In Polen wird bereits eine bedeutende Menge Wasserstoff produziert. Bisher hat der allerdings noch die falsche Farbe. Grüner Wasserstoff soll dank Offshore dazukommen.
Strategie soll Ende 2020 vorgestellt werden
Im Juli 2020 hat das polnische Klimaministerium eine Absichtserklärung mit dem 2019 neu gegründeten polnischen Wasserstoffverband (Stowarzyszenie Polski Wodór) unterzeichnet. Ziel ist der Aufbau einer Partnerschaft zur Entwicklung der heimischen Wasserstoffwirtschaft sowie der Abschluss eines sektoralen Wasserstoffabkommens. Letzteres soll die Ziele, Maßnahmen und die Form der Zusammenarbeit zwischen den Partnern regeln. Mit der Absichtserklärung verpflichtet sich das Klimaministerium zudem, eine Wasserstoffstrategie zu entwickeln.
Die Arbeiten an der Wasserstoffstrategie für den Zeitraum bis 2030 (Strategia Wodorowa Polski do 2030 r.) laufen bereits. Im Herbst soll die Strategie öffentlich konsultiert und zum Ende des Jahres 2020 dem Ministerrat zur Prüfung vorgelegt werden. Polen macht sich Hoffnung, im Rahmen der neuen Förderperiode der Europäischen Union (EU) finanzielle Mittel für die Unterstützung der Strategie zu erhalten. Klimaminister Michał Kurtyka stellte die wesentlichen Ziele der Wasserstoffstrategie im Juli 2020 vor.
Hauptziele der polnischen Wasserstoffstrategie
- Schaffung einer Wertschöpfungskette für kohlenstoffarme Wasserstofftechnologien
- Stärkung der Rolle von Wasserstoff beim Aufbau der Energiesicherheit Polens
- Einführung von Wasserstoff als Verkehrskraftstoff
- Vorbereitung neuer Regelungen für den Wasserstoffmarkt
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Beitrag zu sauberer Luft und Energiesicherheit
Nach Einschätzung des Ministeriums könnte die Entwicklung des Wasserstoffsektors in den kommenden zehn Jahren erheblich dazu beitragen, die Emission von Schadstoffen in Polen zu reduzieren. Insbesondere im Verkehrssektor gebe es großes Potenzial. Dank der Entwicklung von Power-to-Gas/Flüssigkeits-Technologien dürfte es laut Klimaministerium zudem zu einem Anstieg des Wasserstoffverbrauchs im Heizungssektor kommen.
Die Regierung hofft, durch den Einsatz von Wasserstoff weniger auf ausländische Energieimporte angewiesen zu sein und so im Energiebereich unabhängiger zu werden. Aus Sicht von Gniewomir Flis vom Beratungsunternehmen Aurora Energy Research ist die Wasserstoffstrategie zwar ein Schritt in die richtige Richtung, ihre Wirksamkeit wird jedoch durch das Fehlen einer starken Entwicklungsstrategie für erneuerbare Energien (EE) eingeschränkt.
Ende Juli veröffentlichte das Klimaministerium Pläne, die die Ernennung eines Regierungsbevollmächtigten für die Wasserstoffwirtschaft vorsehen. Er soll die Ausarbeitung der Strategie unterstützten. Außerdem sollen die auf die einzelnen Ministerien für Klima, Wirtschaft, Infrastruktur sowie Wissenschaft und Hochschulbildung verteilten Arbeiten zur Nutzung von Wasserstoff in der Wirtschaft koordiniert werden.
Die Farbe stimmt noch nicht
Polen ist bereits ein wichtiger Produzent von Wasserstoff. Laut Ireneusz Zyska, Polens stellvertretendem Klimaminister und Regierungsbeauftragten für EE, belegt das Land im weltweiten Ranking der größten Wasserstoffproduzenten den 5. Platz. Wie Maciej Giers, Energieexperte der Beratungsfirma Esperis, im Interview mit dem staatlichen Nachrichtenportal PolskieRadio24.pl sagt, entfielen 2019 mehr als 10 Prozent des jährlich in der EU hergestellten Wasserstoffs auf Polen.
Dabei produziert das Land Wasserstoff bislang aus fossilen Brennstoffen, weshalb die Herstellung mit CO2-Emission verbunden ist (sogenannter grauer Wasserstoff). Er ist ein Nebenprodukt in der chemischen Industrie. In Zukunft soll aber auch grüner Wasserstoff, der mithilfe von erneuerbaren Energien erzeugt wird, an Bedeutung gewinnen. Das betonte Zyska gegenüber der polnischen Presseagentur PAP. Er sieht für Polen auf diesem Gebiet große Chancen. Gelingen soll dies dank Offshore-Windparks, die in der Ostsee entstehen. Ab 2025 soll der erste Strom aus den Anlagen geliefert werden.
Nicht nur grüner Wasserstoff soll eine Rolle spielen
Damit Wasserstoff im polnischen Energiemix an Bedeutung gewinnt, wird es laut Polnischem Wirtschaftsinstitut (Polski Instytut Ekonomiczny; PIE) allerdings nicht ausreichen, überschüssige Energie aus EE-Anlagen zu nutzen. Eine Lösung könnte der Import von Wasserstoff in Form von komprimiertem oder verflüssigtem Gas sein. Auch der Bau von speziellen EE-Farmen für die Produktion von Wasserstoff an geografisch gut gelegenen Standorten sei eine Möglichkeit. Das Institut betont in diesem Zusammenhang das große Potenzial von Offshore-Windparks. Gute Grundvoraussetzungen für die Entwicklung des Wasserstoffsektors in Polen böten zudem unterirdische Speicher. Das Arbeitsgasvolumen der polnischen Salzkavernen ist nach Angaben von PIE das viertgrößte innerhalb Europas.
Im Gespräch mit dem Wirtschaftsportal BiznesAlert.pl betont Zyska im April 2020 allerdings, dass aus seiner Sicht nicht ausschließlich auf grünen Wasserstoff gesetzt werden kann. Auf die Frage, ob die grüne Variante in der polnischen Wasserstoffstrategie Priorität haben wird, antwortete der Minister: "So würde ich es nicht ausdrücken. Unser Plan muss rational und wirtschaftlich vertretbar sein. Technologische Lösungen sollten nicht ideologisiert werden. Ich arbeite hauptsächlich mit erneuerbaren Energien, aber eine gewaltsame Entkarbonisierung wäre schädlich und würde die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft Polens beeinträchtigen."
Altes Übertragungsnetz könnte zum Problem werden
Nach Aussagen des stellvertretenden Ministers soll Wasserstoff in der heimischen Wirtschaft im Straßen- und Schienenverkehr, in der Industrie und als Energiespeicher verwendet werden. Die besten Einsatzmöglichkeiten von Wasserstoff sind aus Sicht des PIE die Stahlproduktion, als Kraftstoff für Fahrzeuge, zur Notstromversorgung sowie als alternative Energiequelle zu Erdgas.
Ein Hindernis bei der Entwicklung des Wasserstoffsektors ist der schlechte Zustand des heimischen Gasnetzes. Rund 40 Prozent des Übertragungsnetzes seien älter als 40 Jahre, berichtet Aleksander Szpor, Leiter des Energie- und Klimateams bei PIE. "Nur 10 Prozent sind jünger als 5 Jahre. Notwendige Investitionen in die Modernisierung der Gasinfrastruktur sollten heutzutage zumindest Pilotprojekte umfassen, die eine Mischung von Wasserstoff mit Erdgas ermöglichen", empfiehlt der Experte.
Von Niklas Becker
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Warschau