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Wirtschaftsumfeld | Vietnam | Praktisches Arbeitsrecht

Praktische Erfahrungen mit dem Arbeitsrecht

Qualifizierte Mitarbeitende zu halten, ist eine Herausforderung. Arbeitnehmer regulär zu kündigen ist auch nicht einfach.

Von Peter Buerstedde | Hanoi

Unternehmen leiden unter dem Fachkräftemangel. Dies gilt gerade in Bereichen, in denen sowohl fachliche als auch (fremd-) sprachliche Kompetenzen gefragt sind. Hier ist die Nachfrage nach geeigneten Kräften selbst in den wirtschaftlichen Zentren des Landes wesentlich höher als das Angebot. Angesichts eines vermehrten Zuflusses ausländischer Investitionen verschärft sich das Problem. Es wird zunehmend schwieriger, für die Arbeit im internationalen Umfeld geeignete Mitarbeiter zu finden. Damit wird es für Unternehmen wichtiger, den Abgang von Spitzenkräften zu verhindern.

Ob eine Arbeitskraft am Arbeitsplatz zu halten ist, hängt vor allem vom Gehalt ab. Gerade junge, hochqualifizierte Menschen haben wenig Hemmungen, die Arbeitsstelle zu wechseln, wenn dafür ein höherer Lohn und bestenfalls noch Aufstiegschancen winken. Dennoch ist Geld nicht alles. Auch das Arbeitsklima und die Identifikation mit dem Unternehmen können Mitarbeitende wirksam an einen Arbeitgeber binden. Viele deutsche Firmen führen zahlreiche Teambuilding-Maßnahmen durch.

Entlassungen sind in der Praxis nur schwer durchsetzbar

Muss eine Arbeitskraft entlassen werden, zeigt sich, dass gesetzliche Regelungen und Praxis wenig miteinander zu tun haben. Die einseitige Durchsetzung einer Kündigung ist in der Regel letztes Mittel. Firmen, die auf ihren Ruf bedacht sind, versuchen selbst in Extremfällen, eine gütliche Einigung zu finden. Auch wenn es selten zu gerichtlichen Verfahren kommt, steht das Arbeitsrecht meist auf der Seite der Arbeitnehmer. 

Eine Kündigung ist bei einem festen Arbeitsverhältnis nur mit Grund möglich. Potenzielle Kündigungsgründe sind solche, die im Gesetz sowie in den "Internal Labor Regulations" aufgeführt sind. Im Rahmen der Kündigung sollten die Gründe detailliert und transparent aufgelistet werden. Dies stellt im Nachhinein klar, dass keine Willkürmaßnahme vorliegt. 

Weil Kündigungen auf dem Gesetzeswege unüblich und schwierig sind, werden alle Möglichkeiten der Vertragsbefristung ausgeschöpft. Um eine gütliche Einigung hervorzurufen, ist der Aufhebungsvertrag eine gangbarere Variante. Dieser regelt unter anderem den an den Arbeitnehmer zu zahlenden Betrag (Abfindung, Sachzuwendungen) und beinhaltet die Verpflichtung des Arbeitnehmers, auszuscheiden und den Arbeitgeber von allen Ansprüchen freizustellen.

Im Gegensatz zum Arbeitgeber genießen Arbeitnehmer erheblich mehr Freiheiten, ihren Arbeitsplatz zu quittieren. Rein rechtlich reicht es, eine Mitteilung über die Kündigung innerhalb der geltenden, kurzen Mitteilungsfristen einzureichen. In der Praxis kommt es aber immer wieder vor, dass Mitarbeiter deutlich früher gehen, ohne dass dies zu Konsequenzen führt.

Pandemie hatte wenig Auswirkungen auf den Arbeitsalltag

Anders als in Deutschland hat die Pandemie in den meisten Unternehmen zu wenig organisatorischen Veränderungen geführt. Der Alltag der im Büro arbeitenden Bevölkerung ist oft noch strikt durchgeplant. Fixe Präsenzzeiten sind die Regel.

Umgehung der Sozialversicherungspflicht ist üblich

Um Sozialversicherungskosten einzusparen, schließen manche Unternehmen mit dem Arbeitnehmer zwei Arbeitsverträge. Dann werden nur auf den Vertrag mit dem niedrigeren Gehalt Sozialabgaben bezahlt. An dieser – gesetzlich nicht gedeckten – Praxis haben oft beide Seiten Interesse. Die Arbeitgeber wollen ihre Lohnkosten minimieren und viele Beschäftigte vertrauen den Sozialkassen nicht – sie bevorzugen eine eigene Altersvorsorge. 

Einige Arbeitgeber führen gesetzwidrig überhaupt keine Sozialabgaben ab. Investoren, die ein lokales Unternehmen übernehmen wollen, sollten im Rahmen der Due-Diligence-Prüfung auch die Sozialversicherungsbuchführung genau untersuchen, um später nicht mit ausstehenden Forderungen konfrontiert zu werden.

Erteilung von Arbeitserlaubnissen bleibt schwierig 

Ausländische Arbeitnehmer, die in Vietnam arbeiten sollen, benötigen neben einem Arbeitsvisum auch eine Arbeitserlaubnis. Das 2020 erlassene Dekret 152 in Verbindung mit der 2021 beschlossenen Resolution 105 hat die Vorgaben der Erteilung verschärft. Eine Arbeitserlaubnis wird für eine Höchstdauer von zwei Jahren zuerkannt, mit der Möglichkeit der einmaligen Verlängerung um weitere zwei Jahre. Nach Ablauf der vier Jahre ist eine Arbeitserlaubnis neu zu beantragen.

Vom Erfordernis der Arbeitserlaubnis ausgenommen sind einzelne Berufsgruppen wie Investoren oder Geschäftsführer eines Unternehmens in Vietnam. Mitarbeiter, die für höchstens 30 Tage am Stück im Land tätig werden, benötigen für Einreise und Berufstätigkeit ebenfalls keine Arbeitserlaubnis. Allerdings sind die Einreisen auf drei pro Jahr beschränkt.

Das Verfahren zur Erteilung einer Arbeitserlaubnis ist aufwändig und langwierig. Auch unterscheidet sich die Vergabepraxis je nach Provinz, in der Anträge gestellt werden. Nach Klagen vieler Auslandskammern und Verbände hat das Arbeitsministerium eine Vereinfachung in Aussicht gestellt. Diese könnte 2024 erfolgen.

Um das Verfahren zur Erteilung einer Arbeitserlaubnis ohne größere Probleme zu durchlaufen, greifen Unternehmen, die Mitarbeiter nach Vietnam entsenden wollen, in der Regel auf Anwaltskanzleien vor Ort zurück. Lokale Agenturen werben teilweise damit, dass sie Erteilungs- und Genehmigungsverfahren schneller und unkomplizierter regeln könnten. Allerdings sind nicht selten Akteure unterwegs, die Versprechungen nicht einhalten können oder aber am Rande beziehungsweise außerhalb der Grenzen der Legalität handeln.

Aufenthalte ohne Visum bis 45 Tage möglich

Manche Unternehmen hatten dem Vernehmen nach in der Vergangenheit für Kurzzeitarbeitseinsätze Touristenvisa genutzt. Um den Tourismus anzutreiben, hat Vietnam mit Wirkung zum 15. August 2023 die Geltungsdauer von Visa verlängert. Deutsche Staatsbürger können jetzt für einen Aufenthalt von bis zu 45 Tagen ohne Visum einreisen. Zuvor galt eine Obergrenze von 15 Tagen. E-Visa werden für bis zu 90 Tage erteilt, mit der Möglichkeit der mehrfachen Einreise.

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