Wirtschaftsausblick | Hongkong
Finanzplatz Hongkong setzt auf Börsengänge und Digitalisierung
Hongkong wuchs 2025 robust dank starkem Export- und Finanzsektor. Für 2026 trüben Handelskonflikte und die Verlagerung von Lieferketten in die ASEAN-Region die Aussichten.
09.12.2025
Von Robert Herzner | Hongkong
Topthema: Kapitalmarkt und digitale Transformation im Fokus
Hongkong setzt auf Digitalisierung und den Finanzsektor, um seine Position als globales Finanzzentrum zu festigen. Im Global Financial Centers Index 2024 belegt die Stadt Platz 3 und entwickelt sich gleichzeitig zu einem dynamischen Start-up-Hub: Über 1.100 Fintech-Unternehmen sind aktiv. Neben Fintech prägen KI, Blockchain, Healthtech und E-Commerce die Innovationslandschaft. Für internationale Marktteilnehmer eröffnet das Chancen bei der digitalen Zahlungsabwicklung, Cybersecurity und datengetriebenen Finanzlösungen.
Hongkong profitierte 2025 davon, dass 69 Börsengänge alleine von Januar bis September 2025 mit einem Emissionsvolumen von rund 24,3 Milliarden US-Dollar (US$) stattfanden – der höchste Wert seit 2020. Viele aufstrebende chinesische Tech-Firmen nutzen den Finanzplatz Hongkong zur Kapitalaufnahme. Begünstigt werden die Börsengänge durch die gelockerte Zinspolitik in den USA und eine leichte Entspannung im Handelskonflikt Chinas mit den USA. Rund 80 Prozent der weltweiten Zahlungen in der chinesischen Landeswährung Renminbi Yuan werden über Hongkong abgewickelt.
Außerdem gewinnt Hongkong dadurch, dass die Finanzinfrastruktur selbst zunehmend digitaler wird. Die Hong Kong Monetary Authority hat auf der FinTech Week 2025 die Strategie Fintech 2030 vorgestellt. Sie umfasst über 40 Initiativen, darunter sichere Daten- und Zahlungssysteme, Anwendungen der künstlichen Intelligenz (KI) im Finanzsektor, Cybersecurity-Maßnahmen sowie die Tokenisierung von Vermögenswerten – also die Umwandlung klassischer Finanzprodukte in digitale Kryptowerte.
Wirtschaftsentwicklung: Wachstum durch Finanzmarkt und Außenhandel
Hongkong bleibt ein stabiler Wirtschaftsstandort und startet mit positiven Vorzeichen ins Jahr 2026. Nach einem moderaten Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 2,5 Prozent im Jahr 2024 hob die Regierung ihre Prognose für 2025 auf 3,2 Prozent an. Haupttreiber sind eine deutliche Erholung der Waren- und Dienstleistungsexporte sowie die positive Entwicklung am Finanzmarkt. Die Inflation bleibt niedrig, die Arbeitslosenquote stabil. Die Staatsverschuldung betrug 2024 lediglich rund 16 Prozent (zum Vergleich in Deutschland rund 63 Prozent).
Für 2026 ist der Ausblick jedoch getrübt. Hongkong fällt mit einem prognostizierten BIP-Wachstum von durchschnittlich 2,1 Prozent für 2026 im regionalen Vergleich hinter die ASEAN-Märkte zurück. Konsum und Immobilienmarkt bleiben angesichts weiter sinkender Miet- und Wohnungspreise verhalten. Außerdem belasten globale Spannungen die Handelsstadt.
Außenhandel verschiebt sich nach ASEAN
Im 3. Quartal 2025 stiegen die Warenexporte gegenüber dem Vorjahr um 12,1 Prozent, die Dienstleistungsexporte um 6,3 Prozent – getragen vor allem vom Elektroniksektor und dem wachsenden Handel mit ASEAN-Staaten. Besonders dynamisch entwickelten sich die Ausfuhren nach Vietnam (+50 Prozent), Malaysia (+40 Prozent), Taiwan (+32 Prozent), Indien (+20 Prozent) und Festlandchina (+17 Prozent). Dagegen nahmen die Lieferungen in die USA nur noch um 4,8 Prozent zu.
Für das Gesamtjahr rechnet der Hong Kong Trade Development Council (HKTDC) mit einem Exportplus von 7 bis 9 Prozent – nach zuvor zweistelligen Wachstumsraten. Grund für die Abschwächung ist der anhaltende Handelskonflikt zwischen den USA und China, der den Reexport belastet. Hongkong bleibt stark von Handelsströmen mit Festlandchina abhängig und spürt die Auswirkungen von Zöllen sowie der Verlagerung von Lieferketten in Richtung ASEAN.
Mehr, dafür sparsame Touristen
Die Besucherzahlen stiegen auf 36,4 Millionen in den ersten drei Quartalen 2025 im Vergleich zu 32,5 Millionen im Vergleichszeitraum des Vorjahres, die Hotelauslastung lag bei 85 Prozent. Dennoch bleibt die Ausgabebereitschaft moderat. Viele Reisen sind Kurzaufenthalte mit begrenztem Budget, was den Einzelhandel belastet. Der Shenzhen-Effekt, wonach Hongkonger ihre Einkäufe in China erledigen, bleibt bestehen und wirkt sich negativ auf den Einzelhandel vor Ort aus. Hongkong ist ein wichtiges Einfallstor für neue Produkte, vor allem im Premiumsegment, was sich als Testmarkt für Konzepte für China eignet. Dieses Modell steht im Fokus deutscher Unternehmensdelegationen, die sich zunehmend auch mit der Start-up-Szene vernetzen.
Regierung will Industrie stärken
Hongkong fördert neue Industrien wie Life Sciences, nachhaltige Energie und Elektromobilität. Geplant sind ein Recyclingzentrum für Batterien aus E-Autos sowie eine Wasserstoffkooperation. Im Life-Science-Bereich verkündeten 2025 Roche, Merck und GSK Investitionserweiterungen, insbesondere bei klinischen Studien, wo Hongkong erleichterten Zugang zur Greater Bay Area bietet.
Deutsche Perspektive: Asiens Sourcing-Hub
Deutsche Unternehmen profitieren weiterhin von Hongkongs Rolle als Handels- und Sourcing-Drehscheibe. Hongkong dient als Ausgangspunkt zur Umsetzung der Strategie China-Plus-1. Die AHK Hongkong verzeichnete eine konstante Anzahl mit rund 430 Mitgliedsunternehmen.
Die Business Confidence Survey 2025 der AHK zeigt eine stabilisierte, leicht optimistische Einschätzung deutscher Unternehmen. Die Standortbewertung liegt bei 3,8 von 5 – dem höchsten Wert seit 2019. Infrastruktur und Steuervorteile gelten als Pluspunkte. Dem stehen hohe Arbeits- und Wohnkosten entgegen. Den Standort unverändert beizubehalten planen 92 Prozent; rund 32 Prozent wollen in den nächsten zwei Jahren investieren. Zudem berichten 40 Prozent der Unternehmen, dass sie bereits eine KI-Strategie verfolgen, vor allem im Vertrieb und Kundenservice. Im Januar 2025 hat die AHK eine KI-Arbeitsgruppe gegründet.
Im Zuge des kontinuierlichen Ausbaus der Infrastruktur können deutsche Unternehmen von staatlichen Großprojekten wie dem Ausbau von Nahverkehrssystemen profitieren.