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Rechtsbericht | Australien | Arbeitsrecht

Arbeitsrecht

Zu beachten ist insbesondere der dreigliedrige Aufbau der Normenhierarchie. Aber Australien weist auch weitere Eigenheiten im Arbeitsrecht auf.

Von Heiko Stumpf | Sydney

Gesetzliche Regelungen auf einen Blick

Vergütung

Richtet sich nach Enterprise / Multi-Enterprise Agreements, Modern Awards oder Individualverträgen

Mindestlohn

Allgemein derzeit 23,23 A$ pro Stunde, sektorspezifische Mindestlöhne in den Modern Awards (ab Juli 2023)

Arbeitsstunden pro Woche

38 Stunden pro Woche in Vollzeit gemäß National Employment Standards

Regelarbeitstage pro Woche

Fünf Tage die Woche in Vollzeit

Bezahlte Feiertage

Unterschiedlich je nach Bundesstaat, reguläre Feiertage in New South Wales 2023: Neun Feiertage

Bezahlte Urlaubstage

20 Urlaubstage als Minimum (Sonderregelungen sind möglich/verhandelbar)

Sonderzahlungen pro Jahr in Monatslöhnen

Urlaubsgeld: teilweise 17,5 Prozent des regulär gezahlten Lohns während des Erholungsurlaubs

Tage mit bezahltem Arbeitsausfall

Keine, zwei Tage unbezahlter Sonderurlaub bei dringenden, familiären Gründen (Compassionate Leave) sowie weitere zwei Tage unbezahlter Sonderurlaub zur Pflege schwerkranker Angehöriger (Carer's Leave)

Tage mit Lohnfortzahlung bei Krankheit

Zehn Tage pro Jahr, diese können bei Nichtinanspruchnahme über mehrere Jahre kumuliert werden

Probezeit

Drei bis sechs Monate

Quelle: Fair Work Ombudsman 2023, Fair Work Commission 2023

Rechtsgrundlagen

Auch im Arbeitsrecht gilt die Maßgabe, dass in Down Under vieles anders funktioniert als in Europa. Dabei ist insbesondere ein dreigliedriger Aufbau der Normenhierarchie zu beachten. Die wichtigste Rechtsgrundlage ist der Fair Work Act 2009. Dieser enthält die National Employment Standards (NES). Dabei handelt es sich um zehn verbindliche Mindeststandards, die als Rahmenbedingungen eines jeden Arbeitsverhältnisses bezeichnet werden können.

202107_Aufbau des australischen Arbeitsrechts_RZ
202107_Aufbau des australischen Arbeitsrechts_RZ

Daneben gibt es die "Modern Awards". Das sind Regelungen für bestimmte Sektoren oder Berufsgruppen, welche durch die Fair Work Commission festgesetzt werden. Sie enthalten zahlreiche Vorschriften zu sektorspezifischen Mindestlöhnen, Arbeitszeit, Überstunden, Gehaltszulagen, Urlaubsansprüchen oder zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

An der Spitze der arbeitsrechtlichen Hierarchie stehen Tarifverträge in Form von "Enterprise Agreements" oder "Multi-Enterprise Agreements". In der Vergangenheit war in der Regel nur die Vereinbarung von Enterprise Agreements möglich. Dies sind Vereinbarungen auf Unternehmensebene, die üblicherweise zwischen einem Arbeitgeber und einer Gewerkschaft abgeschlossen werden. Jedoch kann ein Enterprise Agreement auch direkt durch die Beschäftigten verhandelt werden. Es ist deshalb mit einem Mischgebilde aus Firmentarifvertrag und Betriebsvereinbarung vergleichbar.

Durch eine Arbeitsrechtsreform wurden seit dem 6. Juni 2023 neue Möglichkeiten für den Abschluss von Multi-Enterprise Agreements geschaffen. Dadurch können die Gewerkschaften verstärkt auf den Abschluss von sektorspezifischen Tarifverträgen drängen. Voraussetzung ist, dass die betroffenen Unternehmen in Bezug auf die Betriebsabläufe und Geschäftsaktivitäten vergleichbar sind. Zusätzlich werden Multi-Enterprise Agreements auch in bestimmten Niedriglohnsektoren ermöglicht. Ausgenommen von Multi-Enterprise Agreements sind Unternehmen mit weniger als 20 Beschäftigten sowie Betriebe in der Bauwirtschaft.

Vertragsabschluss

Der Abschluss eines Arbeitsvertrages erfolgt in der Regel schriftlich. Inhaltlich ist zu beachten, dass die Regelungen eines Arbeitsvertrages nicht nachteilig von den NES sowie den auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findenden Modern Awards oder Enterprise / Multi-Enterprise Agreements abweichen darf.

Rechte und Pflichten der Vertragsparteien

Gehälter werden in Australien häufig alle 14 Tage ausgezahlt. Der Arbeitgeber nimmt die Abführung der Lohnsteuer an das Australian Tax Office vor. Eine Befristung von Arbeitsverträgen ist in Australien sehr häufig und war bislang hinsichtlich der Dauer und möglicher Anschlussbefristungen nicht beschränkt. Zum 6. Dezember 2023 treten jedoch deutliche Verschärfungen in Kraft. Dabei wird die maximale Befristung auf zwei Jahre begrenzt. Ausnahmen gelten beispielsweise bei nur vorübergehendem Arbeitskräftebedarf.

Zu den weiteren Rechten der Arbeitnehmer zählt beispielsweise der Anspruch auf eine unbezahlte Elternzeit von maximal zwölf Monaten je Elternteil.

Vertragsbeendigung 

Das australische Kündigungsschutzrecht ist flexibler ausgestaltet als in Deutschland. Zwar ist für die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ein fairer Grund erforderlich. Dies umfasst neben persönlichen, betriebsbedingten und verhaltensbedingten Gründen jedoch beispielsweise auch eine Schlechtleistung des Arbeitnehmers. Die Kündigung eines Arbeitsvertrages muss immer schriftlich erfolgen.

Erfolgt die Kündigung betriebsbedingt aufgrund einer Stelleneinsparung, haben Arbeitnehmer, die mindestens zwölf Monate im Betrieb beschäftigt waren, Anspruch auf eine Abfindung (Redundancy Pay). Die Höhe dieser Abfindungszahlung berechnet sich nach der Betriebszugehörigkeit, wobei insbesondere Regelungen der Modern Awards und eventuell auch der Enterprise / Multi-Enterprise Agreements zu beachten sind. Eine Sozialauswahl kennt das australische Recht nicht.

Eine Kündigungsschutzklage können entlassene Arbeitnehmer nur mit dem Einwand erheben, dass ein unfaires Verfahren vorliegt (Unfair Dismissal). Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn eine Kündigung wegen ungenügender Leistung ohne vorherige Abmahnung, die eine Chance zur Besserung ermöglicht, erfolgt. Auch bei einer verhaltensbedingten Kündigung muss ein faires Verfahren vorausgehen, wie zum Beispiel eine Anhörung oder Abmahnung.

Kein Kündigungsschutz besteht ab einem Jahresgehalt von mehr als 162.000 Australischen Dollar. Auch Beschäftigungsverhältnisse mit einer Dauer von weniger als sechs Monaten sind vom Kündigungsschutz ausgeschlossen (bei Kleinunternehmen mit unter 15 Arbeitnehmern weniger als ein Jahr).

Anders verhält es sich bei einer unrechtmäßigen Beendigung (Unlawful Termination) eines Arbeitsverhältnisses. Dies betrifft Fälle von Diskriminierung (zum Beispiel bezüglich Religion, ethnischer Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht). Auch Kündigungen wegen einer Gewerkschaftszugehörigkeit oder während des Mutterschutzes zählen dazu.

Die Kündigungsfristen sind nach den Standardvorschriften des NES sehr kurz. Es können jedoch abweichende Fristen im Rahmen der Modern Awards oder bestehender Enterprise Agreements gelten.

Kündigungsfristen in Australien nach NES

Beschäftigungsdauer

Kündigungsfrist

unter 1 Jahr

1 Woche

ab 1 Jahr, aber unter 3 Jahren

2 Wochen

ab 3 Jahren, aber unter 5 Jahren

3 Wochen

ab 5 Jahren

4 Wochen

Quelle: Quelle: Wolfgang Babeck, Einführung in das australische Recht, C.H. Beck 2017

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