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Wirtschaftsumfeld | Argentinien | Investitionsklima

Unternehmer in vorsichtiger Aufbruchstimmung

Deutsche Firmen sehen sich nach wie vor enormen Herausforderungen gegenüber. Angesichts der Reformen und der großen Entwicklungschancen zeichnet sich aber ein Stimmungswechsel ab.

Von Stefanie Schmitt | Santiago de Chile

"Wir erleben einen radikalen Wandel. Aber die Zukunft ist vielversprechend", meint nicht nur Alfredo Romano, Mitglied der Unternehmervereinigung Mendoza CEM. Beispielsweise war es in Argentinien bis vor Kurzem extrem schwierig, harte Währung etwa für Importe zu erhalten. Gewinne zu transferieren war quasi unmöglich. In der Regel wurden sie deshalb direkt reinvestiert, um das Geld vor der galoppierenden Inflation zu retten.

Laut einer aktuellen AHK-Umfrage zeigt sich 2025 erstmals wieder vorsichtiger Optimismus. Die angestoßenen Reformen bewerten die Unternehmer überwiegend positiv – speziell im Devisenbereich. Seit dem Regierungswechsel und der Zusage eines IWF-Kredits über 20 Milliarden US-Dollar (US$) im April 2025 wurden zentrale Beschränkungen gelockert:

  • Unternehmen dürfen wieder Gewinne in US-Dollar ausschütten.

  • Dienstleistungsimporte sind erlaubt.

  • Lieferantenzahlungen können bereits bei Verladung der Ware erfolgen.

Weiterhin untersagt bleiben Bestellungen mit 100 Prozent Vorkasse. Auch die Begleichung alter Verbindlichkeiten gegenüber Muttergesellschaften oder Lieferanten erfolgt nur schrittweise – etwa über neue Anleihen der Zentralbank. Zu schaffen machen den Firmen derzeit die stark gestiegenen Kosten (welche sich angesichts der deutlich gesunkenen monatlichen Inflation von zuletzt 1,6 Prozent im Juni nicht mehr problemlos an die Kunden überwälzen lassen) und die schwache Inlandsnachfrage.

Dennoch überwiegt der Blick nach vorn:

Die jüngsten Reformen und das wiedergewonnene Vertrauen in die Wirtschaft stimmen zuversichtlich. Wir sehen ein großes Potenzial für Investitionen und Handel in Argentinien.

Gunther Neubert Geschäftsführer der AHK Argentinien in Buenos Aires

Wirtschaft im Paradigmenwechsel

Generell begrüßen viele Unternehmen den Wandel – doch leicht ist es angesichts des zunehmenden Wettbewerbs nicht:

Die Unternehmen müssen wieder lernen, Unternehmen zu sein, das heißt auf ihre Kosten zu achten, da sie Ineffizienzen nicht mehr einfach über höhere Preise an die Käufer weiterreichen können. Die Banken müssen wieder lernen, Banken zu sein, das heißt Kredite zu vergeben, statt ihre Gelder risikofrei in hochverzinste Staatsanleihen zu parken. Und wir alle müssen wieder lernen, mit Importen umzugehen, nachdem wir uns quasi für 20 Jahre aus der Welt verabschiedet hatten. Viele wissen gar nicht mehr, wie das geht: importieren. Und es wird neue Marktteilnehmer geben, die bringen mehr Wettbewerb, aber auch neue Chancen.

Martín Clément Präsident der Unternehmervereinigung Mendoza CEM

Bislang gibt es zwar erst wieder eine vorsichtige Vergabe von Hypothekenkrediten, doch die Unternehmen hoffen darauf, dass bald auch für sie der Zugang zu Fremdkapital zu akzeptablen Kosten möglich ist. Nicht grundlos lassen sich zum Beispiel argentinische Logistikfirmen jenseits der Grenze in Chile registrieren, weil sie dort ihre Fahrzeuge günstig durch chilenische Banken finanzieren können. Bislang war die Möglichkeit, sich auf den internationalen Finanzmärkten mit frischem Geld zu versorgen, nur theoretisch eine Option – angesichts der miserablen Kreditbewertung des Landes durch die internationalen Ratingagenturen. Doch mit der zunehmend besseren Bewertung könnte sich das langfristig ändern.

Stärkerer Fokus auf die Provinzen

"Ein absolutes Novum für deutsche Unternehmen ist die Neuausrichtung auf die Provinzen", stellt Andreas Vollmer, Unternehmer und deutscher Honorarkonsul in Mendoza, fest. "Große Teile der Produktion finden in der Provinz statt – Bergbau und Rohstoffe sowieso, dazu kommt Landwirtschaft, aber auch Zweige wie die Autoproduktion in Córdoba oder Textil und Schuhe in La Rioja. Den 'Umweg' über Buenos Aires kann ich in solchen Fällen nicht empfehlen." Vollmer rät daher, Geschäftschancen außerhalb des Ballungsraums um Buenos Aires nicht außer Acht zu lassen und sich stattdessen direkt vor Ort mit vertrauenswürdigen Personen in Verbindung zu setzen, die bereits lokal ein Netzwerk haben.

Grundsätzlich ist ein Netzwerk vor Ort unabdingbar, "sonst wirst du in der ersten Runde schon komplett ausgenommen", warnt ein Unternehmer im Gespräch mit GTAI.

Investitionen werden zulegen

Laut Zentralbank explodierten die Zuflüsse ausländischer Direktinvestitionen 2023 auf 24 Milliarden US$. Drei Jahre zuvor – im Jahr 2020 – hatten sie nur bei 5 Milliarden US$ gelegen. Ein wichtiger Grund hierfür waren jedoch die eingangs erwähnten Reinvestitionen ("Zwangsinvestitionen"). Angesichts der allgemeinen Unsicherheit ging der Zufluss 2024 auf rund 10,6 Milliarden US$ zurück. Für die Zukunft ist aber wieder mit Zuwächsen zu rechnen, angesichts des Rohstoffreichtums und der neu eingeführten Förderung von Großinvestitionen.

Förderinstrumente nutzen

Wichtigstes Förderinstrument für Großinvestitionen ist das "RIGI". Außerdem hat jede Provinz eigene Steuervorteile sowie große Freiheiten, was die Förderung von Investitionen angeht.

Was ist das RIGI?

Mit dem bis zum 22. Oktober 2026 befristeten Investitionsanreizgesetz RIGI (Régimen de Incentivo para Grandes Inversiones) will Milei große Projekte mit einem Investitionswert ab 200 Millionen US$ ins Land ziehen. Es richtet sich an die Branchen Forstwirtschaft, Tourismus, Infrastruktur, Bergbau, Technologie, Stahl, Energie, Öl- und Gas. Die Projekte erhalten für die nächsten 30 Jahre steuer-, zollrechtliche und währungsrechtliche Vergünstigungen. Vorhaben ab 1 Milliarde US$ können als "strategische Projekte" von zusätzlichen Vorteilen profitieren. 

Stand Mitte Juli 2025 waren sechs Projekte unter dem RIGI genehmigt und weitere acht beantragt; ein Lithiumprojekt der chinesischen Firma Ganfeng wurde abgelehnt. Der Großteil der Projekte stammt indessen nicht aus dem Ausland, sondern von heimischen Firmen, allen voran vom Staatskonzern YPF.

Genehmigte RIGI-Projekte *)Fokus auf Energie, Öl- und Gas sowie Bergbau
Name des Projektes (Provinz)Investor

Investitionsvolumen in Mio. US$

BrancheBeschreibung
Parque Solar El Quemado y Anexos (Mendoza)YPF Luz (Argentinien)

211 

EnergieFotovoltaikanlage; Kapazität 305 MW; erstes genehmigtes RIGI-Projekt (08.01.25)
Vaca Muerta Oil Sur (Río Negro)Vaca Muerta Oil Sur (YPF, Pan American Energy Vista, Pampa Energía/alle Argentinien, Pluspetrol/Niederlande, Chevron/USA, Shell/Vereinigtes Königreich)

2.486

Öl und GasÖlpipeline von Vaca Muerta nach Río Negro plus Hafen und Öllager; genehmigt am 20.03.25
Hilli Episeyo und Mk 2 (Río Negro)Southern Energy: Pan American Energy (Anteil: 30%), YPF (25%), Pampa Energía (20%; alle Argentinien), Harbour Energy (15%) und Golar LNG (10%; beide Vereinigtes Königreich)

6.878 

Öl und GasProduktion von Flüssiggas (LNG) aus Vaca Muerta für den Export; genehmigt am 05.05.25
Rincón de Litio (Salta)Rio Tinto (Vereinigtes Königreich, Australien)

2.724

BergbauErweiterung auf 60.000 Tonnen Lithiumcarbonat im Jahr; genehmigt am 20.05.25
Sidersa-Projekt (Provinz Buenos Aires)Sidersa (Argentinien)

296

MetallurgieProduktion von grünem Stahl; genehmigt am 23.07.25
Hombre Muerto Oeste (Catamarca)Galán Lithium (Australien)

217

Bergbau21.000 Tonnen Lithiumcarbonat im Jahr; genehmigt am 23.07.25
* Stand 24.7.25.Quelle: La Nación, BNamericas, Unternehmenswebseiten, argentinisches Wirtschaftsministerium, alle 2025

Zwar hat Argentinien großes Interesse, nicht nur Rohstoffe oder Energie zu liefern, sondern Produkte vor Ort auch selbst herzustellen. Bislang fehlt es jedoch an einem "Mini-RIGI" für kleine und mittlere Firmen, die die Wertschöpfungskette nach oben ausbauen könnten. Deutschland könnte hierbei durch Unterstützung in der dualen Ausbildung einen wertvollen Beitrag leisten. Denn im Facharbeiterbereich mangelt es. "Umgekehrt können wir von den Argentiniern kreatives lösungsorientiertes Handeln und Improvisation lernen", ist Vollmer überzeugt, "Eigenschaften, die man hier in den letzten Jahren ausgiebig üben musste."

Die größten ausländischen Investoren in Argentinien sind Stand Ende 2024 die USA, Spanien und die Niederlande; China holt auf und hält derzeit Rang 14. Der Anteil Deutschlands (Rang 13) am Bestand der Direktinvestitionen liegt bei unter 3 Prozent, so die argentinische Zentralbank.

Wichtige deutsche Investoren in Argentinien (Stand: Juni 2025)

Unternehmen

Branche

Details
BASFChemieVier Produktionsstätten, zwei Entwicklungszentren
BayerPharma, AgrochemieFünf Produktionsniederlassungen, zwei Forschungseinrichtungen
VolkswagenAutomobilKnapp 5.000 Beschäftigte; Werke in General Pacheco und Córdoba sowie in Tucumán (Scania); laut Firmenangaben von 2022 wurden in den letzten zehn Jahren rund 2 Milliarden US$ in Argentinien investiert. Anfang April 2025 kündigte der Konzern eine Großinvestition von weiteren 580 Millionen US$ an.
KnaufBaustoffeGrößte Produktionsstätte in Lateinamerika einschließlich eigenem Steinbruch
Quelle: Unternehmensangaben 2025

Deutsche Firmen setzen auf Argentiniens großes Potenzial

Insgesamt sind knapp 200 deutsche Unternehmen in Argentinien aktiv und verfügen über eine Niederlassung vor Ort, so die AHK Argentinien. Darunter sind viele schon seit Jahrzehnten im Land tätig und fest verwurzelt.

Das Familienunternehmen Knauf beispielsweise gründete seine Niederlassung in Mendoza bereits 2001. Inzwischen handelt es sich um die größte Investition des Baustoffherstellers in Lateinamerika. "Wir sind auf dem richtigen Weg", meint Werksleiter Fernando Javier Berná zu den Reformen im Interview mit Germany Trade & Invest. Er hofft, dass sich mit ihnen endlich mehr Planungssicherheit einstellt. Fast unisono heißt es aus Unternehmerkreisen, dass sich in Argentinien aufgrund des enormen Potenzials Langfristigkeit auszahlt.

Hilfreich für deutsche Firmen ist, dass zwischen Argentinien und Deutschland seit 1979 ein Doppelbesteuerungsabkommen und seit 1993 ein Investitionsschutzabkommen in Kraft ist.

Die GTAI stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.

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