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Wirtschaftsausblick | Argentinien
Das Pampaland steckt im Reformstau. Dennoch wächst die Wirtschaft 2022 um rund 5 Prozent. Für 2023 sind die Aussichten allerdings eher düster.
27.12.2022
Von Stefanie Schmitt | Buenos Aires
Die argentinische Wirtschaft wird 2022 aufgrund eines starken 1. Halbjahrs und dank guter Exportzahlen real um 4,4 Prozent wachsen, schätzt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Der Internationale Währungsfonds (IWF) und die argentinische Zentralbank prognostizieren sogar einen Anstieg um 4,6 beziehungsweise 5,3 Prozent.
Die Wirtschaft hat sich offenbar von der Coronapandemie erholt. Trotzdem herrscht in der Bevölkerung angesichts einer Inflation von 100 Prozent (Ende 2022) das Gefühl einer tiefen Wirtschaftskrise. Tatsächlich wird das Jahr 2023 für Argentinien sehr schwierig werden. Schon im 2. Halbjahr 2022 hat sich die Dynamik erheblich abgeschwächt.
Dabei hat Argentinien eigentlich alles, was die Welt heute und in Zukunft braucht:
Entsprechend konnte das Land von den 2022 zeitweise stark gestiegenen Rohstoffpreisen auf den Weltmärkten profitieren - und eigentlich könnten die Perspektiven hervorragend sein.
Doch die Ausfuhr der effizienten Landwirtschaft wird durch Exportzölle, unattraktive Wechselkurse und Restriktionen bei der Düngemitteleinfuhr ausgebremst. Für die Ausbeutung der Rohstoffe fehlen die eigenen Mittel. Die derzeitige Regierung setzt auch in anderen Sektoren nicht die Rahmenbedingungen, die Investoren bräuchten, um dieses Potenzial auszuschöpfen. "Argentinien ist das einzige Land, in dem man sich entschuldigen muss, wenn man investieren will“, so ein deutscher Manager vor Ort.
Für 2023 rechnet die OECD deshalb nur noch mit einem Wirtschaftswachstum von 0,5 Prozent. Vorsichtig aufwärtsgehen könnte es dann wieder 2024 mit einem Plus von 1,8 Prozent, wobei dem Ausgang der Wahlen im Herbst 2023 eine entscheidende Rolle zukommt.
Die Hoffnung ist groß, dass dann eine Regierung das Ruder übernimmt, die den langen Reformstau auflöst. Handlungsbedarf besteht auf vielen Feldern, darunter bei den Staatsausgaben, der Devisen- und Importbewirtschaftung, dem Sozialsystem, der Infrastruktur und dem Bildungswesen. Jedoch ist die Erbschaft etwa mit Blick auf die Inflation, die die neue Regierung übernimmt, noch dramatischer als das, was jene von ihrer Vorgängerin übernommen hatte.
Indikator | 2020 | 2021 | Vergleichsdaten Deutschland 2021 |
---|---|---|---|
BIP (nominal, Mrd. US$) | 389,1 | 486,7 | 4.261 |
BIP pro Kopf (US$) | 8.572 | 10.617 | 51.214 |
Bevölkerung (Mio.) | 45,4 | 45,8 | 83,2 |
Wechselkurs (Jahresdurchschnitt, 1 US$ = Argentinische Pesos, arg$) | 70,6 | 95,2 | - |
Ausländische Firmen können derzeit aufgrund des Devisenregimes keine Gelder an ihre Mutterhäuser überweisen. Viele investieren daher vor Ort. Nach der jüngsten Umfrage der AHK Argentinien planen 65 Prozent der deutschen Firmen für den Zeitraum 2022 bis 2024 Investitionen, der Großteil davon Reinvestitionen. Insgesamt steigen die Bruttoanlageinvestitionen 2022 laut OECD um real 12,3 Prozent, allerdings mit sinkender Tendenz. Denn inzwischen ist auch der Import notwendiger Ausrüstungsgüter stark begrenzt. Für 2023 erwartet die OECD einen Rückgang der Investitionen um 0,3 Prozent.
Laut AHK Argentinien sind etwa 200 deutsche Unternehmen vor Ort, meist seit vielen Jahren. Einige erwirtschaften selbst in der aktuell schwierigen Lage Gewinne. Neue bleiben indessen aus. Dabei werden speziell in den zukunftsträchtigen Sparten grüner Wasserstoff und Lithium heute die Claims abgesteckt. Strategisch investieren Unternehmen aus China. Für Argentinien besonders attraktiv ist, dass sie vielfach ihre eigene Finanzierung mitbringen.
Projektbezeichnung | Investitionssumme (Mio. US$) | Projektstand | Projektträger |
---|---|---|---|
Proyecto Pampas: Produktion von grünem Wasserstoff und Ammoniak bei Sierra Grande (Provinz Río Negro) | 8.400 | Planung, Bau für Dezember 2024 vorgesehen | Fortescue Future Industries (Australien); Regina Ranieri (Green Hydrogen Project Manager; E-Mail: rranieri@fmgl.com.au) |
Erschließung der Kupfer-, Gold- und Silbermine Josemaría (Provinz San Juan) | 4.200 | Umweltprüfung im April 2022 bestanden | Lundin Mining (Schweden/Kanada); Alfredo Vitaller (Gerente General Argentina; E-Mail: alfrediv@lundinargentina.com.ar) |
Gasleitung Néstor Kirchner, Verbindung zwischen Vaca Muerta (Provinz Neuquén) und San Nicolás de los Arroyos (Provinz Buenos Aires) | 3.470 | Ausschreibung im Oktober 2022 beendet, Inbetriebnahme für Dezember 2025 anvisiert | Energía Argentina; Santiago Leydet (Gerente de Planeamiento; E-Mail: sleydet@ieasa.com.ar) |
Gas-Verflüssigungsanlage in Bahía Blanca, Hafen Puerto Rosales | 3.200 | Planung | Consorcio Excelerate Energy L.P. - Transportadora de Gas del Sur (TGS); Sebastian Cosarinsky (Gerente de Desarrollo de Negocios; E-Mail: sebastian_cosarinsky@tgs.com.ar); Jorge Lacasta (Gerente de Proyecto; E-Mail: Jorge_lacasta@tgs.com.ar) |
Erschließung der Kupfermine El Pachón (Provinz San Juan) | 3.000 | In der Umweltprüfung durch EIA | Glencore (Schweiz); Walter Molina, (Operations/Exploration/Engineering; E-Mail: walter.molina@glencore.com.ar) |
Bau einer Brücke am Fluss Paraná, zwischen den Provinzen Chaco und Corrientes | 820 | Ausschreibungen für Anfang 2023 vorgesehen | Vialidad Nacional; Jorge Czelada (División Geotécnica de la Coordinación de Proyectos; E-Mail: czekadajorge@gmail.com) |
Lithium-Projekt Tres Quebradas (Provinz Catamarca) | 380 | Im Bau, Inbetriebnahme für Dezember 2023 anvisiert | Liex (China); Tomas De Pablos (President; E-Mail: tdepablos@liex.com.ar ) |
Geothermisches Projekt Domuyo (Provinz Neuquén) | 300 | In der Umweltprüfung durch EIA | Agencia de Promoción y Desarrollo de Inversiones de Neuquén; Carlos Esteban (Responsable de Proyecto; E-Mail: cesteban@adinqn.gov.ar) |
Modernisierung der Produktionswerke von Volkswagen Argentina | 250 | Planung | Volkswagen Argentina (Deutschland) |
Lithium-Batterie-Werk UniLib (La Plata) | 7 | Planung | Universidad Nacional de La Plata (UNLP), YPF-Tecnología (Y-TEC) |
Offizielle Ausschreibungsdatenbank: https://comprar.gob.ar/Default.aspx
Informationen zu aktuellen geberfinanzierten Projekten bietet die GTAI-Länderseite Argentinien, Rubrik "Ausschreibungen" und "Entwicklungsprojekte".
"Hast du Pesos, gib sie aus", ist bei einer Inflation von aktuell 100 Prozent das Gebot der Stunde. Für 2023 erwartet die Zentralbank eine ähnlich hohe Geldentwertung. Vor diesem Hintergrund sind Restaurants und Geschäfte gut besucht. Wer etwas übrig hat, investiert je nach Budget beispielsweise in Autos oder Fernseher. Laut Branchenverband ADEFA wurden in den ersten elf Monaten 2022 knapp 14 Prozent mehr Autos als in der Vorjahresperiode abgesetzt. Nach dem argentinischen Statistikamt Indec stieg die Zahl der verkauften Fernseher im 3. Quartal 2022 um 11,9 Prozent.
Real soll der private Konsum 2022 laut OECD trotzdem nur um 8,8 Prozent zulegen. Denn die hohe Anzahl der Personen mit niedrigen verfügbaren Einkommen kommt kaum noch über die Runden. Die Einkäufe in den Supermärkten stagnieren. In der Folge könnte der Konsum 2023 wegen sinkender Realeinkommen preisbereinigt nur um 0,3 Prozent steigen. Der Konsumindex der Universität Torcuato di Tella bewegt sich schrittweise auf die Tiefstwerte der Finanzkrise 2001 zu.
Die hohen Exporte bildeten 2022 eine wichtige Stütze der argentinischen Wirtschaft. Allerdings könnten die Firmen deutlich mehr exportieren, würden die Anreize anders gesetzt. Denn abgesehen vom stark überbewerteten Wechselkurs werden die Produzenten, speziell aus der Landwirtschaft, zusätzlich mit Ausfuhrzöllen belastet. Im Jahr 2022 konnte Wirtschaftsminister Massa die Ausfuhren mit der Einführung des attraktiven "Sojadollars" kurzfristig stimulieren. Solche Sonderkurse führen jedoch nur zu einer Vorverlegung ohnehin geplanter Ausfuhren, sodass der Export danach niedriger ist. Dieser Effekt wird 2022/23 noch gravierender ausfallen, weil mit niedrigeren Ernteerträgen zu rechnen ist.
In der Folge ist mit noch einschneidenderen Importbegrenzungen zu rechnen. Damit dürfte die Inlandsproduktion weiter gehemmt werden, denn schon jetzt entfällt nur ein kleiner Importanteil auf Konsumgüter. Den Großteil machen Rohstoffe und Teile aus, welche die Unternehmen dringend brauchen.
2021 | 2022* | Veränderung 2022/21* | |
---|---|---|---|
Importe | 51,2 | 70,7 | 38,2 |
Exporte | 65,2 | 75,1 | 15,3 |