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Branche kompakt | Vereinigtes Königreich | Automobilsektor

Branchenstruktur

Die elektromobile Transformation ist kein einfacher Prozess für die britische Automobilindustrie. Mit Milliardeninvestitionen stützt die Regierung die Entwicklung der Branche.

Von Marc Lehnfeld | London

Automobilstandort auf Konsolidierungskurs

Das Vereinigte Königreich ist laut OICA der siebtgrößte Produktionsstandort für Pkw in Europa und weltweit auf Rang 16. Die Insel ist vor allem ein Produktionshub, denn rund 77 Prozent der hergestellten Pkw werden exportiert, überwiegend in die EU. Die Branche durchlebt allerdings einen tiefen Strukturwandel und blickt auf bessere Zeiten zurück. Ihr vorläufiger Produktionshöhepunkt von rund 1,7 Millionen hergestellten Autos 2016 bleibt in weitere Ferne. So liegt das Volumen im Jahr 2024 mit knapp 779.584 rund 55 Prozent darunter. 

Verantwortlich für den Schrumpfungskurs sind sowohl die Verunsicherung und Verschlechterung der Handelsbedingungen durch den Brexit, die Einschränkungen der Coronapandemie und vor allem der Druck auf die Umstellung der Produktionsanlagen im Zuge der elektromobilen Transformation in einem neuen Wettbewerbsverhältnis zu chinesischen Herstellern. 

Automobilhersteller investieren in elektromobile Transformation

Aktuell deutet aber vieles auf eine Konsolidierung der Branche hin. Nissan steckt zwar in einem konzernweiten Sparkurs, rüstet sein Werk in Sunderland aber bereits aufwändig für die Produktion dreier neuer Elektromodelle um und hat die Batteriebeschaffung über zwei in Bau befindliche Fabriken des Partners AESC gesichert. Auch Jaguar Land Rover (JLR) steckt in einem über 17 Milliarden Euro schweren Umbauprogramm, um die Standorte Solihull, Halewood, Wolverhampton für die neuen E-Modelle fit zu machen. 

Größte Pkw-Hersteller im Vereinigten Königreich in 2024Stückzahl

Hersteller

Pkw-Produktion 

Gesamtproduktion

779.584

Nissan

282.124

Jaguar Land Rover

257.110

MINI

110.742

Toyota 1) 

98.055

Bentley 

10.770

Stellantis 

363

Andere 2) 

20.645

1 inklusive Suzuki; 2 umfasst Aston Martin, Caterham, LEVC, McLaren, Morgan und Rolls Royce.Quelle: SMMT 2025

Im Toyota-Werk in Burnaston wird zwar bisher nur der Hybrid-Corolla hergestellt, der ab 2035 auf der Insel nicht mehr verkaufbar ist. Der japanische Konzern hält aber an seinem Werk fest und wird dort in Zukunft noch nicht näher bezeichnete Elektromodelle produzieren. Die fast 700 Millionen Euro teure Umrüstung von BMWs Mini-Werk in Oxford auf die Elektroserie liegt wiederum auf Eis. Der Konzern ist bereits mit der britischen Regierung in Verhandlung, womöglich über ein Subventionspaket. 

Steigende Ursprungsanforderungen erhöhen Druck auf Gigafactory-Pläne

Die beiden größten Hersteller auf der Insel, Nissan und JLR, haben ihre britischen Produktionsstandorte auch durch eigene, nationale Gigafactory-Projekte abgesichert. So produziert AESC für Nissan in Sunderland bereits Batterien mit einer Jahresgesamtleistung von 1,8 Gigawattstunden. Ein zweites Werk soll in diesem Jahr in Betrieb gehen. Für JLR baut die ebenfalls zum Tata-Konzern gehörende Agratas südlich von Bristol eine Gigafactory mit einem Produktionsvolumen von 40 Gigawattstunden pro Jahr. 

Wichtige Investitionsprojekte in der Kfz-Industrie im Vereinigten Königreich Investitionssumme in Millionen Euro

Akteur

Investitionssumme

Projektstand

Vorhaben/Anmerkungen

Agratas, Tocherunternehmen der Tata Group (indischer Mischkonzern), London

4.693

Im Bau: Geplanter Produktionsstart: 2026

Bau einer neuen Batteriezellen-Gigafabrik in Somerset. Geplante Kapazität: 40 Gigawattstunden. Agratas wird die zukünftigen batterieelektrischen Modelle ihrer Tochtergesellschaft Jaguar Land Rover beliefern, mit dem Potenzial, auch andere Automobilhersteller in Großbritannien und Europa zu beliefern.

Volklec, Coventry

1.173

In PlanungVolklec plant eine neue 10-GWh-Fabrik in den Midlands. Die Batteriezellen sollen für herkömmliche Elektrofahrzeuge, Energiespeicherlösungen und für spezielle Elektrofahrzeuge produziert werden
JATCO, Sunderland

59

Produktionsstart: 2026Neue Anlage zur Produktion von Antriebssträngen zur Belieferung von Nissan 
Quelle: Pressemitteilungen; Recherchen von Germany Trade & Invest 2025

Das ist aber nicht genug. Laut Faraday Institution liegt der jährliche Bedarf der Industrie 2030 bei 110 Gigawattstunden und ist aktuell nur zu 53 Prozent gedeckt. Auch Toyota und BMW haben noch keine Angaben zum Batteriesourcing für die britischen Standorte gemacht. Das Gigafactory-Projekt von Britishvolt scheiterte 2024, während die Projektentwickler der West Midlands Gigafactory weiterhin Investoren suchen. 

Dabei ist die lokale Batterieproduktion ein großer Standortvorteil. Nicht nur für die Absicherung der Lieferkette in Zeiten schwieriger globaler Handelsbeziehungen, sondern auch im Export der Fahrzeuge. Schließlich werden rund 77 Prozent der britischen Pkw-Produktion ausgeführt. Davon über die Hälfte in die EU. Auch wenn das britisch-europäische Handels- und Kooperationsabkommen weitgehend Zollfreiheit verspricht, lauern Risiken bei Elektroautos. 

Zum 1. Januar 2027 steigen nämlich die Ursprungsschwellen, wie im Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich vereinbart. Dann müssen mindestens 55 Prozent des Elektrofahrzeugwerts aus der EU oder dem Königreich stammen. Für die Batteriezelle und das Batteriepack liegt die Schwelle mit 65 Prozent beziehungsweise 70 Prozent noch höher. Die bereits einmalig erhöhte Frist kann bis Ende 2032 nicht weiter verschoben werden. 

Günstige Quoten und Zollsätze in Richtung USA

Neue Sicherheit entsteht in Richtung USA, dem zweitwichtigsten Auslandsmarkt der britischen Automobilindustrie, mit einem Exportanteil von knapp 17 Prozent. Die britische Regierung konnte im Economic Prospertity Deal vergleichsweise gute Exportbedingungen erreichen. So können jährlich 100.000 Pkw zu einem reduzierten US-Importzollsatz von 10 Prozent (7,5 Prozent + 2,5 Prozent MFN-Rate) eingeführt werden. Das entspricht etwa dem britischen Pkw-Ausfuhrvolumen in die USA von 2024. Darüber hinaus wird der erhöhte Satz von 25 Prozent angewendet. Für amerikanische Kfz-Teile-Importe aus dem Vereinigten Königreich fallen ebenfalls 10 Prozent an, sofern für britische Pkw vorgesehen. Damit genießen britische Produkte einen Zollvorteil von 5 Prozentpunkten gegenüber EU-Produkten.

 

Einfuhr ausgewählter Kfz-Teile ins Vereinigte Königreichin Millionen Euro; Veränderung in Prozent
 

2024 1) 

Veränderung 2023/2024

aus Deutschland 2024

SITC 784 Karosserien, Stoßstangen etc.

12.233

-7,8

3.408

SITC 778.3 Kfz-Elektrik

1.712

-2,3

265

SITC 773.13 Zündkabelsätze

1.407

-1,5

63

SITC 713.2 Motoren

1.168

-30,1

283

Summe

16.520

-8,8

4.018

1 Wechselkurs der Europäischen Zentralbank 2024: 1 Euro = 0,84662 Britische Pfund-Sterling (£); Veränderung auf Basis der Landeswährung; SITC-Warenverzeichnis.Quelle: UK Trade Info (HM Revenue & Customs) 2025

Staat kurbelt Branchenentwicklung mit Milliardenförderung an

Die Automobilindustrie ist außerdem Teil der Modern Industrial Strategy der britischen Regierung, mit der die Industrieentwicklung gefördert wird. Der Advanced Manufacturing Plan verspricht eine mit etwa 2,3 Milliarden Euro ausgestattete „Driving Research and Investment in Vehicle Electricfiation“-Initiative (DRIVE35). Davon fließen etwa 575 Millionen Euro in Forschungsbeihilfen mit dem Fokus auf die Batterieentwicklung, elektrische Antriebstechnologien, Leichtbau sowie Brennstoffzellen und Wasserstoffantriebe. 

Das CAM (Connected and Automated Mobility) Pathfinder-Programm wird mit mehr als 170 Millionen Euro bis 2030 verlängert und stärkt die Technologieentwicklung zum autonomen Fahren entlang der CAM Roadmap bis 2035. Mit dem Automated Vehicles Act 2024 wird die gesetzliche Grundlage für das autonome Fahren schrittweise bis 2027 eingeführt. Damit gehört das Königreich zu den wenigen Ländern weltweit mit einem detaillierten und umfangreichen Regulierungsrahmen.

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