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Rechtsbericht USA Produzentenhaftung

US-Produkthaftung: Produktrückruf und Vertriebsstopp

In Einzelfällen ordnen Behörden einen Vertriebsstopp an, wenn von dem Produkt ein erhebliches Sicherheitsrisiko für die Öffentlichkeit ausgeht.

Von Jan Sebisch, Alexander von Hopffgarten

Hinweis: Der Rechtsbericht wurde erstmals am 05. Mai 2021 veröffentlicht und zuletzt inhaltlich überprüft und - soweit dies erforderlich war - aktualisiert im April 2024.

Produktrückruf

Die Consumer Product Safety Commission (CPSC), die als unabhängige Regulierungsbehörde des Bundes vom Kongress im Rahmen des Consumer Product Safety Act (CPSA) 1972 gegründet worden ist und die Öffentlichkeit vor unangemessenen Risiken von Verletzungen und Todesfällen im Zusammenhang mit Konsumgütern schützen soll, registriert jährlich eine Vielzahl sogenannter corrective actions von Unternehmen. Hierzu gehören Rückrufe, Reparaturen oder Produktveränderungen. Ein Produktrückruf muss allerdings nicht immer geboten sein. Es kann auch (zunächst) genügen, Verbrauchern weitere Informationen oder Warnhinweise zukommen zu lassen, die über den richtigen Umgang mit einem Produkt informieren.  

Die Praxis zeigt allerdings, dass die Unternehmen häufig ihr Produkt unverzüglich zurückrufen, statt Zwischenmaßnahmen einzuleiten. Sie kommen damit einer möglichen späteren Anordnung der CPSC zuvor. Das kann nicht nur unter Marketinggesichtspunkten, sondern auch im Hinblick auf eventuelle spätere Produkthaftungsprozesse wichtig sein. Ein zögerliches Verhalten kann bei den Geschworenen im Prozess wichtige Sympathiepunkte kosten. 

Ein Überblick über Produktrückrufe kann auf der Internetseite der CPSC abgerufen werden. 

Eine andere Behörde, die National Highway Traffic Safety Administration, überwacht die Sicherheit von Fahrzeugen und Zubehör, wie zum Beispiel Kindersitze und Airbags. Sie hat seit dem Jahr 1966 mehr als 390 Millionen Fahrzeuge wegen Sicherheitsmängeln aus dem Verkehr gezogen.

Für Medikamente und medizinische Geräte ist die Federal Drug Administration (FDA) zuständig. 

Beurteilung im Prozess

Kläger machen in Produkthaftungsprozessen häufig geltend, dass der Beklagte Hersteller, Zwischenhändler oder Verkäufer nicht nur gegen seine Warnpflicht, sondern auch gegen seine Pflicht zum Rückruf seines Produkts verstoßen hat.

Amerikanische Gerichte sind grundsätzlich zurückhaltend mit der Annahme einer Pflicht zum Produktrückruf. Klagen oder einstweilige Rechtschutzanträge gegen Hersteller mit dem Ziel, den Hersteller zu einem Produktrückruf zu verpflichten, haben deswegen geringe Erfolgsaussichten. Eine richterliche Anordnung zum Produktrückruf kommt in der Regel nicht in Betracht, da die Gerichte insoweit die Verbraucherschutzbehörden für besser geeignet halten, einen Produktrückruf anzuordnen.

Anordnung durch Behörden

Der Produktrückruf infolge einer behördlichen Anordnung spielt in der Praxis auf den ersten Blick keine große Rolle. Die meisten Produktrückrufe in den USA erfolgen freiwillig. Das liegt allerdings häufig nur daran, dass Unternehmen ein Einschreiten der CPSC oder anderer Verbraucherschutzbehörden unbedingt vermeiden wollen. Zudem hat die CPSC im Jahr 1997 ein sogenanntes Fast Track Product Recall Program eingeführt. Dieses Programm sieht vor, dass ein Unternehmen, das aus eigener Initiative die CPSC über potenzielle Sicherheitsrisiken seiner Produkte informiert und im Anschluss freiwillig innerhalb von 20 Tagen einen Rückruf veröffentlicht (consumer-level voluntary recall), nicht befürchten muss, dass die CPSC das betreffende Produkt als ein substantial product hazard klassifiziert.

Inhaltliche Vorgaben

Der freiwillige Produktrückruf unterliegt keinen gesetzlichen Inhaltsbestimmungen. Sein Inhalt und die Form sind von den Umständen im Einzelfall abhängig (Art des Produkts, Verbreitungsgrad und -dauer, Haltbarkeit des Produkts usw.) sowie davon, wie die CPSC den Fall bewertet. Stellt die CPSC fest, dass ein Produkt gegen eine gesetzliche Bestimmung verstößt, teilt sie das dem produktverantwortlichen Unternehmen in der Regel in einem Letter of Advice (LOA) mit. Ein solcher LOA enthält oftmals auch die Aufforderung, einen Aktionsplan zur Beseitigung des Verstoßes vorzulegen (corrective action plan). Ein Unternehmen muss in diesem Plan konkret erläutern, wie es seine gesetzliche Verpflichtung erfüllen möchte. Für den Fall, dass das Unternehmen einen Produktrückruf ins Auge fasst und die CPSC diese Maßnahme für sachgerecht hält, erarbeiten Unternehmen und CPSC in der Regel einen konkreten Rückrufplan.

Auch die FDA bietet Unternehmen, die einen Rückruf für ihr Produkt beabsichtigen, einen Leitfaden zum effektiven, freiwilligen Rückruf.

Vertriebsstopp

Die CPSC darf gegenüber Herstellern, Lieferanten oder Händlern anordnen, dass der Vertrieb eines Produkts, von dem ein erhebliches Sicherheitsrisiko für die Öffentlichkeit ausgeht (substantial product hazard), eingestellt wird und die am Vertrieb beteiligten Personen sofort von dem Vertriebsverbot unterrichtet werden, 15 USC § 2064 (c) (1) (A) (B). Eine solche Anordnung setzt nach 15 USC § 2064 (c) (1) eine vorherige Anhörung voraus, es sei denn, die CPSC stuft das Gefahrenrisiko als besonders akut ein (imminently hazardous) und hat deswegen bereits die richterliche Beschlagnahme des Produkts beantragt.

Versicherung

Der Rückruf von Produkten kann teuer sein. Eine separate Rückrufkostenversicherung kann viele dieser Kosten abdecken. Dabei ist allerdings zu beachten, dass die Versicherungsbedingungen von Policen, die auf dem deutschen Markt vertrieben werden, Auslandsrisiken und den nordamerikanischen Markt im Besonderen häufig ausschließen.

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