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Branchen | Polen | Bekleidung und Schuhe

Boomende Modebranche wird digitaler

Textilien, Bekleidung und Schuhe sind in Polen wieder stark gefragt. Die Digitalisierung hält nicht nur beim Onlineverkauf Einzug, sondern auch beim Maßnehmen.

Von Beatrice Repetzki | Berlin

Nach herben Verlusten im Coronajahr 2020 steigt in Polen die Nachfrage nach Textilien, Bekleidung und Schuhen. Das Statistische Hauptamt GUS meldet einen realen Zuwachs entsprechender Verkäufe in den ersten zehn Monaten 2021 von 29,1 Prozent gegenüber Januar bis Oktober 2020. Das Ende der Lockdowns lockte wieder mehr Menschen in die Geschäfte.

Von dem Auftrieb können auch deutsche Unternehmen profitieren, für die im bunten internationalen Angebot Marktsegmente bleiben. Im Jahr 2020 war Polen laut Statistischem Bundesamt das größte Abnehmerland von deutscher Bekleidung (3 Milliarden Euro) und Textilien (1,1 Milliarde Euro).

Marktführer LPP expandiert

Das größte Bekleidungsunternehmen des Landes LPP konnte in den ersten drei Quartalen seines Geschäftsjahrs 2021/2022, das jeweils Anfang Februar beginnt, den Umsatz signifikant steigern. Von Februar bis Oktober 2021 wuchs dieser auf Złoty-Basis nominal um 72,2 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum und erreichte 2.146 Millionen Euro. Davon erwirtschaftete LPP 585 Millionen Euro mit dem Onlinehandel (+80 Prozent).

LPP ist mit seinen auf legere und Freizeitkleidung fokussierten Marken Reserved, Cropp, House und Sinsay in insgesamt 26 Ländern vertreten. Der Auslandsmarkt ist wichtig: Rund 57 Prozent des Umsatzes erzielte LPP von August bis Oktober 2021, dem 3. Quartal seines Geschäftsjahres, im Ausland. In dem Geschäftsjahr 2022/2023 will LPP laut Angaben des stellvertretenden Vorsitzenden Przemysław Lutkiewicz seine gesamte Verkaufsfläche um 25 Prozent auf 2,3 Millionen Quadratmeter vergrößern. Von den geplanten Gesamtinvestitionen in Höhe von 271 Millionen Euro fließen 238 Millionen Euro in das Filialnetz.  

Weniger dynamisch entwickelt sich das Bekleidungsunternehmen VRG, das mit den Marken Vistula, Bytom, Wółczanka, Deni Cler und W.Kruk (Juwelier) das gehobene Segment bedient. Seine Einnahmen von 90,2 Millionen Euro im 1. Halbjahr 2021 waren zwar auf Złoty-Basis nominal 11,8 Prozent höher als in den ersten sechs Monaten 2020, jedoch 23,2 Prozent niedriger als noch im 1. Halbjahr 2019.

Maßanfertigungen mit 3D-Technik liegen im Trend

Die Möglichkeiten für Onlinebestellungen und Lieferungen per Kurier nehmen in der Modebranche zu. Eine Achillesferse ist bislang oft die fehlende Anprobe der Bekleidung und Schuhe. Neue digitale Lösungen erlauben aber bereits virtuelle Maßanfertigungen und das Prüfen der Passform von Schuhen.

Neuland betritt das Start-up eTailor aus Mysłowice (Myslowitz) in Oberschlesien, das Slow Fashion unter Anwendung digitaler 3D-Technologien anbietet. Damit kann es maßgeschneiderte Herrenhemden ohne direkten Personenkontakt anfertigen.

Mit dem Projekt Tyxo, dem Markennamen der Hemden, nimmt es mithilfe einer Smartphone-App virtuell Maß. Mittels zweier Fotoaufnahmen im Smartphone werden die Körpermaße gescannt und ausgewertet. Künstliche Intelligenz entwirft daraufhin ein präzises 3D-Modell, das als Vorlage für das individuell angefertigte Hemd dient.

Das zuvor aus einer Online-Kollektion ausgewählte Hemdenmodell wird in lokalen Nähereien in Śląsk (Oberschlesien) und Małopolska (Kleinpolen) gefertigt. Die Stoffe und Garne stammen aus Portugal und Tschechien, die Knöpfe aus Deutschland. Die Maßhemden kosten nur gut halb so viel wie beim herkömmlichen Schneider.

Maßgeschneiderte Slow Fashion gilt als besonders nachhaltig, da die Kleidungsstücke in der Regel passen und nicht, wie im Onlinehandel üblich, häufig wieder zurückgesandt werden. Ende Oktober 2021 unterstützte der Investmentfonds Prometeia mit 216.783 Euro die Entwicklung der Onlineplattform von eTailor. Prometeia agiert im Rahmen des Programms Bridge Alfa, das vom Landeszentrum für Forschung und Entwicklung NCBiR kofinanziert wird.

Die Marke Tyxo soll auch im Ausland angeboten werden. Außerdem ist laut einem der Gründer, Bartosz Jaworski-Horoszkiewicz, eine Erweiterung des Sortiments um maßgeschneiderte Damenblusen vorgesehen. Virtuelle Anproben sollen ebenfalls eingeführt werden. Vorreiter ist hier das Start-up WearFits aus Łódź (Lodsch), das eine Anwendung zur Anprobe eines digitalen Bekleidungsmodells entwickelt hat. Dabei wird auf Basis eines Scans der Figur des Käufers ein digitaler Avatar kreiert.

Schuhkette CCC erweitert Sortiment

Die Onlineplattform für Schuhe eObuwie bietet schon länger mithilfe ihres Scanners esize.me genaue Tests der Passform von Schuhen an. Dabei wird ein digitaler 3D-Fußabdruck am Bildschirm in Schuhmodelle eingepasst. Diesen Service bieten stationäre Geschäfte der Schuhketten CCC und eObuwie an, die dadurch ihr gesamtes Sortiment in allen Größen zur Auswahl stellen können. Von zu Hause können Kunden alternativ mit einer mobilen App weniger genaue 2D-Scans ihrer Füße machen und damit virtuell Schuhe anprobieren.

Die polnische Schuhkette CCC expandiert weiter, strukturiert ihre stationären Geschäfte aber um und gibt Flächen auf. Ihre Verkäufe waren 2020 auf Złoty-Basis nominal 4,4 Prozent höher als 2019 und erreichten knapp 1,3 Milliarden Euro. Mit rund 48 Prozent erwirtschaftete CCC fast die Hälfte dieses Betrages im Onlinehandel.

Das Unternehmen reduziert laut dem stellvertretenden Vorsitzenden Mariusz Gnych die Präsenz in Deutschland und Österreich. Aus der Schweiz hat es sich komplett zurückgezogen. Stattdessen strebe man verstärkt auf mittel- und osteuropäische Märkte. CCC begann außerdem, unter dem neuen Outlet-Label HalfPrice Markenschuhe günstiger anzubieten.

Im Jahr 2021 erwarb CCC die Marke der insolventen Bekleidungsfirma Simple, die zur ebenfalls übernommenen polnischen Schuhkette Gino Rossi gehörte, sowie die polnische Jeans-Marke Americanos und die Schuhmarke Badura. Simple-Produkte werden nur in den Modehandelsketten Modivo und eObuwie erhältlich sein. Americanos sollen bei Modivo im Regal liegen, Schuhe und Taschen von Badura werden in CCC-Geschäften gehandelt. Bisher bekannte Marken von CCC sind Lasocki, Gino Rossi, Sprandi, JennyFairy und DeeZee.

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