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Special | USA | Lieferketten

Deutsche Pharmafirmen finden in den USA risikobereite Geldgeber

In den USA suchen deutsche Pharmaunternehmen vor allem Kapital, weniger Rohstoffe. Unklar ist, ob sie im sino-amerikanischen Handelskonflikt einmal ins Kreuzfeuer geraten könnten.

Von Heiko Steinacher | San Francisco

Wie wichtig US-Partner für die deutsche Industrie sein können, zeigt sich bei der Entwicklung von Corona-Impfstoffen: Im März 2020 stieg der US-Pharmakonzern Pfizer in das Impfstoffprojekt bei BioNTech ein. Dessen Covid-19-Vakzin war das erste, das im Dezember eine Zulassung in den USA, in der Europäischen Union (EU) und vielen anderen Ländern erhielt. Um die Zulassungsverfahren zu beschleunigen, hat Pfizer damals rund 2 Milliarden US-Dollar (US$) in das Projekt investiert.

US-Kapitalmarkt für deutsche Biotechfirmen attraktiv

Doch suchen deutsche Unternehmen nicht nur wegen ihrer Erfolge im Wettlauf um einen Corona-Impfstoff zahlungskräftige US-Partner. Heidelberg Pharma zum Beispiel kooperiert bei der Behandlung von Knochenmarktransplantationen mit Magenta Therapeutics aus Boston. Auch streben immer mehr deutsche Biotechunternehmen an die US-Technologiebörse Nasdaq, darunter MorphoSys (2018) und CureVac (2020), weil sie dort höhere Bewertungen als in Europa erzielen.

Bei Kooperationen mit US-Partnern steht für deutsche Pharmaunternehmen also nicht der Bezug von Rohstoffen oder Vorleistungen im Vordergrund, sondern vielmehr das Kapital, das sie zur Ausweitung ihres Geschäftes brauchen. Gerade Jungunternehmen aus den Branchen Pharma, Biotech und Gesundheit kommen in den USA schneller an professionelle Wagnisfinanzierer, die bereit sind, auch bei hohem Risiko tief in die Tasche zu greifen.

In umgekehrter Richtung ist Nordamerika auch für die deutsche Biotech-, Pharma- und Medizintechnikindustrie das wichtigste Investitionsziel für Übernahmen und Beteiligungen. Siemens Healthineers hat 2020 für knapp 16,4 Milliarden US$ den US-Konzern Varian Medical Systems übernommen und stärkt damit sein Portfolio zur Krebsbekämpfung. Ende Oktober 2020 gab Bayer bekannt, das US-Biotechunternehmen Asklepios BioPharmaceutical für bis zu 4 Milliarden US$ übernehmen und damit seine Pharma-Pipeline ausbauen zu wollen.

Rückgang der deutschen Branchenbezüge aus den USA nach 2010

Nach der Ausfuhrstatistik der Internationalen Handelskommission der USA (USITC) sind die US-Exporte von „Medizinischen und pharmazeutischen Erzeugnissen“ (SITC-Position 54) nach Deutschland nach 2010 stark eingebrochen. Erst seit 2018 erholen sie sich wieder spürbar.

Danach bezieht Deutschland aus den USA vor allem Waren der Untergruppe 541.6 (Glykoside etc.) und 542.9 (Arzneiwaren, a.n.g.). Wobei sich die Dynamik der Lieferungen in den letzten Jahren geändert hat: Bildete vor Ausbruch der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/09 noch die Untergruppe 541.5 (Hormone) den zweitgrößten Posten hinter Glykosiden (etc.), waren es seither Arzneiwaren (a.n.g.). Die US-Lieferungen von Glykosiden (etc.) und Arzneiwaren (a.n.g.) nach Deutschland haben in den letzten fünf Jahren im Trend wieder zugelegt; während sie sich bei Arzneiwaren (a.n.g.) von 2018 auf 2019 fast verdoppelten und damit deutlich über dem Niveau von 2008 lagen, haben sie bei Glykosiden (etc.) erst in etwa wieder das Vorkrisenniveau erreicht.

Bei Pharma-Lieferketten bisher keine klare Abhängigkeit

Vorleistungen, die die deutsche Pharmaindustrie importiert, konzentrieren sich räumlich zwar stark auf wenige Ursprungsländer, was bei größeren Ausfällen kaum zu kompensieren wäre. Und Nordamerika ist für Deutschland die zweitwichtigste Handelsregion nach Europa für Pharmagrundstoffe und Fertigarzneien – mit den USA an der Spitze: Unter Deutschlands Lieferländern solcher Produkte lagen die USA im Jahr 2014 (letztverfügbare Daten der World Input-Output Database) auf Platz zwei (Mengenanteil 9 Prozent) hinter der Schweiz (fast 42 Prozent) und vor China (7 Prozent).

Engpässe wären aber wohl nur bei preisgünstigen Wirkstoffen zu befürchten, vor allem wenn es davon nur wenige Anbieter gäbe. Solche Wirkstoffe für Nachahmer-Medikamente beziehen sowohl Deutschland als auch die USA inzwischen größtenteils aus China.

Handelskonflikt zwischen den USA und China spielt eine große Rolle

Washington will daher die Lieferkette für Medikamente zurück in die USA holen. Im Februar 2021 ordnete US-Präsident Joe Biden per Dekret eine hunderttägige Überprüfung an, die Lieferkettenabhängigkeiten in Schlüsselindustrien aufdecken soll, darunter bei Arzneimitteln. Für betroffene Industrien könnten infolgedessen bald strengere regulatorische Maßnahmen gelten.

Angesichts des US-chinesischen Handelskonflikts ist nicht auszuschließen, dass die US-Regierung es eines Tages Pharmaproduzenten, die Grundstoffe aus China importieren, erschweren könnte, ihre Erzeugnisse in die USA zu verkaufen – auch ausländischen. Ähnliche Erfahrungen gab es bereits im Zusammenhang mit Huawei, nachdem im August 2020 auch deutsche Tochtergesellschaften des chinesischen Netzwerkausrüsters auf die Entity List der US-Regierung gekommen waren. In dem Fall müssten deutsche Unternehmen womöglich ihre Lieferketten neu ausrichten.

Ein Engpass droht Deutschland bei Blutplasma

Ein akuter Engpass droht Deutschland bei Blutplasma, da im Zuge der Pandemie die Spendenbereitschaft zurückgegangen ist. Hierbei ist Deutschland von den USA abhängig, denn dort bezieht es mehr als doppelt so viel davon wie Deutsche selbst spenden. Das Plasma von genesenen Covid-19-Patienten könnte wegen der enthaltenen Antikörper bei der Entwicklung von Therapien gegen die Coronakrankheit helfen. Erst Anfang 2021 hat die Bundesregierung 200.000 Antikörpermedikamente aus den USA gekauft, obwohl sie in der EU noch nicht zugelassen waren.

Deutsche Pharmafirmen kooperieren mit US-Universitäten

Wichtig ist für deutsche Pharmaunternehmen auch die Forschungskooperation mit US-Universitäten. Solche wie Stanford, Harvard oder das MIT in Boston verzahnen studentische Lehre mit Grundlagenforschung auf höchstem Niveau. Das von BioNTech entwickelte Covid-19-Vakzin basiert zum Beispiel auf einer Technologie, die das Mainzer Start-up schon seit vielen Jahren zusammen mit der Universität von Pennsylvania erforscht hatte.

Deutsche Einfuhr ausgewählter Pharmachemikalien aus den USA (in Millionen Euro, Veränderung in Prozent)

Warenkategorie

2010

2019

Veränderung 2019/2010

Arzneiwaren, Hormone enthaltend, undosiert (WA30033900)

3,3

31,1

843,9

Arzneiwaren, undosiert, a.n.g. (WA30039000)

100,8

301,0

198,5

Arzneiwaren, Antibiotika enthaltend, dosiert (WA30042000)

64,5

50,6

-21,6

Arzneiwaren, Hormone a.n.g. enthaltend, dosiert (WA30043900)

5,1

37,3

629,1

Arzneiwaren, Alkaloide enthaltend, a.n.g., dosiert (WA30044900)

-

30,6

k.A.

Arzneiwaren, a.n.g., dosiert (WA30049000)

1.533,9

3.423,3

123,2

Quelle: Destatis

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