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Rechtsbericht | Belgien | Arbeitsrecht

Belgisches Gesetzespaket soll das Arbeitsleben modernisieren

Das umfassende Update verfolgt zwei erklärte Hauptziele: Anpassung des Arbeitsrechts an die Realität des 21. Jahrhunderts sowie eine deutliche Erhöhung der Beschäftigungsquote.

Von Karl Martin Fischer | Bonn

Am 29. September 2022 hat das belgische Parlament ein Gesetzespaket verabschiedet, das durch eine Kombination verschiedener Maßnahmen wirken soll. Hier eine Auswahl der wichtigsten Änderungen.

Die 4-Tage-Woche kommt – aber nur als Option

„Belgien wird die 4-Tage-Woche einführen“ ist sehr plakativ und sogar missverständlich formuliert. Zunächst bedeutet eine 4-Tage-Woche nicht etwa eine Verringerung der Arbeitszeit, sondern eine Verlagerung. An den vier Tagen müsste nämlich dann 9,5 Stunden gearbeitet werden, wenn es eine Betriebsvereinbarung erlaubt sogar bis zu 10 Stunden pro Tag. Außerdem kommt die vier-Tage Woche nur zum Tragen, wenn der Arbeitgeber entscheidet, sie - grundsätzlich - anzubieten und individuelle Mitarbeitende einen entsprechenden Antrag stellen.

Ein solcher Antrag erfasst einen Zeitraum von sechs Monaten, mit Verlängerungsoption. Falls der Arbeitgeber den Antrag ablehnt, muss er hierfür eine schriftliche Begründung liefern. Gibt er ihm statt, muss eine schriftliche Vereinbarung geschlossen werden. Wichtigster Inhalt einer solchen Vereinbarung: an den drei arbeitsfreien Tagen dürfen keine Arbeitsleistungen (sprich: Überstunden) erbracht werden!

Eng verwandt mit der 4-Tage-Woche ist eine andere Variante der flexiblen Arbeitszeit, die ebenfalls neu eingeführt wird. Es wird die Möglichkeit geben, in einer Woche weniger zu arbeiten und in der kommenden Woche entsprechend mehr - oder umgekehrt. Dies gilt nur in einem zwei-Wochen-Rhythmus, mit Ausnahme des dritten Quartals eines Jahres, in dem es (wegen der Sommerferien) in einem vier-Wochen-Rhythmus möglich ist. Hintergrund ist die Absicht, getrenntlebenden Eltern die gemeinsame Kinderbetreuung zu erleichtern. So will man auch den Zugang zur Beschäftigung erleichtern oder sogar erst ermöglichen. 

Diese Regelung tritt 10 Tage nach Veröffentlichung im Belgischen Staatsblatt / Moniteur Belge in Kraft.

Das Recht auf Abschalten

Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitenden müssen das Recht auf „Offline-Zeit“ nach Feierabend respektieren. Das Recht selbst und die Details der Implementierung sollen in Tarifverträgen auf Unternehmensebene, oder, falls existent, in allgemeinverbindlichen Tarifverträgen auf Landesebene geregelt werden. Die tarifvertraglichen Grundlagen sollen bis zum 1. Januar 2023 geschaffen sein.

Was gilt für die (Schein-) Selbständigen in der Gig-Economy?

Die Frage, ob die in modernen wirtschaftlichen Verhältnissen Tätigen (zum Beispiel Platform Worker) angestellt oder selbständig tätig sind, wird in Belgien viel debattiert. Ab Januar 2023 soll es auch für diese Gruppe einen Test geben, mit dem man das Bestehen oder Nichtbestehen eines Beschäftigungsverhältnisses feststellen kann. Die Antwort lautet „ja“, wenn aus den folgenden acht Kriterien mindestens drei erfüllt sind, alternativ mindestens zwei aus den letzten fünf:

i) es gibt ein Exklusivitätsrecht; ii) Nutzung von Geolokalisierung für andere als arbeitsrechnische Zwecke; iii) die Auftraggeberin hat ein Mitspracherecht hinsichtlich des „Wie“ der Auftragsausführung; iv) die Auftraggeberin (AG) kann das Einkommen beeinflussen, beispielsweise durch Stundensätze; v) Dresscode und Verhaltenskodex gegenüber der Kundschaft; vi) die AG kann Bestellungen priorisieren/die Reihenfolge bestimmen; vii) die AG kann die Freiheit der Arbeitsorganisation (zum Beispiel Einteilung der Arbeitszeit, Beschäftigung Dritter) beschränken; viii) die AG kann den Platform Worker daran hindern, einen Kundenstamm aufzubauen und/oder für Dritte zu arbeiten.

Diese Regelungen gelten ab 1. Januar 2023. Weitere, darauf aufbauende Vorschriften betreffend die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Unfallversicherung gelten erst nach Anordnung des Königs (arrêt royal).

Fokus auf Fortbildung

Die Mitarbeitenden bei Arbeitgebern mit zwischen zehn und 20 Beschäftigten erhalten einen Anspruch auf einen Fortbildungstag pro Jahr. Bei mehr als 20 Beschäftigten gibt es vier (2023) und ab 2024 fünf Fortbildungstage pro Jahr.

Alle Arbeitgeber mit mehr als 20 Beschäftigten sind seit September 2022 verpflichtet, einen Fortbildungsplan für ihre Mitarbeitenden zu erstellen. Der erste solche Plan muss 2023 bis zum 31. März veröffentlicht sein, danach dann jährlich zum selben Stichtag. Er muss an eine Arbeitnehmervertretung übermittelt und mit dieser abgestimmt werden. Wenn keine Arbeitnehmervertretung existiert, erfolgt die Abstimmung direkt mit den Mitarbeitenden (bis spätestens 15. März).

Ein besonderes Augenmerk gilt der Fortbildung im Zusammenhang mit einer Beendigung eines Arbeitsverhältnisses. Mitarbeitende mit einer Kündigungsfrist von mindestens 30 Wochen, die ab dem 1. Januar 2023 gekündigt werden, haben einen Anspruch auf Abwesenheit während des letzten Drittels der Kündigungsfrist. Vorausetzung: Teilnahme an Maßnahmen, die die weitere Teilnahme am Arbeitsleben unterstützen (Training, Coaching, Outplacement).

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