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Branchen | Ägypten | Gesundheitswesen

Reformen verändern Ägyptens Gesundheitssektor

Eine allgemeine Krankenversicherung verbessert die Gesundheitsversorgung für breite Bevölkerungsteile Ägyptens. Private Anbieter müssen ihre Rolle neu finden. 

Von Marcus Knupp | Kairo

Bisher ist nur ein kleiner Teil der Bevölkerung Ägyptens krankenversichert. Die meisten müssen ihre Arztkosten und Medikamente aus eigener Tasche (out of pocket, OOP) bezahlen oder sind auf soziale Hilfsdienste angewiesen. Deshalb hat die ägyptische Regierung 2018 die Einführung einer allgemeinen Krankenversicherung (Universal Health Insurance, UHI) für alle Einwohner des Landes beschlossen.

Einführung in Phasen bis 2032

Die Implementierung erfolgt in sechs Phasen. In jeder Phase kommt eine Gruppe von Provinzen hinzu. Am Anfang stehen kleinere Provinzen, den Abschluss bildet die Metropole Kairo. Bis 2032 sollen dann alle Ägypter in das neue System aufgenommen sein. Den Anfang machten 2019 Port Said und 2020 Luxor. Nach einer durch die Corona-Pandemie bedingten Pause folgten seit 2022 die Provinzen Ismailia, Süd-Sinai, Suez sowie zuletzt Assuan. In der zweiten Phase ab Mitte 2025 stehen nun Damietta, Minya, Kafr el-Sheikh, Nord-Sinai und Marsa Matruh auf dem Programm.

Das System einer universellen Pflichtversicherung ist neu für Ägypten. Zu Beginn müssen die Verantwortlichen daher zunächst Erfahrungen sammeln. Dabei können sie auf die Unterstützung des Privatsektors zurückgreifen. Denn neben der staatlichen Versicherung für die Beschäftigten des öffentlichen Sektors, die rund 6 Prozent der Bevölkerung abdeckt, bieten bisher auch private Unternehmen Krankenversicherungen an. Diese wenden sich mit höheren Beiträgen in erster Linie an wohlhabendere Bevölkerungsteile.

An die UHI führen Arbeitgeber 4 Prozent des Bruttolohnes ab. Arbeitnehmer zahlen zwischen 1 und 5 Prozent, je nachdem, wie viele abhängige Personen mitversichert sind. Rentner und Pensionäre müssen 2 Prozent ihrer Rente abführen. Ob das reicht, muss sich zeigen. Eine zusätzliche Finanzierung der UHI ist aus dem allgemeinen Haushalt vorgesehen, vor allem, um auch die ärmere Bevölkerung integrieren zu können. Unterstützung bei der Einführung in Höhe von 1,3 Milliarden US-Dollar (US$) erhält Ägypten von der Weltbank und der Japan International Cooperation Agency (JICA).

Ausbau der Gesundheitsinfrastruktur

Zum neuen Versicherungssystem gehören im Kern drei neu geschaffene Institutionen:

  • Universal Health Insurance Authority (UHIA); für die Abwicklung der Zahlungen zuständig; das Personal wurde zum Teil von der bestehenden Health Insurance Organization (HIO) übernommen
  • Egypt Healthcare Authority (EHA); verantwortlich für alle Einrichtungen und damit für die erfolgreiche Einführung des Systems in der Praxis
  • General Authority for Healthcare Accreditation and Regulation (GAHAR); zuständig für Standards und Zulassungen und damit für die Qualität im neuen System

Die UHIA agiert als Käufer am Markt für Gesundheitsleistungen, welche die Versicherten erhalten. Aufträge gehen dabei an öffentliche wie an private Einrichtungen, zum Beispiel an Krankenhäuser. Die Verteilung der Ausgaben für Gesundheitsleistungen auf die verschiedenen Anbieterkategorien hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) 2023 analysiert. Über den Einzelhandel verkaufte medizinische Produkte, also vor allem Arzneimittel, haben den größten Anteil. Das meiste davon entfällt bisher auf Eigenleistungen der Patienten.

Tendenziell werden sich die Leistungen aus der allgemeinen Krankenversicherung erhöhen. Auch dies zeigt die Untersuchung der WHO. So beliefen sich die durchschnittlichen Leistungen der alten öffentlichen Krankenversicherung HIO im Finanzjahr 2019/20 auf 281 Ägyptische Pfund (EGP, rund 18 US$ zum damaligen Kurs). Bei privat versicherten Patienten waren es 4.285 EGP (270 US$) und in der damals in Port Said neu eingeführten UHI 1.147 EGP (72 US$). Dadurch lässt sich erwarten, dass sich die Ansprüche der Versicherten im neuen System in etwa vervierfachen werden. 

Deutlich zunehmen wird mit der Zahl der Berechtigten auch der Bedarf an Gesundheitsinfrastruktur. In dem bestehenden Modell mit überwiegender Selbstzahlung verzichten viele Patienten auf eine Behandlung beziehungsweise sie können sie schlicht nicht bezahlen. Haben sie in Zukunft als in der UHI Versicherte einen Anspruch auf Behandlungen, wird die Nachfrage steigen. Die ägyptische Investitionsförderagentur GAFI rechnet mit einem zusätzlichen Bedarf von über 170.000 Krankenhausbetten bis 2030. Das Beratungsunternehmen Colliers schätzt den Bedarf je nach angestrebter Versorgungsdichte auf 38.000 bis 120.000 Betten. Im Jahr 2024 gab es im ganzen Land lediglich 142.000 Krankenhausbetten.

Integration des Privatsektors

Das Ministerium für Gesundheit und Bevölkerung betreibt rund 1.300 Krankenhäuser in ganz Ägypten. In diesen Einrichtungen stehen etwa 60 Prozent aller Betten. Der Rest befindet sich in Universitätskliniken, Einrichtungen des Militärs und in privat betriebenen Krankenhäusern. Private Gesundheitsdienstleister setzen nun darauf, Stücke vom größer werdenden Kuchen abzubekommen. Da die UHI in Zukunft die Grundversorgung der gesamten Bevölkerung abdecken soll, werden sich die privaten Krankenversicherer mehr um zusätzliche Angebote kümmern.

Nach Zahlen der American Chamber of Commerce in Egypt gab es 2024 in Ägypten 8.055 private Unternehmen im Gesundheitssektor. Wichtige Player sind die Cleopatra Hospitals Group, der Krankenhausbetreiber Saudi German Health oder die Integrated Diagnostics Holding, die landesweit über 650 Labors betreibt. Ein Gesetz von 2024 (Nr. 87) erlaubt es auch privaten Unternehmen, öffentliche Krankenhäuser für einen Zeitraum von drei bis 15 Jahren zu betreiben. Die große Aufgabe wird sein, einerseits die bestehenden und neu hinzukommenden Einrichtungen in das System der allgemeinen Krankenversicherung zu integrieren und andererseits die über das Grundangebot hinausgehenden Leistungen zu sichern.

Gesundheitsausgaben in Ägypten sollen stetig wachsen *)
Jahr202420252026202720282029
Gesundheitsausgaben (in Milliarden US$) 13,514,115,717,118,220,2
* Anteil des Privatsektors liegt bei 65 Prozent, fast 90 Prozent davon als Selbstzahlung der PatientenQuelle: Economist Intelligence Unit 2025

 

 

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