Wirtschaftsumfeld | Argentinien | Investitionsklima
Investitionsklima auf einem Tiefpunkt
Die Herausforderungen für deutsche Firmen in Argentinien waren noch nie so groß wie heute. Trotzdem harren die meisten aus und setzen auf das große Potenzial des Landes.
19.01.2024
Von Stefanie Schmitt | Santiago de Chile
Knapp 200 deutsche Unternehmen sind in Argentinien aktiv und verfügen über eine Niederlassung im Land, meist seit vielen Jahren, so die AHK Argentinien. Einige erwirtschaften selbst in der aktuell schwierigen Lage Gewinne, allerdings in argentinischen Pesos. Diese werden in der Regel direkt vor Ort reinvestiert.
Dagegen ist es extrem schwierig, harte Währung zu erhalten, um Importe zu bezahlen. Die fortbestehenden Devisenengpässe seien für deutsche Firmen das gravierendste Problem, so die Kammer. Selbst solche, die gute Geschäfte in Peso machten, ständen bei ihren Mutterhäusern oder Lieferanten oft mit hohen Beträgen in der Kreide.
Deutsche Unternehmen setzen auf Argentiniens großes Potenzial
Angesichts der Schwierigkeiten der letzten Jahre sei es erstaunlich, wie sehr deutsche Unternehmen Argentinien die Stange halten, sagt Gunther Neubert, Geschäftsführer der AHK in Buenos Aires. Doch viele Unternehmen sind schon seit Jahrzehnten im Land tätig und fest verwurzelt. Hierzu zählt der Gasproduzent Wintershall Dea. "Aufgrund unserer langen Geschäftserfahrung in Argentinien wissen wir, dass sich eine auf Langfristigkeit angelegte Strategie und Geduld auszahlen. Auf Basis dessen nehmen wir die kurzfristigen Risiken in Kauf und verlieren die enormen Potenziale nicht aus dem Blick", sagt Geschäftsführer Manfred Böckmann im Interview mit Germany Trade & Invest.
So sieht es auch Micha Zauner, Vorstand des Dresdner Start-ups Deutsche E Metalle (DEM):
"Wir sehen Argentinien als starken und langfristigen Partner."
DEM bewertet in Argentinien Vorkommen an Lithium und seltenen Erden.
Wirtschaft hofft auf bessere Bedingungen
Das Devisenproblem kann zwar auch der neue Präsident Javier Milei nicht kurzfristig lösen: Die Reserven der Zentralbank sind negativ, das Land schiebt Verbindlichkeiten in Höhe von 276 Milliarden US-Dollar (US$) vor sich her; die kommerziellen Schulden sollen sich auf 50 Milliarden US$ belaufen. Die Möglichkeiten, sich auf den internationalen Finanzmärkten mit frischen Geld zu versorgen, sind angesichts einer Kreditbewertung Argentiniens von "CCC-" sehr begrenzt.
Dessen ungeachtet warten die meisten Unternehmen geradezu sehnsüchtig auf positive wirtschaftspolitische Signale aus der Politik. "Wir würden gerne mehr Geld in die Hand nehmen, wenn es die politischen Gegebenheiten zuließen", sagt ein deutscher Unternehmensvertreter. Bislang wird durchaus investiert, aber fast durchgängig "nur" mit den lokal verdienten Pesos. Damit beschränken sich die Investitionen auf Maßnahmen, für die keine Importe erforderlich sind. Ziel ist dabei nicht zuletzt, dem Wertverlust des Geldes zu entgehen.
Rohstoffvorkommen locken Investoren an
Laut UNCTAD explodierten die ausländischen Direktinvestitionen in Argentinien 2022 auf mehr als 15 Milliarden US$, nach 6,8 Milliarden US$ im Vorjahr. Auch 2023 hält die positive Entwicklung an. Im 1. Halbjahr 2023 bewegten sich die Direktinvestitionen gemäß Statistikamt INDEC auf ähnlich hohem Niveau wie im Vorjahr. Dabei sind die beschriebenen "Zwangsinvestitionen" nur ein Grund für die hohen Werte. Denn Argentiniens Rohstoffreichtum rückt zunehmend in den Fokus internationaler Konzerne, die Milliarden investieren, allen voran in den Bereichen Kupfer und Lithium.
So gab Ganfeng Lithium aus China 2022 knapp 1 Milliarde US$ für das Projekt LitheA Inc aus. Rund 800 Millionen US$ investierte der australische Bergbauriese Rio Tinto in das Lithium-Projekt Rincón, und Lundin Mining aus Kanada übernahm für knapp 500 Millionen US$ die Kupferbergbaugesellschaft Josemaria Resources. Übertroffen wurden diese Werte allerdings vom US-amerikanischen Unternehmen SoFi Technologies, das für 1,1 Milliarden US$ die IT-Firma Technisys SA übernahm.
Die größten ausländischen Investoren in Argentinien sind die USA, Australien und China. Der Anteil Deutschlands am Bestand der argentinischen Direktinvestitionen liegt bei unter 5 Prozent. Hilfreich für deutsche Unternehmen ist, dass zwischen Argentinien und Deutschland seit 1979 ein Doppelbesteuerungsabkommen und seit 1993 ein Investitionsschutzabkommen in Kraft ist.
Unternehmen | Branche | Details |
---|---|---|
BASF | Chemie | Vier Produktionsstätten, zwei Entwicklungszentren |
Bayer | Pharma, Agrochemie | Fünf Produktionsniederlassungen, zwei Forschungseinrichtungen |
Volkswagen | Automobil | Knapp 5.000 Beschäftigte; Werke in General Pacheco und Córdoba sowie in Tucumán (Scania); laut Firmenangaben von 2022 wurden in den letzten zehn Jahren rund 2 Milliarden US$ in Argentinien investiert. |
Wintershall Dea | Gas/Öl | Gasförderung in Vaca Muerta und Patagonien |
Investitionsförderung auf dem Prüfstand
Auf Bundesebene existieren in Argentinien mehrere Steueranreize, etwa für den Bergbau, für die Ausbildung von Mitarbeitern, für Forschung und Entwicklung oder für die Produktion von Biokraftstoffen. Allerdings ist unklar, inwieweit diese unter Milei Bestand haben werden – nicht zuletzt auch deshalb, weil der Präsident angekündigt hat, einige der hierfür zuständigen Behörden auflösen zu wollen. Milei ist kein Freund von Subventionen. Darüber hinaus hat jede Provinz eigene Steuervorteile sowie große Freiheiten, was die Förderung von Investitionen angeht.
Die GTAI stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.