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Wirtschaftsumfeld | Vietnam | Arbeitsmarkt, Lohn- und Lohnnebenkosten

Arbeitsmarkt

Junge, motivierte Arbeitskräfte sind reichhaltig vorhanden. Der Konkurrenzkampf um gut ausgebildete Angestellte wird aber immer härter.

Von Peter Buerstedde | Hanoi

Vietnams Arbeitsmarkt durchläuft weiter eine grundlegende Umwälzung mit einer starken Abwanderung von Arbeitskräften aus der Landwirtschaft in die Industrie und in Dienstleistungsberufe. Die schwache Nachfrage auf Exportmärkten hat seit Anfang 2023 zu massiven Entlassungen in den wichtigen Exportindustrien Textil, Schuhe, Möbel und Elektronik geführt.

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Die Arbeitslosigkeit ist aber weiterhin gering, auch weil der Tourismus sich 2023 deutlich erholt hat. Außerdem bauen ausländische Investoren vor allem im Elektroniksektor die Produktion im Land weiter aus.

Der Anteil der jungen Bevölkerung wächst noch und der Pool an verfügbaren Arbeitskräften in der Landwirtschaft ist weiter gewaltig. Gleichzeitig wird allerdings auch Vietnams Bevölkerung immer älter. Das General Statistics Office (GSO) schätzt, dass sich das demografische Fenster (doppelt so viele Menschen im arbeitsfähigen Alter als jünger oder älter) 2039 schließen wird.

Allgemeine Arbeitsmarktdaten 2022

Bevölkerung (in Mio.)

99,5

Erwerbspersonen (Bevölkerung älter als 15 und jünger als 65 Jahre, in Mio.)

51,7

Erwerbstätige (in Mio.)

50,6

Arbeitslosenquote, offizielle (in %, nach Definition der Internationalen Arbeitsorganisation)

2,3

Analphabetenquote (in %) *

3,9

Universitätsabschluss (in %) *

11,9

* im Alter von über 15 Jahren.Quelle: General Statistics Office 2023

Nur knapp 44 Prozent der Erwerbstätigen bezogen nach Angaben des GSO im Jahr 2022 vertraglich geregelte, feste Löhne oder Gehälter und sind damit sozialversichert. Die Mehrzahl der Arbeitskräfte arbeitet in informellen Arbeitsverhältnissen in der Landwirtschaft oder im Dienstleistungsbereich. 

Ausbildung ist auch Unternehmenssache

Die verarbeitende Industrie – vorrangig die Bereiche Elektronik, Elektrotechnik sowie Automatisierung – sucht händeringend nach erfahrenen Mitarbeitenden und Führungskräften. Facharbeitskräfte in den Bereichen IT und Software sind besonders gefragt. In deutschen Produktionsstätten wird massiv nach technischem Personal und Ingenieuren gesucht. Aber auch im Dienstleistungsbereich und Verkauf, insbesondere in den Funktionen Kundendienst, Vertrieb, Marketing und Buchhaltung mangelt es Unternehmen an Mitarbeitern. 

Gerade die Qualifikation potenzieller Kandidaten bleibt problematisch. Lediglich 26 Prozent der Bevölkerung über 15 Jahre verfügte 2022 über einen Ausbildungsstand, der über den reinen Schulabschluss hinausgeht. Zwar sind junge Arbeitskräfte technikaffin und mit guten mathematischen und naturwissenschaftlichen Grundlagenkenntnissen ausgestattet. Allerdings hapert es an einer hinreichend praktisch orientierten Berufsausbildung. 

Zudem verfügen auch gut ausgebildete Fachkräfte häufig nicht über hinreichende Englischkenntnisse oder die in Unternehmen benötigten sozialen Kompetenzen wie Eigeninitiative und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Firmen sind daher gefordert, eigenständig in die praktische Aus- und Fortbildung ihrer Mitarbeiter zu investieren.

Die Deutsche Auslandshandelskammer (AHK) in Vietnam fördert in Zusammenarbeit mit deutschen Unternehmen wie Bosch, Messer, B. Braun oder Schenker mit ihrem Programm Dual Vocational Training die berufliche Bildung und Ausbildung von Beschäftigten. Einrichtungen wie die Vietnamesisch-Deutsche Universität in Ho-Chi-Minh-Stadt bilden in technischen Berufen aus. Auch die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit engagiert sich im Bereich der Berufsausbildung.

Für den Aufbau neuer Niederlassungen greifen ausländische Firmen regelmäßig auf "Expatriates" zurück. Dies gilt auch für technische Expertenstellen und strategische Posten in der Aufbauphase. Lokale Mitarbeitende sind für Kontakte zu Behörden und zu vietnamesischen Kunden unabdingbar.

Gutes Betriebsklima schützt vor Abwanderung

Die Fluktuation in den Betrieben bleibt ein Problem. Für die Aussicht auf ein höheres Gehalt oder bessere Aufstiegschancen sind gerade junge, hoch qualifizierte Kräfte bereit, ein Unternehmen auch nach erst kurzer Verweildauer wieder zu verlassen. Deutsche Unternehmen vor Ort weisen jedoch darauf hin, dass ein gutes Betriebsklima und eine verantwortungsvolle Führung dazu beitragen, die Beschäftigten zu halten, solange das Gehalt stimmt. 

Vor allem Unternehmen, die ihre erste Niederlassung vor Ort aufbauen, sollten sich beraten lassen. Die AHK ist die erste Anlaufstelle bei der Suche nach Fach- und Führungskräften und vermittelt weitere Kontakte zu Personalagenturen und Anwälten.

Vor allem in der Textil-, Schuh- und Elektronikindustrie werden eine Vielzahl ungelernter und entsprechend gering bezahlter Arbeitskräfte benötigt. Für diese sind in der Regel das Gehalt, die Möglichkeit zur Ableistung bezahlter Überstunden sowie Zusatzleistungen wie Essenszulagen die ausschlaggebenden Faktoren für die Wahl des Arbeitgebers. Massenrekrutierungen erfolgen über lokale Anzeigen, Agenturen sowie Mundpropaganda.

Angestellte im mittleren Bereich werden über Anzeigen in Zeitungen, auf Webseiten und über Jobportale angeheuert. Seriöse Onlinedatenbanken wie Vietnam Works für Angestellte mit einem Monatsgehalt von bis zu 1.000 US-Dollar (US$) oder Navigos Search (für höher vergütete Tätigkeiten) können erste Anlaufstellen für die Personalsuche sein. Auch berufliche Netzwerke wie LinkedIn gewinnen für die Rekrutierung vor allem studierter Fachkräfte an Bedeutung. Unternehmen gehen auch vermehrt dazu über, Kooperationen mit Universitäten und Berufsbildungszentren (Vocational Schools) einzugehen, um talentierte Kandidaten direkt einzustellen.

Für besondere Positionen wird auf Personalberatungen zurückgegriffen. Der Human Resources Association in Hanoi gehören rund 200 Firmen an. Die Agenturen in Ho-Chi-Minh-Stadt haben sich im Vietnam HR Club organisiert. 

Deutsche Unternehmen kaum von Streiks betroffen

Im Jahr 2022 gab es einen deutlichen Anstieg der sonst sehr seltenen Arbeitsniederlegungen. Deutsche Firmen sind in der Regel nicht betroffen. Dies liegt sicherlich auch daran, dass deutsche – genau wie die meisten anderen europäischen Unternehmen – mehr als nur den Mindestlohn zahlen und auf die Einhaltung arbeitsrechtlicher Regelungen achten.

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