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VietnamArbeits- und Arbeitsgenehmigungsrecht
Wirtschaftsumfeld
Rechtsbericht | Vietnam | Arbeitsrecht
Vietnams Arbeitsrecht ist strikt auf Arbeitnehmerschutz ausgerichtet. Ab 2021 treten Gesetzesreformen in Kraft.
09.12.2020
Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Hanoi
Vergütung: Kann in Kollektivverträgen zwischen dem Arbeitgeber und Gewerkschaftsvertretern im Betrieb geregelt werden (diese enthalten auch Regelungen zu Arbeits- und Pausenzeiten, Sozialversicherung, Arbeitsschutz); Flächentarifverträge gibt es nicht |
Mindestlohn: Nach vier Regionen gestaffelt; wird regelmäßig angepasst |
Arbeitsstunden pro Woche: 48 Stunden an sechs Tagen; bei besonders schwerer oder gefährlicher Arbeit sechs Stunden am Tag |
Regelarbeitstage pro Woche: Montag bis Freitag oder Samstag |
Zulässige Überstunden: Maximal vier pro Tag, ab 2021 maximal 40 pro Monat (2020 maximal 30 pro Monat) und 200 im Jahr, 300 in durch die Regierung bestimmten Sonderfällen |
Bezahlte Feiertage: zehn im Jahr 2020, ab 2021: elf |
Bezahlte Urlaubstage: zwölf Tage im Jahr (bei einem Arbeitsverhältnis von zwölf Monaten, normale Arbeitsbedingungen); 14 Tage für Arbeitnehmer unter 18 Jahren (Altersuntergrenze: 16) und für solche, die großen Belastungen/Gefahren ausgesetzt sind; 16 Tage für besonders gefährliche Arbeiten (zum Beispiel Bergbau); nach jeweils fünfjähriger Betriebszugehörigkeit erhöht sich der Urlaubsanspruch um einen Tag; bezahlter Urlaub ist außerdem zu gewähren bei eigener Hochzeit (drei Tage), Hochzeit eines Kindes (ein Tag), Tod eines Elternteils, der Schwiegereltern, des Ehegatten oder eines Kindes (je drei Tage) |
Sonderzahlungen pro Jahr in Monatslöhnen: Nicht verpflichtend, aber üblich (13. Monatsgehalt als Jahresbonus und/oder Neujahrsbonus); gegebenenfalls 14. Jahresgehalt als Leistungsbonus |
Tage mit Lohnfortzahlung bei Krankheit: Bis zu 30 Tage im Jahr durch die Krankenversicherung bei einer Einzahlungsdauer von bis zu 15 Jahren, bei 15 bis 30 Jahren steigt der Leistungsanspruch auf 40 Tage, ab 30 Jahren auf bis zu 60 Tage; das Krankengeld beträgt 75 Prozent des Grundgehalts; bei Krankheit eines Kindes bis zu drei Jahren zahlt die Krankenversicherung bis zu 20 Tage im Jahr, bei drei bis sieben Jahre alten Kindern maximal 15 Tage, sofern sich der Arbeitnehmer um das Kind kümmert |
Probezeit: Bis zu 60 Tage für Tätigkeiten, die einen Hochschul- oder Fachhochschulabschluss erfordern; bis zu 30 Tage für Tätigkeiten, die einen Berufsschulabschluss erfordern sowie für technische und sonstige Facharbeiter; bis zu sechs Tage für alle anderen Tätigkeiten; ab 2021 für Führungspositionen 180 Tage |
Grundlage des Arbeitsrechts ist das am 1. Mai 2013 in Kraft getretene Arbeitsgesetz (Labor Code), ergänzt durch das seit 2013 geltende Gewerkschaftsgesetz. Flankiert wird das Arbeitsgesetz durch weitere arbeitsrelevante Normen wie das Sozialversicherungsgesetz sowie das Berufsausbildungs- und Weiterbildungsgesetz. Diese Gesetze bestimmen nur den Rahmen, die wesentlichen Details werden in Durchführungsregelungen der Regierung oder der zuständigen Ministerien festgelegt. Maßgeblich ist das Arbeitsministerium (MoLISA).
Der Labor Code wird zum 1.1.2021 durch das 2019 verabschiedete neue Arbeitsgesetz abgelöst werden. Die Neufassung implementiert unter anderem grundlegende Abkommen der Internationale Arbeitsorganisation (ILO) zum Verbot der Kinderarbeit oder die Verpflichtung zur Zulassung freier Gewerkschaften. Insbesondere die Vorgabe, freie Gewerkschaften zuzulassen, fällt der kommunistischen Führung bislang schwer.
Vietnam schreibt den Schutz der Arbeitnehmerrechte groß. In der Folge wird die Arbeitsgesetzgebung regelmäßig zugunsten der Arbeitnehmer interpretiert.
Dem vietnamesischen Arbeitsrecht unterliegen nicht nur vietnamesische Angestellte, sondern auch aus dem Ausland entsandte Arbeitnehmer, die in Vietnam aufgrund eines vietnamesischen Arbeitsvertrags (in Ergänzung zum ausländischen Entsendevertrag) tätig sind. Der Arbeitsvertrag muss den Vorgaben des vom Arbeitsministerium herausgegebenen Standardvertrags entsprechen. Der Arbeitsvertrag ist in Vietnamesisch zu verfassen, kann jedoch auch zweisprachig sein, wenn eine der Parteien ein Ausländer ist. In der Praxis empfiehlt es sich, den Standardvertrag um die spezifischen Anforderungen des jeweiligen Unternehmens zu ergänzen.
Hierzu zählen Klauseln, die den Arbeitnehmer zu Nicht-Wettbewerb während des Beschäftigungsverhältnisses und zur Wahrung von Betriebsgeheimnissen verpflichten. Nachvertragliche Wettbewerbsvereinbarungen sind zumindest mit dem im Arbeitsgesetz stipulierten Recht eines jeden Arbeitnehmers auf Arbeit grundsätzlich nicht vereinbar. Sie dürften damit nur im Falle freiwilliger Einhaltung tatsächlich Wirkung entfalten.
Die Arbeitsverträge müssen den gesetzlichen Bestimmungen genügen. Details in Bezug auf Pflichtangaben des Arbeitsvertrags finden sich im Decree 148/2018/ND-CP in Verbindung mit Decree 05/2015/ND-CP. Widersprüche zur Gesetzgebung können zur Unwirksamkeit eines Arbeitsvertrages führen. Der Abschluss mündlicher Arbeitsverträge ist nur bei einer Vertragsdauer von bis zu drei Monaten zulässig.
Verträge können befristet oder unbefristet geschlossen werden. Bei befristeten Arbeitsverträgen sind 12 bis 36 Monate üblich. Bislang können diese lediglich einmal um maximal weitere 36 Monate verlängert werden und müssen danach in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis umgewandelt werden.
Möglich ist zudem die Vereinbarung einer Probezeit, innerhalb derer Arbeitgeber und Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis ohne Angabe von Gründen oder einer Verpflichtung zu einer Abfindung auflösen können. Die zulässige Höchstdauer der Probezeit beträgt für einfache Tätigkeiten sechs Tage, für Tätigkeiten, die eine berufliche Ausbildung voraussetzen, 30 Tage sowie für Arbeiten, für die eine Hochschulausbildung erforderlich ist, 60 Tage. Der innerhalb der Probezeit gezahlte Lohn muss mindestens 85 Prozent des späteren Gehalts entsprechen. Die ab dem 1.1.2021 geltende Neufassung des Arbeitsgesetzes erlaubt es, bei Führungspositionen eine Probezeit von 180 Tagen zu vereinbaren.
Bislang sind kollektive Arbeitsvereinbarungen gängige Praxis. In ihnen finden sich Regelungen zur Lohnhöhe, zum Bonussystem, zu Sozialabgaben, zu Arbeitszeiten und Pausen, zur Arbeitssicherheit sowie zu den Streikrechten der Arbeitnehmer.
Unternehmen ab zehn Mitarbeitern sind zur Abfassung interner Arbeitsrichtlinien (Internal Working Rules) verpflichtet. Damit diese Gültigkeit haben, müssen sie beim Arbeitsministerium oder bei der lokalen Arbeitsbehörde (Department of Labor, Invalids and Social Affairs (DoLISA)) registriert werden.
Folgende Punkte sollten angesprochen sein: Arbeits- und Ruhezeiten, Ordnungsvorschriften innerhalb des Unternehmens, Berufssicherheit und Hygiene am Arbeitsplatz, Schutz des Vermögens und der Vertraulichkeit von Betriebsgeheimnissen, konkrete Beispiele zu Verhaltensweisen, die einen Verstoß gegen diese Bestimmungen bedeuten, sowie die zu erwartenden Strafen (wie offizielle Rüge, Aussetzung von allgemeinen Lohnsteigerungen (maximal für sechs Monate möglich), Versetzung auf eine andere Stelle mit niedrigerem Lohn, Entlassung).
Soll das Vertragsverhältnis beendet werden, ist zwischen ordentlichen und außerordentlichen sowie zwischen betriebsbedingten und personen-/verhaltensbedingten Kündigungen zu unterscheiden. Bei ordentlichen Kündigungen variieren die Kündigungsfristen zwischen 30 Tagen bei befristeten und 45 Tagen bei unbefristeten Verträgen. Saisonverträge und Verträge von einer Laufzeit von bis zu zwölf Monaten unterliegen ebenfalls der 30-Tage-Frist. Bei außerordentlichen Kündigungen sind keine Fristen einzuhalten.
Im Falle einer verhaltensbedingten Kündigung ist durch den Arbeitgeber eine Abfindung in Höhe eines halben Monatsgehalts zuzüglich Zulagen pro gearbeitetem Jahr zu zahlen. Erfolgt eine betriebsbedingte Kündigung, beträgt die Abfindung ein Monatsgehalt pro Arbeitsjahr, mindestens aber zwei Monatsgehälter.
In der geltenden Pandemielage eröffnet Artikel 38 Labor Code die Möglichkeit, Arbeitnehmer gegen die Zahlung einer Abfindung aufgrund von höherer Gewalt zu entlassen. Gemäß Artikel 98 Labor Code können Arbeitgeber mit der Begründung des Vorliegens einer gefährlichen Epidemie ihre Mitarbeiter zeitweise von der Arbeit freistellen. Die Löhne, die in der Freistellungsphase zu zahlen sind, können frei verhandelt werden, müssen aber zumindest dem regional anwendbaren Mindestlohn entsprechen.
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