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Marktchancen
Der Ausbau der Windkraft bietet ausländischen Unternehmen Geschäftschancen - sei es als Lieferanten, Dienstleister oder Investoren.
23.09.2021
Von Fabian Nemitz | Kiew
- Günstige geografische Bedingungen für die Windkraft
- Hohe Einspeisetarife locken Investoren an
- Umsetzung von Auktionssystem verzögert sich
- Führende Position westlicher Anbieter
- Investitionen in Wasserstoffproduktion und weitere Speicherkapazitäten
- Interaktive Karte bietet Übersicht über EE-Projekte in der Ukraine
Günstige geografische Bedingungen für die Windkraft
Dank ihrer weiten Flächen und vielen guten Standorten verfügt die Ukraine über ein großes Potenzial zur Produktion von Windenergie. Am besten sind die Bedingungen im Süden - an der Küste des Schwarzen und Asowschen Meeres - sowie in den Karpaten im Westen des Landes. Hinzu kommt ein großes Offshore-Potenzial. In ihrem Weißbuch 2021 schätzt das Institut für Windenergie der Nationalen Akademie der Wissenschaften das gesamte Windenergiepotenzial der Ukraine auf 688 Gigawatt, darunter 438 Gigawatt an Land und 250 Gigawatt Offshore.
Diese Angaben liegen über den entsprechenden Schätzungen von IRENA (Onshore: 320 Gigawatt) und NREL (Offshore: 146 Gigawatt), schreibt das Institut für Windenergie. Bislang verfügt die Ukraine noch nicht über Offshore-Windanlagen. Gehemmt wird das Potenzial in dem Bereich durch den Konflikt mit Russland, die Annexion der Halbinsel Krim und noch fehlende gesetzliche Bestimmungen.
Hohe Einspeisetarife locken Investoren an
Grundlage für den Ausbau der erneuerbaren Energien in der Ukraine ist der 2008 eingeführte "grüne Tarif". Einen Aufschwung verzeichnet der Sektor besonders seit der 2015 erfolgten Einführung einer in Euro fixierten und bis 2030 gültigen Einspeisevergütung.
Einem Bericht der Kiewer Kanzlei DLF Rechtsanwälte zufolge erhalten Windenergieproduzenten, die ihre Anlagen im Zeitraum von April bis Ende 2021 in Betrieb nehmen, bis Ende 2029 folgende Einspeisevergütung pro Kilowattstunde:
- bis 0,6 Megawatt: 0,0494 Euro;
- 0,6 bis 2 Megawatt: 0,0578 Euro;
- mehr als 2 Megawatt: 0,0882 Euro.
Weitere Zulagen erhalten Produzenten, wenn sie lokal gefertigte Ausrüstungen einsetzen. Gemäß Gesetz 810-IX beziffern sich die Zuschläge auf 5, 10 oder 20 Prozent, je nachdem, ob der "local content" einen Anteil von 30, 50 oder 70 Prozent erreicht.
In den vergangenen Jahren zählten die Tarife für grünen Strom in der Ukraine zu den höchsten weltweit - auch, um Defizite beim Investitionsklima und hohe Finanzierungskosten wettzumachen. Gleichzeitig führte das Fördersystem zu hohen Umlagekosten. In der Folge forderten internationale Geberbanken bereits seit längerer Zeit eine Umstellung des Fördersystems auf Auktionen, um den Ausbau der Erneuerbaren besser steuerbar und kostengünstiger zu gestalten.
2016 | 2018 | 2019 | 2020 | 1. Hj. 2021 | |
EE-Anlagen insgesamt, darunter | 1.135 | 2.274 | 6.943 | 8.516 | 9.225 |
Solaranlagen | 531 | 1.388 | 4.925 | 6.094 | 6.351 |
Solaranlagen privater Haushalte | 17 | 157 | 553 | 779 | 933 |
Windkraft | 438 | 533 | 1.170 | 1.314 | 1.593 |
kleine Wasserkraft | 90 | 99 | 114 | 117 | 118 |
Biomasse | 39 | 51 | 95 | 109 | 119 |
Biogas | 20 | 46 | 86 | 103 | 111 |
Umsetzung von Auktionssystem verzögert sich
Grundlage für die Einführung des Auktionsmodells ist das am 25. April 2019 verabschiedete Gesetz Nr. 2712-VIII, im Rahmen dessen eine Reform der EE-Förderung erfolgt ist. Statt garantierter Einspeisetarife entscheiden künftig Ausschreibungen über die Höhe der Vergütung von grünem Strom.
Unter die Ausschreibungspflicht entfallen EE-Anlagen mit einer Leistung über bestimmten Schwellenwerten. Für die Windkraft liegt dieser bei 5 Megawatt. Der festgesetzte Tarif gilt für 20 Jahre. Ausschreibungen sollen zweimal pro Jahr stattfinden. Die Umsetzung der Auktionen verzögert sich aber. Ursprünglich sollten 2021 laut Plänen des Energieministeriums 150 Megawatt an Windkraftprojekten ausgeschrieben werden. Bis 2025 soll dieser Wert auf 230 Megawatt steigen.
Laut Angaben des Windenergieverbandes UWEA bestehen aktuell Stromabnahmegenehmigungen für den Bau von Windenergieanlagen im Umfang von fast 5 Gigawatt. Diese Anlagen können noch zu den Bedingungen des bislang gültigen Einspeisesystems umgesetzt werden, allerdings rückt das Ende der garantierten Einspeisetarife näher.
Führende Position westlicher Anbieter
Zum Ende des 1. Halbjahrs 2021 verfügte die Ukraine über eine installierte Windkraftleistung von knapp 1,6 Gigawatt. Dabei entfallen fast drei Viertel der Anlagen auf die südukrainischen Gebiete Saporishshja und Cherson. Im 1. Halbjahr 2021 wurden laut UWEA insgesamt 278,4 Megawatt Windkraft neu installiert. Dabei lag die durchschnittliche Leistung der neuinstallierten Turbinen bei 3,8 Megawatt. Das Gros der Windkraftanlagen stammte von den Herstellern Vestas (Marktanteil: 44,1 Prozent), General Electric (25,5 Prozent) und Nordex (16,7 Prozent). Die verbleibenden 13,7 Prozent entfielen laut UWEA auf den lokalen Produzenten WPU.
Chancen für deutsche Firmen bieten sich in der gesamten Wertschöpfungskette, sei es als Projektierer, Berater, Generalauftragnehmer, Investor oder Zulieferer von Technik. Im Juli 2021 hat die Kasseler Firma enercast beispielsweise einen Vertrag über Leistungsprognose- und Planungsdienstleistungen mit dem staatlichen Unternehmen "Garantierter Käufer" geschlossen.
Investitionen in Wasserstoffproduktion und weitere Speicherkapazitäten
Die Produktion von grünem Wasserstoff könnte künftig zu einem neuen Treiber für den Ausbau der Windkraft werden. Bei der Versorgung der EU mit Wasserstoff verfügt die Ukraine über mehrere Trümpfe: ein großes Angebot an Flächen für die Produktion von EE, die bestehenden Gaspipelines, die für den Transport von Wasserstoff oder Wasserstoffbeimischungen genutzt werden können, und die geografische Nähe zur EU. Deutschland und die Ukraine verbindet bereits eine Energiepartnerschaft. Zudem hat sich Deutschland in einer Vereinbarung mit den USA in Zusammenhang mit der Gaspipeline Nord Stream 2 zur Einrichtung eines Grünen Fonds für die Ukraine verpflichtet.
Mit dem Ausbau der Erneuerbaren und ihren Produktionsschwankungen steigt der Bedarf an Stromspeicherkapazitäten. DTEK hat im Mai 2021 eine erste Anlage mit einer Leistung von 1 Megawatt in Betrieb genommen. Große Projekte mit internationalen Partnern und Gebern verfolgen Ukrenergo (240 Megawatt) und Ukrhydroenerho (197 Megawatt). Auch das private Unternehmen Kness hat eine entsprechende Investition angekündigt.
Interaktive Karte bietet Übersicht über EE-Projekte in der Ukraine
Einen Überblick über abgeschlossene, im Aufbau befindliche und geplante Projekte aus den Bereichen Energieeffizienz und erneuerbare Energien bietet die interaktive Informationsplattform UA Map.
Projektbezeichnung | Leistung (MW) | Unternehmen | Status | Investitionsvolumen |
---|---|---|---|---|
Windpark im Gebiet Donezk | 800 | in Vorbereitung | rund 1 Mrd. US$ | |
Windpark Zophia (Gebiet Saporishshja, Rajon Jakymiwka) | 788 | Emergy (Norwegen) | geplanter Baubeginn im Sommer 2021 | 506 Mio. Euro |
Windpark Tyligulska WPP (Gebiet Mykolajiw) | 500 | in Vorbereitung, geplante Inbetriebnahme: Ende 3. Quartal 2022 | k. A. | |
Zaporizhia Windpark (Gebiet Saporishshja, Rajon Melitopol) | 500 | Inbetriebnahme von 1. Stufe mit 80 MW im Juni 2021 erfolgt; weiterer Ausbau geplant | k. A. | |
Windpark in Bilopillja (Gebiet Sumy) | 500 | Planungsbeginn: Januar 2021 | k. A. | |
Windparks im Gebiet Shytomyr | 370 | in Vorbereitung | k. A. | |
Windparks im Gebiet Odessa | rund 300 | Abschluss von Memorandum mit Verwaltung des Gebiets Odessa im März 2020 | 452 Mio. Euro | |
Yuzhne Energy (Gebiet Odessa) | 76,5 (1. Phase) | Yuzhne Energy LLC, China Longyuan Power Group | Geplante Inbetriebnahme: 2021 | k. A. |
Volodymyrets WPP (Gebiet Riwne) | 72 | in Vorbereitung | 87 Mio. Euro | |
Windpark im Gebiet Lemberg (Lwiw; Rajon Skole) | 60 | Atlas Global Energy (Türkei) | in Vorbereitung; geplante Inbetriebnahme im August 2022 | 72 Mio. Euro |
Perehinska WPP (Gebiet Iwano-Frankiwsk) | 55 | Geplante Umsetzung: 2022 bis 2023 | k. A. | |
Windpark im Gebiet Odessa | 50 | Baubeginn: Mai 2021 | k. A. | |
Windpark Orivska (Gebiet Lemberg) | 50 | Geplante Umsetzung: 2021 bis 2022 | k. A. |