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Markttrends

Internationale Investoren treiben Marokkos Automobilsektor an. Der lokale Fertigungsanteil steigt.

Von Michael Sauermost | Casablanca

Erfolgsstory setzt sich fort

Die lokale Automobilindustrie blickt auf rasante Wachstumsjahre zurück. Und sie stellt sich auf, diesen Trend in den kommenden Jahren fortzusetzen. Internationale Unternehmen haben sich im Zuge der Industriestrategie Plan d´Accélération Industrielle du Maroc 2014-2020 im Königreich angesiedelt. Im Windschatten von Renault, Dacia, Peugeot und Citroën kommen nach und nach Komponenten- und Teilehersteller ins Königreich.

Laut der International Organization of Motor Vehicle Manufacturers (OICA) hat Marokko im Jahr 2021 die Pole Position auf dem afrikanischen Kontinent verteidigt - zumindest, was die Produktionszahlen betrifft. Demnach verließen 403.007 fabrikneue Fahrzeuge die Werkshallen. Dabei handelte es sich um 338.339 Pkw und 64.668 Nutzfahrzeuge. Im Vergleich zum Vorjahr entsprach dies einer Steigerung um knapp einem Viertel. Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, dass 2020 die Coronapandemie den Sektor stark beeinträchtigt hat.

Integrationsrate soll steigen

Im Rahmen des Plan de Relance Industriel 2021-23 der Regierung, der die Wettbewerbsfähigkeit Marokkos verbessern soll, spielt auch der Automobilsektor eine große Rolle. Marokkanische Eigenfertigung soll gezielt gefördert werden. Für die Kfz-Industrie bedeutet dies, die lokale Integrationsrate, also den Anteil lokaler Fertigung an der Produktion, von 60 auf 80 Prozent zu steigern.

Laut Industrieministerium belief sich diese Quote im Jahr 2021 auf 63 Prozent. Allerdings müsste der Sektor einen Gang hochschalten, um sich den 100 Prozent anzunähern. Dafür sind Branchenvertretern zufolge aufwendige Investitionen in neue Segmente erforderlich. Um die verbliebene Restabhängigkeit von Importen zu beenden, sollten auch Industrie-4.0-Produktionsabläufe stärker bei Zulieferern integriert werden. Das Unternehmen Fitch Ratings prognostiziert für den Sektor von 2020 bis 2025 ein durchschnittliches jährliches Umsatzwachstum von 17,5 Prozent.

Drehscheibe zwischen Europa und Afrika

Die marokkanische Automobilindustrie ist stark exportorientiert. Als Drehscheibe zwischen Europa und Afrika ist das Land für Handelsströme in beide Richtungen prädestiniert. Durch die bestehenden und entstehenden Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union (EU) und in Richtung Süden ergeben sich wirtschaftliche Potenziale, die nicht zuletzt die Kfz-Teileindustrie nutzen möchte.

Die Ausfuhreinnahmen beliefen sich den Statistiken des Office des Changes zufolge 2021 auf umgerechnet etwa 8,5 Milliarden US-Dollar (US$). Das waren knapp 16 Prozent mehr als im Vorjahr. Knapp 360.000 Pkw machten sich auf den Weg ins Ausland. Dabei sind nicht weniger als 80 Prozent der produzierten Fahrzeuge für europäische Märkte bestimmt - hauptsächlich für Frankreich und Spanien, aber auch Deutschland und Italien. 

Das Policy Center for the New South bezeichnet Marokko als Säule der afrikanischen Automobilindustrie - auf Grund der strategischen geografischen Lage sowie der robusten industriellen Ökosysteme. Mit einer Produktionskapazität von 700.000 Einheiten pro Jahr im Jahr 2023 habe Marokko bereits die kritische Größe erreicht, um den Standort auf der Liste internationaler Zulieferer ganz nach oben zu setzen.

Im Prinzip brachten die Investitionen der Renault- und PSA-Gruppen die gesamte Branche durch ihre jeweiligen Ökosysteme auf ein international tragfähiges Niveau. Marokko galt zunächst als "Günstiglohnland". Kostenvorteile waren für das Königreich als Produktions- und Beschaffungsstandort ausschlaggebend. Die Exporterfolge haben jedoch dazu geführt, dass sich der Automobilstandort unter qualitativen Gesichtspunkten in der Region einen Namen gemacht hat. Das erworbene Know-how hat die Lohnkosten als Auswahlkriterium für Investoren abgelöst.

Hersteller profitieren von Industriezonen

Für die Exportindustrie hat sich eine effiziente Infrastruktur entwickelt. Die nördliche Hafenstadt Tanger profitiert nicht nur von ihrer strategischen Position, sondern auch von den industriellen Freizonen (Zones d´Accélération Industrielles). Sie bieten Anreize für Exportunternehmen und die Einbindung in die Infrastruktur des Sektors.

Die Automobilindustrie verfügt über vier integrierte Industriezentren (Tanger, Kenitra, Rabat und Casablanca) sowie vier spezialisierte Ausbildungsinstitute. Die Automobilindustrie nutzt maßgeblich die Freizonen Tanger Free Zone (branchenübergreifend mehr als 500 Firmen mit insgesamt über 60.000 Angestellten), die Tanger Automotive City (etwa 35 Fabriken; 8.000 Mitarbeitenden), die Atlantic Free Zone in Kenitra (32 Fabriken) sowie Technopolis in Rabat-Salé mit etwa 40 Unternehmen.

Das Renault-Werk in Tanger ist die größte Automobilfabrik Afrikas. Im September 2022 feierte das Werk sein zehnjähriges Bestehen. Die jährliche Produktionskapazität beläuft sich auf 400.000 Fahrzeuge. Mehr als 90 Prozent der Fertigung ist für den Export vorgesehen. Das Werk betreibt zwei Produktionslinien, die alles vom Stanzen über die Montage, Blechbearbeitung, Lackierung, Sitze und Fahrgestelle abdecken. Vor Ort rekrutierte Mitarbeiter werden am 2012 gegründeten Institut für Bildung des Métiers de l'Industrie Automobile (IFMIA) ausgebildet.

Die PSA Group startete im Jahr 2019 das Werk in Kenitra mit einer Produktionskapazität von 100.000 Fahrzeugen pro Jahr. Im Jahr 2020 stieg die Kapazität auf 200.000 Kfz. Es ist als Exportplattform für Afrika und den Nahen Osten konzipiert. PSA Maroc plant weitere Investitionen.

Auch das Thema Elektromobilität wird immer präsenter.  Das Industrieministerium plant Pressemeldungen zufolge mit internationalen Produzenten Verträge über den Bau einer Gigafactory für Elektrofahrzeugbatterien abzuschließen. Dann könnten sich die Pkw-Produktionszahlen insgesamt der 1-Millionen-Marke annähern. 

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