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Rechtsbericht | Vietnam | Arbeitsrecht

Arbeitsrecht

Das vietnamesische Arbeitsrecht ist strikt auf Arbeitnehmerschutz ausgerichtet. Seit April 2022 dürfen mehr Überstunden geleistet werden.

Von Peter Buerstedde | Hanoi

Gesetzliche Regelungen auf einen Blick

Vergütung: Kann in Kollektivverträgen zwischen dem Arbeitgeber und Gewerkschaftsvertretern im Betrieb geregelt werden (diese enthalten auch Regelungen zu Arbeits- und Pausenzeiten, Sozialversicherung, Arbeitsschutz); Flächentarifverträge gibt es nicht

Mindestlohn: Nach vier Regionen gestaffelt; wird unregelmäßig angepasst

Arbeitsstunden pro Woche: 48 Stunden an sechs Tagen; bei besonders schwerer oder gefährlicher Arbeit sechs Stunden am Tag

Regelarbeitstage pro Woche: Montag bis Freitag oder Samstag

Zulässige Überstunden: maximal 40 pro Monat und 300 im Jahr

Bezahlte Feiertage: Elf

Bezahlte Urlaubstage: zwölf Tage im Jahr (bei einem Arbeitsverhältnis von zwölf Monaten, normale Arbeitsbedingungen); 14 Tage für Arbeitnehmer unter 18 Jahren (Altersuntergrenze: 16) und für solche, die großen Belastungen/Gefahren ausgesetzt sind; 16 Tage für besonders gefährliche Arbeiten (zum Beispiel Bergbau); nach jeweils fünfjähriger Betriebszugehörigkeit erhöht sich der Urlaubsanspruch um einen Tag; bezahlter Urlaub ist außerdem zu gewähren bei eigener Hochzeit (drei Tage), Hochzeit eines Kindes (ein Tag), Tod eines Elternteils, der Schwiegereltern, des Ehegatten oder eines Kindes (je drei Tage)

Sonderzahlungen pro Jahr in Monatslöhnen: Nicht verpflichtend, aber üblich (13. Monatsgehalt als Jahresbonus und/oder Neujahrsbonus); gegebenenfalls 14. Jahresgehalt als Leistungsbonus

Tage mit Lohnfortzahlung bei Krankheit: Bis zu 30 Tage im Jahr durch die Krankenversicherung bei einer Einzahlungsdauer von bis zu 15 Jahren, bei 15 bis 30 Jahren steigt der Leistungsanspruch auf 40 Tage, ab 30 Jahren auf bis zu 60 Tage; das Krankengeld beträgt 75 Prozent des Grundgehalts; bei Krankheit eines Kindes bis zu drei Jahren zahlt die Krankenversicherung bis zu 20 Tage im Jahr, bei drei bis sieben Jahre alten Kindern maximal 15 Tage, sofern sich der Arbeitnehmer um das Kind kümmert

Probezeit: Bis zu 60 Tage für Tätigkeiten, die einen Hochschul- oder Fachhochschulabschluss erfordern; bis zu 30 Tage für Tätigkeiten, die einen Berufsschulabschluss erfordern sowie für technische und sonstige Facharbeiter; bis zu sechs Tage für alle anderen Tätigkeiten; für Führungspositionen 180 Tage

Quelle: Labor Code 2023, Recherchen von Germany Trade & Invest 2023

Rechtsgrundlagen

Grundlage des vietnamesischen Arbeitsrechts ist das zum 1. Januar 2021 in Kraft getretene Arbeitsgesetz. Dieses implementiert unter anderem grundlegende Abkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zum Verbot der Kinderarbeit oder die Verpflichtung zur Zulassung freier Gewerkschaften.

Flankiert wird das Arbeitsgesetz durch weitere relevante Normen wie dem Sozialversicherungsgesetz. Allerdings geben diese Gesetze nur den allgemeinen Rahmen vor, die wesentlichen Details werden in Durchführungsregelungen der Regierung oder der zuständigen Ministerien festgelegt. Maßgeblich ist das Arbeitsministerium.

Vertragsabschluss

Vietnam schreibt den Schutz der Arbeitnehmerrechte groß. In der Folge wird die Gesetzgebung regelmäßig zugunsten der Arbeitnehmer interpretiert.

Dem vietnamesischen Arbeitsrecht unterliegen auch aus dem Ausland entsandte Arbeitnehmer, die in Vietnam aufgrund eines lokalen Arbeitsvertrags (in Ergänzung zum ausländischen Entsendevertrag) tätig sind. Der Arbeitsvertrag muss den Vorgaben des vom Arbeitsministerium herausgegebenen Standardvertrags sowie gesetzlichen Bestimmungen entsprechen. Widersprüche zur Gesetzgebung können zur Unwirksamkeit eines Arbeitsvertrages führen. In der Praxis empfiehlt es sich, den Standardvertrag um die spezifischen Anforderungen des jeweiligen Unternehmens zu ergänzen.

Das Arbeitsgesetz von 2021 sieht vor, dass auch informelle Vereinbarungen oder als Dienstleistungsverträge bezeichnete Dokumente als Arbeitsvertrag zu qualifizieren sind, wenn der zugrundeliegende Vertrag eine Berufsbeschreibung, eine Vergütung sowie Aufsichts- und Disziplinarrechte einer Vertragspartei vorsieht. Ziel ist, einer Scheinselbstständigkeit vorzubeugen. 

Verträge können befristet oder unbefristet geschlossen werden. Bei befristeten Arbeitsverträgen sind zwölf bis 36 Monate üblich. Diese können einmal um maximal weitere 36 Monate verlängert werden. Wird der Mitarbeiter nach Ablauf der zweiten Befristung weiterbeschäftigt, wandelt sich das Arbeitsverhältnis automatisch in ein unbefristetes Verhältnis. Mehr als einmal befristet verlängert werden dürfen unter anderem Verträge mit ausländischen Angestellten. 

Möglich ist zudem die Vereinbarung einer Probezeit, innerhalb derer beide Vertragsparteien das Arbeitsverhältnis ohne Angabe von Gründen oder einer Verpflichtung zu einer Abfindung auflösen können. Die zulässige Höchstdauer der Probezeit beträgt für einfache Tätigkeiten sechs Tage, für Tätigkeiten, die eine berufliche Ausbildung voraussetzen, 30 Tage sowie für Arbeiten, für die eine Hochschulausbildung erforderlich ist, 60 Tage. Der innerhalb der Probezeit gezahlte Lohn muss mindestens 85 Prozent des späteren Gehalts entsprechen. Bei Führungspositionen kann eine Probezeit von 180 Tagen vereinbart werden. 

Die Arbeitszeit beträgt je nach betrieblicher Regelung bis zu 48 Stunden pro Woche. Eine Vielzahl an Arbeitnehmern aber ist auf Mehreinkünfte aus Überstunden angewiesen, um den Lebensunterhalt zu decken. Die Überstunden dürfen nicht 50 Prozent der regulären Arbeitszeit übersteigen und die gesamte Tagesarbeitszeit kann höchstens 12 Stunden betragen. Erlaubt sind maximal 40 Überstunden im Monat oder 200 im Jahr. In den wichtigen Exportsektoren sind aber 300 Überstunden rechtlich möglich. Vielfach arbeiten Fabrikarbeiter wesentlich mehr als zugelassen. 

Auch Regelungen zu Streikrechten sind im Arbeitsgesetz geregelt. Kommt es zu Streiks, sind diese in der Regel anlassbezogen und "wild", ohne Einhaltung der strikten gesetzlichen Vorgaben. 

Seit Januar 2021 ist es Arbeitnehmern erlaubt, neben der Staatsgewerkschaft eine staatlich unabhängige Gewerkschaft zu gründen. Dem Vernehmen nach gibt es noch keine unabhängigen Gewerkschaften. Aber 2023 gilt als Schlüsseljahr, weil Vietnam bis dann entsprechende Verpflichtungen als ILO-Mitgliedschaft sowie als Vertragspartner des Comprehensive and Progressive Agreement for Trans-Pacific Partnership (CPTPP)-Freihandelsabkommens erfüllen muss.  

Rechte und Pflichten der Vertragsparteien

Unternehmen ab zehn Mitarbeitern sind zur Abfassung interner Arbeitsrichtlinien (Internal Working Rules) verpflichtet. Damit diese Gültigkeit haben, müssen sie beim Arbeitsministerium oder bei der lokalen Arbeitsbehörde (Department of Labor, Invalids and Social Affairs) registriert werden.

Folgende Punkte sollten angesprochen werden:

  • Arbeits- und Ruhezeiten
  • Ordnungsvorschriften innerhalb des Unternehmens
  • Berufssicherheit und Hygiene am Arbeitsplatz
  • Schutz des Vermögens und der Vertraulichkeit von Betriebsgeheimnissen
  • konkrete Beispiele zu Verhaltensweisen, die einen Verstoß gegen diese Bestimmungen bedeuten, sowie die zu erwartenden Strafen (wie offizielle Rüge, Aussetzung von allgemeinen Lohnsteigerungen, Versetzung auf eine andere Stelle mit niedrigerem Lohn, Entlassung)

Gerade für die Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen sind die internen Regelungen wichtig, um ein Fehlverhalten zu etablieren und beweisbar zu machen.

Vertragsbeendigung

Soll das Vertragsverhältnis beendet werden, ist zwischen ordentlichen und außerordentlichen sowie zwischen betriebsbedingten und personen-/verhaltensbedingten Kündigungen zu unterscheiden. Bei ordentlichen Kündigungen variieren die Kündigungsfristen zwischen 30 Tagen bei befristeten und 45 Tagen bei unbefristeten Verträgen. 

Im Fall einer verhaltensbedingten Kündigung ist durch den Arbeitgeber eine Abfindung in Höhe eines halben Monatsgehalts zuzüglich Zulagen pro gearbeitetem Jahr zu zahlen. Erfolgt eine betriebsbedingte Kündigung, beträgt die Abfindung ein Monatsgehalt pro Arbeitsjahr, mindestens aber zwei Monatsgehälter. 

Arbeitnehmer können ihren Vertrag, unabhängig von einer Befristung, einseitig kündigen. Zwar bestehen Notifikationspflichten zwischen drei und 60 Arbeitstagen – je nach Dauer des Arbeitsverhältnisses. In der Regel werden bei Kündigung durch den Arbeitnehmer diese Fristen jedoch nicht eingehalten. Grundsätzlich steht auch dem kündigenden Arbeitnehmer eine Abfindung zu.

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