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Russlands Kfz-Industrie fährt mit Vollgas aus der Pandemie

Die Produktion und der Absatz von Pkw erreichen 2021 wieder das Vorkrisenniveau. Autobauer bringen neue Modelle auf den Markt. Bei Projekten ist deutsche Kompetenz gefragt.

Von Hans-Jürgen Wittmann | Moskau

Die Regierung unterstützt die Erholung der heimischen Autoindustrie und verlängert die Absatzförderprogramme. Im Jahr 2021 stehen rund 38 Milliarden Rubel (437,6 Millionen Euro, EZB-Umrechnungskurs zum 11.08.2021: 1 Euro = 86,84 Rubel) an Subventionen zur Vergabe vergünstigter Autokredite und Leasingkonditionen sowie zur Umrüstung von Pkw auf Gasantrieb zur Verfügung.

Pkw-Absatz erreicht Ende 2021 Vorkrisenniveau

Russlands Automarkt erholt sich von der Coronakrise schneller als erwartet. Die Verkäufe von Pkw und LCV (Light Commercial Vehicles) stiegen in den ersten sieben Monaten 2021 um 28,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum auf rund 954.000 Einheiten. Aufgrund der positiven Entwicklung hob die Association of European Businesses (AEB) im Juni 2021 ihre Wachstumsprognose für den Pkw- und LCV-Markt bis Ende 2021 von 2,1 auf 9,8 Prozent an. Das entspricht rund 1,8 Millionen verkauften Fahrzeugen. Damit würde das Vorkrisenniveau von 2019 beinahe wieder erreicht.

Absatz von Kfz in Russland (Stückzahl; Januar bis Mai bzw. Juli; Veränderung in Prozent)

Kategorie

 2021

 2020

Veränderung 2021/2020

Pkw 1)

953.760

742.681

28,4

Lkw 2)

36.566

26.465

38,2

1) einschließlich leichter Nutzfahrzeuge (LCV), Zeitraum Januar bis Juli; 2) Zeitraum Januar bis MaiQuelle: Association of European Business (AEB); Autostat.ru

Die Aussichten trüben sich im 2. Halbjahr 2021 allerdings leicht ein. Im Juli gingen die Verkäufe von Kfz und LCV im Vergleich zum Vorjahresmonat um 6,5 Prozent zurück. Aufgrund der Rubelabwertung und der Inflation, der hohen Preise auf Metall sowie eines Defizits an Elektronikbauteilen erhöhen die Autobauer im 2. Halbjahr ihre Preise für Kfz durchschnittlich um 2 bis 4 Prozent. Um der Teuerungswelle Luft aus den Segeln zu nehmen, legte die Regierung die geplante Anhebung der Entsorgungsabgabe um 25 Prozent vorerst auf Eis. Trotzdem sei mit weiteren Rückgängen bei der Produktion und den Verkäufen zu rechnen, befürchtet Thomas Stärtzel, Leiter des Automotive-Komitees der AEB.

Absatz von Pkw im Massensegment nach Herstellern (Stückzahl; Veränderung und Marktanteil in Prozent)

Hersteller

Absatz Januar bis Juli 2021

Veränderung Januar bis Juli 2021 / Januar bis Juli 2020

Marktanteil Januar bis Juli 2021

Lada

232.232

42

24,3

KIA

125.415

26

13,1

Hyundai

104.453

34

11,0

Renault

81.291

29

8,5

Skoda

60.712

30

6,4

Volkswagen

57.932

19

6,1

Toyota

54.563

8

5,7

Nissan

28.934

-7

3,0

GAZ

28.442

21

3,0

Haval

19.167

126

2,0

Quelle: Association of European Businesses (AEB)

Zuwächse verzeichneten in den ersten sieben Monaten vor allem Hersteller mit lokaler Fertigung im Massensegment. Sie waren von der Rubelabwertung weniger stark betroffen. Marktführer bleibt Lokalmatador AvtoVAZ (Lada) vor Kia und Hyundai. Erfolgreichster deutscher Konzern ist Volkswagen auf Platz sechs. Schwieriger ist die Lage für ausländische Hersteller ohne Sonderinvestitionsvertrag. Honda verlässt zum Jahreswechsel 2021/2022 gar den russischen Markt.

Deutsche Hersteller dominieren den Markt für Premiumautomobile. Mehr als jedes zweite Auto im Premiumsegment war im 1. Halbjahr 2021 ein Mercedes oder BMW. Audi belegt in der Verkaufsstatistik Platz vier.

Lkw-Verkäufe ziehen wieder an

Der Absatz von Lkw stieg von Januar bis Mai 2021 um 38,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum auf rund 36.600 Einheiten. Platzhirsch Kamaz verzeichnete ein Plus von 35 Prozent. Den größten Zuwachs verbuchte der schwedische Hersteller Scania mit 107 Prozent. Der Marktanteil ausländischer Hersteller ging aufgrund der gesunkenen Nachfrage im Pandemiejahr 2020 jedoch auf rund ein Drittel zurück.

Absatz von Lkw nach Herstellern (Stückzahl; Veränderung in Prozent)

Hersteller

Absatz Januar bis Mai 2021

Veränderung Januar bis Mai 2021 / Januar bis Mai 2020

Kamaz

13.013

34,9

GAZ

3.559

34,3

Scania

2.892

107,3

MAZ

2.299

95

Volvo

2.000

4,2

MAN

1.910

33,1

Ural

1.876

23,8

Mercedes-Benz

1.544

27,6

Isuzu

860

-31,6

Shacman

608

17,6

Quelle: Autostat.ru

Fahrzeughersteller kündigen Produktion neuer Modelle an

Die Autoproduktion wächst 2021 im Vergleich zum Vorjahr um 5 Prozent auf rund 1,5 Millionen Einheiten, schätzt das Industrieministerium. Russlands Autobauer erhalten in diesem Jahr Industriesubventionen von rund 200 Milliarden Rubel (umgerechnet rund 2,3 Milliarden Euro).

Produktion von Kfz in Russland (Stückzahl; Veränderung in Prozent)

Kategorie

Januar bis Juni 2021

Januar bis Juni 2020

Veränderung Januar bis Juni 2021 / Januar bis Juni 2020

Pkw

737.300

510.900

44,3

Lkw

85.200

53.700

59,7

Quelle: Föderaler Statistikdienst Rosstat

Im Zuge der „Renaulution“-Strategie begann AvtoVAZ Ende Mai 2021 mit der Umstellung der Pkw-Montage auf die modulare CMF-B-Plattform seines Mehrheitsaktionärs Renault. Neben den Renault-Modellen Logan und Sandero sollen ab 2025 auch die Lada-Modelle Granta, Vesta und Niva-Travel auf Basis von Modulbaukästen in Serie vom Band rollen. Daneben entwickeln Renault und AvtoVAZ einen neuen 1,3-Liter-Turbomotor.

Im Werk von Sollers-Ford in der tatarischen Sonderwirtschaftszone Alabuga startete Ende Mai 2021 die Serienproduktion des Modells „Senat“ der russischen Luxusmarke Aurus. Ab 2022 wird auch das Crossover-Modell „Komendant“ dort gefertigt. Von 2024 an sollen jährlich 5.000 Luxuskarossen vom Band rollen. Bis 2022 soll der Lokalisierungsanteil von derzeit 53 auf 80 Prozent steigen. Die Boston Consulting Group und IHS Markit erwarten für Aurus im Luxussegment einen Marktanteil von 9 Prozent.

Awtotor montiert 2021 in seinem Werk im Gebiet Kaliningrad nur noch drei der einstmals acht Modellreihen des Premiumherstellers BMW. Nach einer Gesetzesänderung decken staatliche Zuschüsse nur noch 85 Prozent der Importzölle, die der Auftragsfertiger jedoch zu 100 Prozent begleichen muss.

Volkswagen startete Ende Mai 2021 die Produktion des Crossovers Taos bei GAZ in Nischni Nowgorod. Die Investitionen in neue Produktionsausrüstung betrugen 63 Millionen Euro. Gefertigt wird der Taos auf Basis des modularen Querbaukastens.

PSMA Rus, ein Joint Venture von Stellantis und Mitsubishi, will ab Ende 2022 den Kleinbus Fiat Scudo im Werk Kaluga fertigen. Im Mai 2021 begann PSMA mit der Produktion von 1,6-Liter-Dieselmotoren für Pkw.

Russlands Autobauer setzen auf Lösungen deutscher Partner

Daimler Kamaz RUS, ein Joint Venture von Daimler und Kamaz, montiert bis Ende 2021 für das russische Bauunternehmen Partner Group 100 Kipplaster der Marke Arocs 414B. Die Fahrzeuge werden in Wörth am Rhein produziert und in Nabereschnyje Tschelny in Tatarstan endmontiert.

Mit Lösungen von SAP will Kamaz seine digitale Transformation vorantreiben. Der deutsche Software-Konzern unterstützt Russlands Marktführer bei Lkw auf den Gebieten maschinelles Lernen und Sehen in der Fertigung und Verwaltung.

Anfang Mai 2021 haben Kamaz und ZF die Lieferung digitaler Lösungen zur Entwicklung gegenseitig vernetzter Lkw und Anhänger im Rahmen des Projekts „Connected Road Train“ vereinbart. Bis Ende 2022 stattet ZF zudem rund 4.800 Hochleistungs-Sattelauflieger von Kamaz mit Wabco ABS- und ITP-Systemen aus.

Dürr Systems modernisiert von Juni bis September 2021 für 6 Millionen Euro die Lackiererei des Auftragsfertigers Awtotor in Kaliningrad. Die neuen Maschinen steigern die Produktivität um 20 Prozent und verringern die Umweltbelastung.

Aktuelle Investitionsprojekte in der russischen Kfz-Industrie (in Millionen Euro)

Projekt / Region

Investitionen (Mio. Euro)

Geplante Inbetriebnahme

Projektbetreiber

Erweiterung der Motorenproduktion um den 1,4 Liter-TSI-Motor / Gebiet Kaluga

70

Investition im Rahmen des Sonderinvestitionsvertrages; Absichtserklärung unterzeichnet; geplante Inbetriebnahme: 2024

Volkswagen

Aufbau einer Fertigung für das Automatikgetriebe Traxon, inkl. Zahnräder und Wellen sowie der Produktion der Servolenkung Reax / Nabereschnyje Tschelny, Republik Tatarstan

12,5

Geplanter Projektbeginn: Januar 2022

ZF Kama (Joint Venture von ZF und Kamaz)

Bau einer Lackierstraße / Gebiet Kaliningrad

k.A.

Investition im Rahmen des Sonderinvestitionsvertrages; geplante Inbetriebnahme: 2023

Awtotor

Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest

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