam vom Profiteur zur Zielscheibe?
Angetrieben wird diese Dynamik derzeit noch durch das US-Handelsministerium. Dieses prüft immer stärker, ob Waren für den US-Markt tatsächlich weitgehend in Vietnam gefertigt sind oder ob Importe aus China nur über Vietnam weiterverschifft werden. Gleichzeitig fordern ausländische Abnehmer, vor allem in den USA, immer häufiger von den vietnamesischen Zulieferern, den Anteil chinesischen Inputs zu senken. Dadurch kommen mehr chinesische Hersteller nach Vietnam. Unter den wichtigsten Lieferländern der USA hat Vietnam zwischen 2018 und 2024 am stärksten von den US-amerikanischen Strafzöllen auf chinesische Waren profitiert und seinen Lieferanteil um 2,2 Prozentpunkte ausgebaut.
Für in Vietnam niedergelassene Firmen könnte die aktuelle US-Handelspolitik nun aber auch zum Problem werden. Die USA hatten im Handel mit Vietnam 2024 ihr drittgrößtes Defizit eingefahren, nur übertroffen von China und Mexiko. Daher gilt Vietnam als Zielscheibe von US-Handelssanktionen. Wie andere Länder versucht aber auch Vietnam, mit der Administration in den Vereinigten Staaten einen Deal abzuschließen, um Strafmaßnahmen zu vermeiden.
In Vietnam können ausländische Firmen – anders als in vielen anderen südostasiatischen Ländern – hundertprozentige Tochterfirmen gründen. Allerdings berichten Unternehmen von Problemen mit Investitionsgenehmigungen, Steuern, Zollbehörden und Korruption. Eine umfassende Reform des Staatsapparates ist seit Ende 2024 im Gange und soll mittelfristig Verfahren beschleunigen. Vietnam will 2025 einen Fonds auflegen, um erstmalig auch ausländische Investitionen in Forschungs- und Ausbildungszentren direkt zu bezuschussen. Damit will die Regierung mehr Hightech-Investoren ins Land locken.
Institution | Anmerkung |
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Delegation der Deutschen Wirtschaft in Vietnam (AHK) | Anlaufstelle für deutsche Unternehmen |
Ministry of Planning and Investment | Ministerium für Planung und Investitionen |
Investitionsgarantien des Bundes | Instrument zur Absicherung von Auslandsinvestitionen |