Branche kompakt | Argentinien | Ernährungswirtschaft
Branchenstruktur
Gegenwärtig zeigt sich die argentinische Nahrungsmittelbranche überaus fragmentiert und in Teilen ineffizient. Jetzt geht der Trend hin zu mehr Automatisierung.
15.05.2025
Von Stefanie Schmitt | Santiago de Chile
Argentinien verfügt über eine hochentwickelte und sehr breit aufgestellte Landwirtschaft und auf dieser basierend über eine sehr diversifizierte Ernährungsindustrie – nicht allein für den Endverbrauch, sondern auch als Zulieferer für Weiterverarbeiter.
Zum Beispiel produzierte Argentinien 2024 laut der argentinischen Kammer der Geflügelproduzenten (Cámara Argentina de Productores Avícolas) über 17 Milliarden Eier, davon ging etwa eine Milliarde als Vollpulver, Eigelbpulver oder Albumin in industrielle Anwendungen.
Nach Angaben der Beobachtungsstelle der argentinischen Milchlieferkette (Observatorio de la Cadena Láctea Argentina; OCLA) werden täglich rund 27 Millionen Liter Milch produziert, die hauptsächlich zu Käse, Milchpulver, Trinkmilch und Kasein weiterverarbeitet werden. Die etwa 600 Molkereien sind überwiegend auf den Binnenmarkt ausgerichtet. Dennoch exportierte Argentinien im Jahr 2024 für mehr als 1,4 Milliarden US-Dollar (US$) rund 383.000 Tonnen Milchprodukte, hauptsächlich Milchpulver und Käse, ins Ausland, wobei über die Hälfte der Exporte nach Brasilien ging. Zu den exportierten Produkten gehört auch Dulce de Leche, eine Spezialität der argentinischen Gastronomie.
Gemäß Informationen des nationalen Statistikamtes INDEC wurden rund 8,4 Millionen Tonnen Sojabohnenöl sowie 1,7 Millionen Tonnen Sonnenblumenöl produziert. Beim Export von Sonnenblumenöl steht Argentinien 2024/25 damit weltweit voraussichtlich an dritter Stelle nach Russland und der Türkei, während das Land beim Export von Sojabohnenöl seit Jahren Platz eins belegt, so das US Foreign Agricultural Service.
Situation der Winzer typisch für viele kleine Produzenten in Argentinien
Nicht nur Steaks – auch Wein aus Argentinien lässt das Herz vieler Genießer höherschlagen. Namen wie Malbec oder Torrente haben in der Weinwelt einen besonderen Klang. Laut Gesetz ist Wein sogar Nationalgetränk. Doch die Winzer hatten es in den letzten Jahren schwer. Aufgrund der schwierigen makroökonomischen Situation ist der Inlandskonsum seit Jahren rückläufig. Hatte er 2007 noch bei 124 Millionen Kisten gelegen, waren es 2024 nur noch 85 Millionen. Überdies sanken die Exporte von 44 Millionen Kisten im Jahr 2000 auf etwa 24 Millionen 2024. Vor diesem Hintergrund attestierte der Finanzdienstleister Supervielle in seinem Jahresbericht 2024/25 den fast geringsten Gesamtumsatz auf Weingüterebene der letzten zwei Jahrzehnte bei einem Durchschnittspreis auf einem Niveau von vor fast zwanzig Jahren.
In der Folge geht die Produktion seit Jahren zurück; mit 8,8 Millionen Hektoliter im Jahr 2023 rutschte Argentinien im Ranking der Weinbaunationen innerhalb von zwei Jahren von Platz 6 auf Platz 8 ab, so die International Organization of Vine and Wine (OIV). Doch es gibt Hoffnung: Der Inlandsmarkt scheint sich zu stabilisieren – und mit der Aufhebung der Kapitalverkehrskontrollen ("Cepo") wird auch der Export wieder attraktiver. Bis dato waren die Winzer - wie andere Unternehmen auch - gezwungen, ihre Deviseneinnahmen aus dem Export bei der Zentralbank zum offiziellen Wechselkurs einzutauschen statt zum deutlich günstigeren "Blue-Dollar-Kurs". Dies bedeutete einen Verlust von 30 bis 40 Prozent, was viele den Betrieb einstellen ließ. Nun denken einige wieder über den Ausbau ihrer Aktivitäten nach.
Weit aufgefächerte Unternehmensstruktur mit großem informellem Anteil
Die Politik jahrelanger Importsubstitution hat in Argentinien zu einer überaus fragmentierten, nicht immer effizienten Unternehmenslandschaft im Ernährungsbereich geführt. Allein im Süßwarenbereich gibt es zum Beispiel mehr als 120 Hersteller, darunter überwiegend kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Generell werden in Folge der Marktreformen viele weniger finanzstarke Firmen aufgeben müssen, doch nimmt dies die Regierung als Teil ihrer schmerzhaften, aber notwendigen "Schocktherapie" in Kauf.
In der Folge produziert außerdem eine Vielzahl internationaler Player vor Ort. Die wichtigsten Firmen in der Backwaren-Industrie beispielsweise sind:
- Grupo Bimbo/Mexiko, einschließlich Wickbold/Brasilien (2024 von Bimbo aufgekauft)
- Barilla/Italien
- Campell Soup Company/USA
- Europastry/Spanien
- Gruma/Mexiko
- Con Alimentos/Mexiko
Selbstverständlich sind auch all die Großen der internationalen Lebensmittel- und Getränkeindustrie wie Nestlé, Unilever, Danone, Coca-Cola, PepsiCo oder Mondelez mit eigener Herstellung präsent. Zu den größten argentinischen Unternehmen mit breiter Produktpalette gehören Arcor, Aceitera General Deheza (AGD), Molino Cañuelas, Molinos Río de la Plata, Frigorífico Paladini oder La Serenísima (Mastellone Hnos).
Neben dem formellen Sektor spielt in der Lebensmittelverarbeitung – wie in der gesamten argentinischen Wirtschaft - der informelle Sektor eine herausragende Rolle. In der Fleischverarbeitung beispielsweise gibt es nach Informationen des Instituto de Promoción de la Carne Vacuna Argentina (IPVA) landesweit rund 350 offizielle Schlachthöfe (davon etwa 70, die für den Export arbeiten) – aber darüber hinaus unzählige informelle lokale Schlachter, Metzgereien und Kühlhäuser.
Marktanteile der wichtigsten Anbieter
Firma / Hauptsitz (Land) | Standort, Provinz | Anteil |
---|---|---|
Unilever / Großbritannien | Munro, Provinz Buenos Aires | 19,0 |
Aceitera General Deheza / Argentinien | General Deheza, Provinz Córdoba
| 15,5 |
Arcor / Argentinien | Munro, Provinz Buenos Aires | 11,7 |
Molino Cañuelas / Argentinien | Cañuelas, Provinz Buenos Aires | 7,2 |
Molinos Río de la Plata / Argentinien | Victoria, Provinz Buenos Aires | 5,3 |
Firma / Hauptsitz (Land) | Standort, Provinz | Anteil |
---|---|---|
Molinos Río de la Plata / Argentinien | Victoria, Provinz Buenos Aires | 6,4 2) |
Frigorífico Paladini / Argentinien | Villa Gobernador Gálvez, Provinz Santa Fe | 3,8 |
Marfrig Global Foods / Brasilien | Munro, Provinz Buenos Aires | 2,9 |
Grupo Bimbo / Mexiko | San Fernando, Provinz Buenos Aires | 2,6 |
Arcor / Argentinien | Munro, Provinz Buenos Aires | 2,5 |
Firma / Hauptsitz (Land) | Standort, Provinz | Anteil |
---|---|---|
Arcor / Argentinien | Munro, Provinz Buenos Aires | 42,0 |
Mondelez / USA | Villa Adelina, Provinz Buenos Aires | 11,1 |
PepsiCo / USA | Munro, Provinz Buenos Aires | 5,6 |
Nestlé / Schweiz | Vicente López, Provinz Buenos Aires | 3,1 |
La Dolce / Argentinien | Mataderos, Stadt Buenos Aires | 2,2 |
Firma / Hauptsitz | Standort, Provinz | Anteil |
---|---|---|
Mastellone (La Serenísima) / Argentinien | General Rodríguez, Provinz Buenos Aires | 26,9 |
Danone / Frankreich | Almirante Brown, Provinz Buenos Aires | 9,5 |
Savencia / Frankreich | Frank, Provinz Santa Fe | 9,0 |
Saputo / Kanada | Rafaela, Provinz Santa Fe | 7,3 |
Punta del Agua / Argentinien | Villa María, Provinz Córdoba | 4,5 |
Weniger Menschen - mehr Maschinen
Grundsätzlich gilt Argentinien als teurer Produktionsstandort. Besonders Firmen, die sich im formellen Sektor bewegen, klagen über hohe Arbeitskosten und ein inflexibles Arbeitsrecht. "In Argentinien sind Arbeitskräfte gut, aber teuer. Hinzu kommen die starken Gewerkschaften", so ein Branchenvertreter gegenüber GTAI.
Vor diesem Hintergrund ist abhängig von Unternehmensgröße, Finanzkraft und Kapazitätsauslastung mit einem gewissen Mechanisierungs- und Automatisierungsschub zu rechnen. Auch mit Blick auf Nachhaltigkeit oder Minderung des Kohlendioxidausstoßes schnitten argentinische Unternehmen im Vergleich zu anderen Ländern etwa in Europa aktuell eher unterdurchschnittlich ab, heißt es von internationalen Firmen. Doch ohne Druck von außen oder finanzielle Anreize sind Bestrebungen in diese Richtung, sofern sie sich nicht rechnen, kein Thema. Ebenfalls bisher kaum zur Debatte steht der Einsatz von künstlicher Intelligenz. "Aber das liegt vor allem daran, dass wir noch wenig über potenzielle Nutzungsmöglichkeiten wissen", kommentierte ein Verbandsvertreter.
Argentinien als Kunde für deutsche Firmen
Damit gibt es auch wieder gewisse Chancen für Anbieter von Nahrungsmittel- und Verpackungsmaschinen "Made in Germany".
Tatsächlich war 2024 für deutsche Lieferanten von Nahrungsmittel- und Verpackungsmaschinen nach Argentinien kein gutes Jahr: Der Absatz brach um satte 31 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 28 Millionen US$ ein. Zugleich verloren sie ihre Position als wichtigstes Bezugsland an die USA, welche ihre Zulieferungen trotz der insgesamt schwachen Konjunktur um 54 Prozent auf 45,4 Millionen US$ steigern konnten. China und Brasilien folgten auf Rang drei (26 Millionen US$) und vier (24 Millionen US$).
Trotz des schwierigen Umfelds liefen insbesondere Verpackungsmaschinen (sowie Teile) gut; diese machten 2024 fast 44 Prozent der Branchenexporte aus Deutschland aus und verzeichneten einen Zuwachs von satten 41 Prozent. Weitere 22 Prozent entfielen auf Maschinen, Apparate (sowie Teile) für die Nahrungsmittel- und Genussmittelindustrie, ein Plus von 34 Prozent zu 2023.
Dagegen ging die Nachfrage nach Maschinen zur Fleischverarbeitung (8 Prozent Anteil) um 29 Prozent zurück. Ganz hart traf es Molkereimaschinen (minus 85 Prozent), Maschinen zum Herstellen von Süßwaren (minus 73 Prozent) sowie Maschinen zum Herstellen von Teigwaren (minus 67 Prozent).
Um hier wieder Fuß zu fassen, bedarf es Präsenz, Präsenz, Präsenz.